Flucht aus der Leibeigenschaft der Stasi

Jeder Mensch braucht ein Geheimnis

66:20 Minuten
Mikrofilme des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) von nicht weitergeleiteten Briefen eines DDR-Bürgers
Lange arbeitete Gerd Reinicke bei der Stasi. Keiner traute dort dem anderen. Sie waren viele und doch allein. © picture alliance / Rainer Jensen
Moderation: Utz Dräger · 12.06.2020
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Gerd Reinicke war bei der Stasi und wurde am Ende ihr Opfer. Schauspieler Elias Arens brach mitten in Berlin zusammen und entkam nur knapp dem Tod. Seitdem lebt er ein anderes Leben. Und Soziologin Julia Hahmann weiß: Freundschaften halten auch Pausen aus.
Die Familie war ideologisch gespalten: Die Großeltern waren in den Westen geflohen, die Eltern waren linientreue DDR-Bürger: Gerd Reinicke wollte dem Staat dienen. Der Vater war Polizist, der Bruder bei der Stasi. Als er selbst bei der Armee angesprochen wurde, ob er für die Stasi arbeiten würde, zögerte er nicht lange. "Das war eine Ehre", sagt er.
Doch diejenigen, die er ausspionieren und verhören sollte, entsprachen überhaupt nicht seinem Feindbild. Und manch eine Vernehmung mehrte die Zweifel am eigenen Tun. Heute blickt er kritisch auf große Internetkonzerne wie Google und er hat kein Verständnis, wenn Menschen sagen, sie hätten ja nichts zu verheimlichen. "Du wirst schon merken, was zu verheimlichen war, wenn sie dich an den Pranger stellen", sagt er mit der Erfahrung eines Mannes, der jahrelang die Briefe seiner Mitmenschen durchschnüffelte.
Die Soziologin und Freundschaftsforscherin Julia Hahmann weiß: Freundschaften überstehen auch größere Pausen gut. Freunde, die sich lange nicht gesehen haben, stellen oft verwundert fest: Es ist alles wie immer. Das ist gar nicht so selten, sagt Hahmann. Große Brüche im Leben, das Ende von Schule oder Ausbildung, Umzüge oder die Familiengründung bringen oft Pausen bei Freundschaften mit sich, doch nach der Rush-Hour im Leben, wenn die Kinder aus dem Haus sind, entdecken viele ihre Freunde von früher wieder. Und wenn Freundschaften tatsächlich enden, entsteht auch Raum für neue Freunde. Ein Ende muss nicht negativ sein.
Elias Arens, Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin und Lieblingsgast der Sendung, lebt mit der chronischen Darmkrankheit Morbus Crohn. Eine ambulante Operation verlief problemlos. Doch auf dem Weg nach Hause zu seiner hochschwangeren Frau brach er in der S-Bahn zusammen. Sein Darm war gerissen und er krümmte sich vor Schmerzen auf einem Bahnsteig. Weil Passanten zwar gafften, aber nicht halfen, rief er mit letzter Kraft selbst den Rettungsdienst. Eine Not-Operation rettete sein Leben und er kam rechtzeitig wieder aus dem Krankenhaus, um bei der Geburt seiner Tochter dabei zu sein.
(nis)
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