Des Menschen bester Freund

Die Liebe zum Hund

Zwei Hunde warten auf den nächsten Befehl des Hundeführers.
Angeleinte beste Freunde des Menschen beim "Tag der offenen Tür" des Tierheims Berlin. © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Carolin Pirich · 06.04.2015
Die Liebe des Menschen zum Hund ist bemerkenswert: Herrchen oder Frauchen scheuen keine Mühen und Kosten, wenn es um das Wohlbefinden ihres besten Freundes geht.
Gleich wird sich das Ofentor öffnen, und dann wird Flinki hineingeschoben. Der kleine, graue Hund sieht aus als würde er schlafen. Für seine letzte Reise liegt er zusammengerollt in einem Körbchen, die Schnauze unter eine Pfote gebettet, eine rote Rose auf seinem Fell, um ihn herum ein weißes Leintuch.
Jetzt geht das Tor auf.
Auf einer Metallschiene fährt Flinki hinein in glühendes Rot, 850 Grad Celsius, sein Körper fängt Feuer und brennt. Das Ofentor schließt wieder hinter Flinki, glänzt im stillen Raum, und an der weiß getünchten Wand steigt eine Regenbogenprojektion auf und senkt sich hinein in ein auf die Wand geworfenes Video. Darauf liegen entspannt Katzen, Hunde, Vögel, Meerschweinchen auf einer maigrünen Wiese: Der "Tierhimmel".
Peter Chiari: "Manche finden's kitschig - vielleicht. Also ich fand's sehr emotional, selbst als Bestatter. Da ist es mir 'n bisschen kalt den Rücken runter gelaufen."
Peter Chiari bringt seit 35 Jahren Menschen unter die Erde, und seit knapp zehn Jahren auch Tiere. Flinkis Frauchen hat ihm ihr Allerliebstes anvertraut, ihren Hund, und auch wenn sie bei der Verbrennung nicht dabei ist - sie wird ein Grab kaufen auf dem Tierfriedhof "Tierhimmel", einen Grabstein, und sie wird auch eine kleine Beerdigung ausrichten.
Vor zehn Jahren war das noch außergewöhnlich. 30, 40 Tiere im Jahr hat Chiari damals bestattet, viele Hunde. Jetzt sind es Vier- bis Fünfhundert. Tierbestattungen sind in Deutschland heute Usus, 160.000 sind es im Jahr. Chiari beerdigt Vögel genauso wie deutsche Doggen.
Der "Tierhimmel" mit dem Tierkrematorium in Teltow ist der größte Tierfriedhof im Raum Berlin-Brandenburg. Dorthin bringt Peter Chiari Flinki und all die anderen toten Tiere, die ihm ihre Besitzer anvertraut haben. Zu DDR-Zeiten wurden hier Rosen gezüchtet, dann lag das Gebiet brach, Autowracks wurden abgestellt. Heute ist der "Tierhimmel" ein stiller, schöner Ort mit Wiese, alten Bäumen und Gräbern. Kleine, steinerne Engel, Blumengestecke, Kerzen. Eine alte Dame gießt schweigend die Tulpen auf dem Grab von Kira. Ich gehe vor bei an: Minki und Murmel; Alaska und Fietje; Jerry und James; und "meiner dicken Pami, unvergessen."
Weinende Männer im Bestattungsinstitut
"Es wird viel mehr geweint bei den Tieren als bei den Menschen, das ist leider so."
Am späten Vormittag sitzt Peter Chiari in seinem Bestattungsunternehmen in Berlin-Charlottenburg an einem runden Tisch aus dunklem Holz, den eine geklöppelte, weiße Tischdecke bedeckt. Peter Chiari ist ein dunkelhaariger, großer Mann. Seine Schultern sind so breit, dass man sicher erleichtert die Trauer auf ihnen ablädt. Er hält seine Hände gefaltet und neigt den großen Kopf zur Seite, auch beim Interview. So, dass ich mich von ihm verstanden fühle - obwohl ich ja selbst verstehen will. Warum lassen Menschen ihre Tiere bestatten, und warum werden es immer mehr? Warum verbinden wir uns mit Tieren so eng, oft enger als mit Menschen?
Peter Chiari hat seine eigenen Beobachtungen gemacht.
"Wir sind ja nun leider so was wie 'ne Wegwerfgesellschaft, das betrifft leider auch die Bestattungsbranche, dass nur noch Entsorgungen gemacht werden bei den Humanbestattungen. Anders ist es bei den Tierbestattungen, da hängt irgendwie noch das Herz dran. Das ist so nun mal halt. Wir haben erlebt, dass gestandene Männer hier reingekommen sind und haben ne halbe Stunde geweint wegen dem Tier. Das war der Begleiter über 10, 15 Jahre. Familienmitglied kann man da ja sagen. Und dann haben wir es anders erlebt, da ging die Tür auf, der Kopf guckte so rein und dann: Meine Olle is' tot. Wat is'n det billichste."
Der Mensch hat also mehr Herz für Tiere als für seine Mitmenschen?
Peter Chriari steht auf und führt ins Nebenzimmer, in den Raum für die Tiertodesfälle. Er ist kleiner und deutlich kühler als der Raum für Humanbestattungen.
"Ja, hier wird nicht geheizt."
An einer Wand steht eine Vitrine mit Urnen in Katzen - oder Hundeform, auch Engelsurnen sind dabei. Kostenpunkt: ab 40 Euro bis 500 Euro. Regelmäßig kommt eine Dame zu Herrn Chiari, sie hat eine Volière. Immer wenn einer ihrer Vögel stirbt, bringt sie ihn hierher. Herr Chiari bettet ihn in einen Sarg, lässt ihn einäschern, und sie nimmt ihn in einer Urne wieder mit nach Hause. Bei Peter Chiari bekommt der Tierbesitzer auch fast quadratische Särge, etwa in der Form von Schachteln, in denen man Wanderschuhe kauft. Verschiedene Modelle lehnen an der Wand. Die vorderste ist weiß und hellblau: Himmel mit Wolken
"Die haben andere Formen, weil die Füße ja längs sind, beim Menschen sind sie halt unten dran. Für die deutsche Dogge höchstens Einmeterfünfzig."
Auch wenn viele Tierbesitzer sich für ein Grab auf dem Friedhof entscheiden - es ist kein Muss. Für Tiere gibt es keinen Friedhofszwang wie beim Menschen. Wer einäschert, kann die Asche später mit nach Hause nehmen oder verstreuen: Im Garten, über dem Ozean, im Wald, am Lieblingsplatz des Tieres. Man kann die Asche auch pressen lassen - zu einem Diamanten.
"Das sind keine Peanuts, das geht dann in die Tausende. KommenSe, zeig' ich Ihnen mal."
Chiari zieht eine Schublade und greift eine schwarzsamtene Schachtel. Er öffnet sie.
"Das ist ein Zweikaräter und das ist ein Vierkaräter. Ich würde sagen, rosé und bläulich. Das kann man als Ohrring oder als Amulett... ich glaube, der kleinste kostet Zweitausend."
Ein kostspieliges Andenken, für diejenigen Menschen, die sich vom Tier nicht trennen können. Die meisten geben nicht so viel Geld aus. Sie nehmen die Urne mit nach Hause ins Wohnzimmer.
Zum Abschied steht der große Herr Chiari in der Tür. Er hält den Kopf gesenkt, die Hände ineinander gefaltet. Er nickt mir zu und verbreitet noch immer seine vertrauensgebende Ruhe. Dann verschwindet er in seinem Bestattungsgeschäft hinter den Spitzenvorhängen und lässt ein leises Gefühl von Traurigkeit zurück.
Auf dem fast leeren Gehweg schlendert ein Paar vorbei, an ihrer Seite trottet ein braunwuscheliger Hund, freundlich wie ein lebendiger Teddy.
Auf der anderen Straßenseite zieht ein Rottweiler an der Leine, sein dickes Herrchen hält dagegen. Die Dame mit Mops weicht aus, wechselt die Straßenseite, hinüber zum Teddy, weg vom Rottweiler.
Hunde in der Stadt erfüllen für den Menschen andere Aufgaben als auf dem Land. Der Stadtmensch braucht keinen Wachhund. Er braucht einen Gefährten. Einen Begleiter. Einen Gesprächspartner. Ein Ebenbild.
12,4 Millionen Kinder leben in Deutschland. Und 26,9 Millionen Haustiere; am meisten Katzen - und Hunde.
Nur paar Straßenblöcke von Peter Chiaris Bestattungsgeschäft entfernt, in einer ruhigen Seitenstraße hinter dem Schloss Charlottenburg in Berlin wohnt im Parterre Pamela Faulhaber. Sie hat schon drei Hunde von Peter Chiari einäschern lassen.
Die Dame, die öffnet, ist Anfang 50 und hat ein offenes Lächeln, eine zierliche Frau mit schmalen, feingliedrigen Händen; dennoch ist der Händedruck kräftig. Sie führt ins Wohnzimmer, zeigt auf das braune Sofa; wir setzen uns.
"Die Tiere waren für mich Familienmitglieder, und nicht nur Familienmitglieder, sondern auch große Freunde, weil ich von großen Schicksalsschlägen behaftet war. Da gaben mir die Tiere so viel Halt. Ich wollte nicht, dass die Tiere verwertet werden zu Mehl oder sonst wie verarbeitet werden. Deshalb war es für mich ganz klar: die Tiere kommen wieder nach Hause."
Drei Urnen stehen nun in einer Vitrine im Wohnzimmer: Schäferhund Pascha, Terrierhündin Pauline und Schnauzer Tapsi in schlichten, etwa 15 cm hohen Gefäßen aus Kupfer.
"Der letzte Hund war die Tapsi, die Beagle-Schnauzer-Hündin. Das ist sie hier. Die Schwarze."
Pamela Faulhaber zeigt auf eines der drei gerahmten Hundefotos, die vor den Urnen stehen. Auf Pauline, die Terrierhündin. Sie blickt von unten in die Kamera, die Stirn in Falten, ein Hundeblick, in dem man einen stummen Vorwurf lesen könnte. Dann auf Tapsi.
"Das war ne ganz ne Dominante. Sehr spielfreudig, ohne Ball ging's nie raus. Ja, sehr, sehr liebevoll. Sie hat ja sofort gespürt, wenn man traurig war. Dann hat sie immer ihre Pfote auf meinen Oberschenkel gelegt und kam dann kuschelnd zu mir rüber. Da fehlten nur noch die Worte: Ach, sei doch nicht traurig, Frauchen, ich bin bei dir. Alles wird gut."
Der Hund als Trostspender für einsame Menschen? Pamela Faulhaber ist gar nicht einsam. Im Wohnzimmer stehen außer den Hundefotos auch Fotos von kleinen und größeren Kindern, ihre eigenen und ihre Enkelkinder. Ihr jüngster Sohn und zwei ihrer Enkelkinder leben bei ihr. Die Enkel sind noch klein, neun und vier Jahre alt. Und Pamela Faulhaber selbst arbeitet als Tagesmutter. Trotzdem: sie vermisst Tapsi, ihren Schnauzer.
Noch ein Foto hängt im Wohnzimmer. Es fällt sofort ins Auge. Es hängt an der Wand gegenüber der Tür, über Augenhöhe: Ein lebensgroßes Porträt eines jungen Mannes mit vollen Lippen, er trägt Polizeiuniform. Es ist ihr Sohn, das älteste von vier Kindern. Er ist bei einem Autounfall gestorben. Heute wäre er 36 Jahre alt.
Als ihr Sohn starb, verlor Pamela Faulhaber den Boden unter den Füßen. Der Ehemann ertrug den Schmerz nicht und verließ die Familie.
Aber es musste ja weitergehen: Da waren noch die anderen drei Kinder. Die Arbeit. Und da war Pascha, der schwarze Schäferhund.
"Det war so'n Rabauke. Musste alles nach seiner Schnauze gehen."
Der größte Verlust im Leben
Trotzdem: Pascha war der Hund ihres verstorbenen Sohnes, und Pamela Faulhaber nahm ihn auf. So kam der erste Hund in ihre Wohnung.
So fing alles an mit Pamela Faulhabers Beziehung zum Hund.
Der schwarze Schäferhund ist heute in der ersten Urne, auf dem Foto steht er aufrecht, reckt den Kopf. Wäre er ein Mensch, würde man ihn als stolz und ernst bezeichnen. Vielleicht so wie sein Herrchen, der verstorbene Sohn. Es ist der größte Verlust im Leben von Pamela Faulhaber, unersetzbar, unvergleichlich.
"Wenn das bei Menschen möglich wäre, wie zum Beispiel der Verlust eines Kindes, was immer im Herzen drin bleiben wird, und man könnte einen Teil mit sich in die Wohnung mitnehmen, würde man das vielleicht anders verarbeiten als vielleicht auf dem Friedhof, wo man hingeht. Das sage ich für mich. Ich weiß nicht, wie es anderen ergehen würde."
Als sie vergangenen Herbst Tapsi einschläfern lassen musste, haben die Töchter die Tränen der Mutter nicht lange ausgehalten. An einem Morgen im Dezember standen sie mit Hund Nummer vier im Korb vor der Tür: Emmi. Ein Hund ist vielleicht eher ersetzbar, ein Mensch nicht. An diesem Vormittag tollt Emmi im Park mit einer Hundeausführerin herum.
"Also Emmi ist so'n Hund, den ich nicht haben wollte. So vom Charakter her, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite, sie wird einfach reifer. Sie ist unheimlich verspielt, sie ist fünf Monate alt, und sie ist sehr bewegungsfreudig. Ne Stunde Auslauf reicht nicht aus, sie muss zwei bis drei Stunden draußen sein. Und das ist schon anstrengend."
Wenn Menschen ihr Leben gerne mit Tieren teilen, so wie Pamela Faulhaber, dann heißt das nicht automatisch, dass sie zu Menschenfeinden werden oder lieber mit Tieren zusammenleben als mit Menschen. Allerdings: in manchen Fällen schon, sagt Psychologin Andrea Beetz von den Universitäten Rostock und Wien. Sie erforscht die Beziehung zwischen Mensch und Tier, insbesondere die Wirkung des Tieres auf den Menschen. Je schwieriger die Beziehungen zwischen Menschen werden, sagt sie, desto größeren Stellenwert nehmen Haustiere ein. Sie ersetzen den sozialen Kontakt, sie passen sich an, was sogar so weit gehen kann, dass ein Hund das Verhalten, die Stimmung seines Besitzers übernimmt. Und sich der Hundebesitzer einen Hund aussucht, der ihm äußerlich ähnelt. Aber es gibt auch noch eine andere Wirkung: der Hund kann Brücken bauen zu anderen Menschen. Zu anderen Hundebesitzern.
Um die langgezogenen Grunewaldsseen herum zieht sich eines der größten Hundeauslaufgebiete Deutschlands. Bei 153 Hund-Mensch-Gespannen habe ich an einem sonnigen Samstagnachmittag aufgehört zu zählen. Jedes Alter, jeder Stil, jeder Beruf begegnet mir im Grunewald. Alle sprechen gerne mit mir und untereinander über ein Thema: den Hund
Vater, Tochter und Border-Collie:
"Vater: Der heißt Mattie. - Was zeichnet den aus? - Schlecht hören. - Tochter: Nein, der freut sich immer, wenn jemand kommt."
Junge Frau mit Freund und quirligem Hund:
"Maddu heißt er, das ist das irisch-gälische Wort für Hund. Er ist ein Jack-Russel-Border-Collie-Mischling. - Was zeichnet den aus? - Seine Wendigkeit, seine Spritzigkeit und seine Nervigkeit."
Schwerer Mann, schwerer Hund
"Weimaraner, Ordo."
In die Ferne träumender Mann, dunkelbrauner Welpe.
"Das ist ein Entlebucher Sennenhund. Rosi. Sehr wild, also..."
Rosi beißt mit ihren kleinen, spitzen Milchzähnen ins Mikrophon. Will es nicht mehr loslassen. Als sie den Biss lockert, um noch mal neu zuzubeißen, stecke ich es lieber schnell in die Tasche... Vielleicht wird Rosi ruhiger werden, wenn sie älter wird? Der Mann wirkt etwas müde, aber gottergeben:
Was man in der Theorie liest, ist sie temperamentvoll. Und bleibt es auch.
Eine Ehe zwischen Mann und Frau hält in Deutschland im Durchschnitt 14 Jahre. Eine Beziehung zwischen Hund und Herrchen trennt meistens erst der Tod.
Der Hund ist ein anspruchsvoller Partner, der Zeit braucht, Pflege, Bewegung, der spielen will - und der Geld kostet. Eine Stiftung, das Bündnis Mensch und Tier, hat ausgerechnet, wie viel Zeit und Geld ein Besitzer durchschnittlich für einen Hund mittlerer Größe aufwendet. Im Jahr kostet er durchschnittlich für Futter, Arztkosten, Hundesteuer, Ausrüstung und Versicherung: 2000 Euro, ohne Anschaffungskosten. Und täglich sollte der Besitzer optimalerweise für Spaziergänge, Streicheln, Spielen, Füttern sechs Stunden einrechnen.
Eine große Frau in wallenden Kleidern kommt den Weg entlang, ihr graues und weißes Haar fällt weit über den Rücken. Auch der Hund - schlank, groß und sehr windschnittig - hat langes, silbergraues Fell, so fein wie Haar. Irgendwie --- sie haben den gleichen Stil, Frauchen und Hund.
"Ein Barsoi, ein russischer Windhund."
Der russische Windhund. Er gehört zu den schnellsten Landtieren der Erde. Aber jetzt macht er keine Anstalten, das vorzuführen, sondern dreht geruhsam seinen sehr schmalen Kopf mit seiner sehr langen Schnauze zu mir, schaut mich an und zieht seine Lefzen hoch.
"Jetzt lacht er Sie gerade an, falls sie es nicht gesehen haben. Karenin, lach mal! Jaaahahaha. Die sind von den Zaren berühmterweise zur Wolfsjagd verwendet worden, in Gruppen von zwei bis vier Hunden. Sie haben den Wolf gestellt, und der mutige Jägersmann musste ihn nur noch abstechen kommen. Heldenhaft, nicht wahr."
Seitdem sie durch einen Zufall einmal eine Barsoi-Hündin als Findelkind bekommen hat, sagt Karenins Frauchen, hat sie sich in diese Rasse verliebt. Ob sie dem Hund damals schon äußerlich ähnelte oder sie sich langsam einander angenähert haben, ist schwer zu sagen. Auf alle Fälle ist eine Barsoi-Hündin nicht nur äußerlich beeindruckend, sie spielt auch in Leo Tolstois "Krieg und Frieden" eine Rolle. Und immer wieder findet man den Hund als Bronzeskulptur, auf einem Gemälde oder als Porzellantier. Er muss der perfekte Partner sein.
"Also im Haus merkt man sie nicht, wenn's regnet wollen sie nicht raus, und all so praktische Dinge. Und der lacht. Windhunde neigen allgemein dazu, aber er tut es ganz besonders gern und oft. Karenin."
Da ist eine Harmonie an diesem Samstagnachmittag im Grunewald, die stutzig macht. Ich bin auch gern mit Hunden zusammen, spiele mit ihnen, spreche mit ihnen. Aber warum können Menschen und Hunde so dicke Freunde werden? Was ist das für eine Beziehung, für eine Rangordnung? Und wer regiert eigentlich wen?
Alleinerziehend mit Hund
Mila ist im Grunewald ein problemloser schwarzer Mischlingshund: spitze Ohren, schmale Schnauze, schlanke, lange Beine. Zuhause ist Mila alles andere als einfach. Sie bleibt keine Minute allein, motzt, heult. Aber das ist jetzt vergessen, beim Spazierengehen ist Besitzerin Susanne wie verliebt in ihre Hündin: Mila ist ...
"...in erster Linie mal super sensibel und super wachsam, und auf dem baut sich alles auf. Sie ist auch ängstlich, und in den verschiedenen Situationen so wachsam, dass sie eigentlich auf alles reagiert. Das ist eigentlich ihr Grundcharakterzug."
Mila stupst mit ihrer Schnauze ins Gebüsch, immer wieder. Dann schüttelt sie den Kopf, sie hat große Stöcke erbeutet, die sich aber nicht so leicht auf den Waldweg zerren lassen.
"Die ist jetzt wütend, dass die so groß sind, dass sie sie nicht mitnehmen kann. Das ist jetzt eher Aggression, was sie da zeigt.
Komm, Mila, weiter!"
Die schlanke, brünette Frau an Milas Seite hat ein schön geschnittenes Gesicht, schmale Hände, trägt Röhrenjeans und Turnschuhe, Lederarmbänder umrahmen ihre Handgelenke. Wenn Mila nicht wäre - Susanne wäre nicht rausgefahren aus der Stadt. Sie müsste arbeiten. Gerade hat sie einen hohen Stapel Texte auf dem Tisch; als freiberufliche Übersetzerin kommt manchmal die Arbeit richtig dicke. Aber Mila will raus. Und zwar möglichst lange.
"Mit meinem Exfreund zusammen haben wir die aus dem Tierheim geholt. Ich wollte eigentlich schon immer einen Hund. Und so ein bisschen vielleicht als Vorstufe zu einem Kind. Das war jetzt nicht so ausgesprochen, aber ein bisschen schon."
Sie haben damals am Anfang noch in einer Wohnung gewohnt, in der keine Hunde erlaubt waren. Also blieb Mila nie allein zuhause, weil sie Sorge hatten, dass sie bellt und sie verrät. Nach zweieinhalb Jahren haben sich Susanne und ihr Freund dann getrennt. Susanne ist jetzt gewissermaßen alleinerziehend - und weil Mila nicht gelernt hat, allein zu bleiben, muss Susanne zuhause arbeiten, kann abends nur ausgehen, wenn sie einen Hundesitter bezahlt - oder Mila muss überall hin mit.
Also ich bin total eingeschränkt. Ich könnte jetzt nicht arbeiten gehen, ich müsste mir überlegen, was ich dann mach, sie zur Pflege geben. Wenn ich zum Arzt gehe, muss ich sie anbinden, und ich bin dann nach eineinhalb Stunden Wartezeit gegangen, weil sie gebellt hat und ich nicht ausgehalten hab, weil ich auch die Leute nicht nerven wollte.
Manchmal denkt Susanne darüber nach, ob es nicht besser wäre, Mila abzugeben. Selbst wenn sie einmal verreisen will, bräuchte sie ein Auto: im Zug würde Mila hell und laut und oft bellen. Fliegen ist teuer und kompliziert mit einem Tier. Freundschaften pflegen? Schwierig. Jemand neues kennenlernen, der keinen Hund hat: noch schwieriger.
Ihr Vater sagt zu Susanne:
"Du kannst doch nicht wegen dem Hund vor die Hunde gehen."
Aber Mila abgeben? Das würde Susanne nicht übers Herz bringen. Der Hund ist nervös, ja, ein bisschen neurotisch vielleicht auch. Susanne ist einerseits fremdbestimmt, aber andererseits ist Mila so sensibel und klug, und bereitet ihr oft große Freude, wie kürzlich, als sie einen Mann im Rollstuhl und seinen Pfleger dazu brachte, laut aufzulachen. Susanne will nochmal einen Versuch starten, mit einer Hundetrainerin Mila daran zu gewöhnen, ein paar Stunden alleine bleiben zu können. Mila gehört eben zu ihrem Leben. Wie ein Partner.
Warum ist es gerade der Hund, auf den der Mensch kommt? Warum nicht eine Katze, ein Hamster oder ein Pferd?
Die Psychologin und Wissenschaftlerin Andrea Beetz hat herausgefunden: Hunde nutzen die gleichen Sozialsysteme wie Menschen. Sie leben im Verbund, orientieren sich an anderen. Und wenn ein Mensch einen Hund streichelt, schüttet das menschliche Gehirn Oxytocin aus, ein Hormon, das unter anderem für die Stärkung der Mutter-Baby-Bindung zuständig ist. Menschen wollen Sozial - und Körperkontakt, denn er tut gut und hilft Stress zu regulieren. Nicht umsonst werden Hunde zur Therapie eingesetzt. Falko zum Beispiel.
ein graubrauner, großer Pudel.
"Er ist lustig, süß und hat ein starkes Selbstbewusstsein."
Falko hat Paula dabei geholfen, Selbstvertrauen zurückgewinnen. Paula ist 12. Sie wurde in ihrer alten Schule gemobbt, hatte Ängste und ging nicht mehr gern in die Schule.. Ihre Mutter hat sie zu Ergotherapeutin Petra-Kristin Petermann gebracht, die in der Therapie mit Tieren arbeitet.
"Ich musste mit Falko Sitz, Platz und verschiedene Tricks machen, und da musste ich immer gerade stehen. Und Falko, der guckt halt auf die Haltung und nicht auf das, was man sagt. Und dann sieht er auch, was man will."
Wenn Paula etwas sagt, aber etwas anderes will, registriert das der Hund - und reagiert verwirrt. Oder gar nicht. Ein Jahr lang hat Paula geübt, wie sie klare Ansagen machen kann - und Falko, wie er Paula zu verstehen hat. Jetzt baut Paula in der Praxis für Falko einen Parcours auf: Einen Tunnel, eine Hürde, und unter Plastikhütchen versteckt sie Leckerli, die Falko finden soll. Aber zuerst muss sie ihn rufen.
- "Falko! Komm her. Komm her! Tja, im Moment nicht."
- "Du, bist du überzeugt davon, dass du willst, dass er herkommt?"
- "Ja."
- "Dann musst du mit dieser Überzeugung ihm das rüberbringen. Du schaffst das."
- "Falko! Falko! Komm her. Ja, fein!"
- "Also, wenn man nur eine kleine Unsicherheit zeigt, dann denkt der: nö. Ich muss also eine klare Haltung haben, dass ich das will und dass ich das schaffe. Und dann kann ich das auch. Das ist ganz wichtig fürs Leben."
Oft hat Paula ihren Mitschülern nicht gesagt, was sie denkt. Sie hat so geantwortet, wie sie glaubte, dass die anderen das hören wollten. Hunde aber sind da nicht so kompliziert. Sie reagieren auf das, was ihr Gegenüber ausstrahlt. Mit Pferden ginge das genauso, sagt die Therapeutin Petermann, aber ein Hund ist leichter zu halten.
"Ihr seid heute alle so müde, ne? Kann ich verstehen. Machen wir nochmal Leckerlisuchen."
Aber nach drei Runden Hindernislauf und Leckerlisuchen trottet Falko lieber hinter einen Sessel. Er streckt seine Beine aus und legt seine Schnauze auf den Pfoten ab. Die Menschen geben Ruhe. Mehr noch: sie werden selbst ruhig. Denn auch das ist längst bewiesen: Wenn ein Hund entspannt da liegt, dann wissen wir intuitiv: Alles ist in Ordnung.
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