Derbleckn, überbayerisch

Von Rudolf Erhard · 05.01.2007
Da trifft sich die CSU wieder in Wildbad Kreuth. Die Parteimitglieder erwarten neue Fingerzeige, die Journalisten schöne Bilder und Interviews, die Kabarettisten neues Material. Vor allem die bayerischen Kabarettisten.
Geht man von der schlichten Erfahrung aus, wonach in konservativen Landstrichen das scharfzüngige Wort besonders gut, also derb gewetzt wird, dann, ja dann muss Bayern sehr konservativ sein. Er beheimatet die besten Kabarettisten. Derblecken, überbayerisch.

Roider Jakl: "I fang als erstes gleich von oben her o / und nimm die bairische Regierung dro, / dera ghörts a mal richtig gsagt / und bei der Ehre packt."
Ottfried Fischer: "Und das kommt nur daher nur daher, weil die CSU seiner Zeit eigenhändig mit Pickel und Schaufel, die Alpen Stück für errichtet und die bayerischen Seen ausgehoben und bewässert hat."

Politisches Kabarett vom Roider Jakl bis zu Ottfried Fischer. Der eine wäre heuer 100 Jahre alt geworden, der andere macht außer Fernsehserien auch noch Kabarett "Live aus dem Schlachthof". Der Roider Jakl war nach dem Krieg der erste, der Politiker und sonstige Probleme spöttisch in Versen besang, Gstanzl singa nennt sich das auf bayerisch:

Roider Jackl: "I glaub jetzt nur noch an Bayern, das ist mein einziger Trost, denn der Glaube an Deutschland hat uns owei sakrisch viel kost."

Derbleckn, neudeutsch veräppeln, noch heute in bayerischen Landen beliebt und auch eine Urform des politischen Kabaretts. In München-Schwabing wurde vor 50 Jahren ein ganz anderer Dauerbrenner aus der Taufe gehoben:

Lied: "Und unser Haus liegt an der Münchner Freiheit, / doch bis zur Freiheit ist es noch sehr weit / und tun wir auch, was wir nicht lassen können / und müssen wir nicht, was wir tun."

"Und müssen wir nicht was wir tun" hieß das erste Programm der Münchner Lach- und Schießgesellschaft im Dezember 1956, scharfzüngig und hoch politisch.

"Nu freilich, wenn man 65 ist, darf man rüber in Westen.
Ja ist das nicht prima?!
Ja, das find ich auch so prima, wo es doch der erste Weg zur Wiedervereinigung ist.
Ach Tantchen, glaubt’s du denn noch immer da dran?
Nu freilich, steht ja sogar schon’s Datum fest.
Das Datum?
Ja, der 7. Oktober 2014.
Tantchen, wie willst du denn das wissen?
Da wird doch de DDR 65, da darf die doch och rüber."

Lied: "Es ist zum Schießen, zum Schießen zum Schießen, / es ist zum Schießen alles angerichtet, aufgestellt, geprüft, gerichtet, / es ist zum Lachen, zum Lachen, zum Lachen …"

Auf der handtuchgroßen Bühne in der Münchner Haimhauserstraße gibt es seit fünf Jahrzehnten politisches Kabarett allererster Güte, da wird scharf geschossen, damit gelacht wird:

"Die Handhabung der Leitsätze bei der Durchführung der Grundordnung des Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland erfolgt unter freiheitlich demokratischen Gesichtspunkten. Dies ist ein deutscher Satz. Was ist das Deutsche an diesem Satz? Das deutsche an diesem Satz ist, dass darin keine Menschen vorkommen."

Bei gutem politischem Kabarett erstirbt manchmal das Lachen, meist kommt sofort drauf ein Lied:

Lied: "Lernt die Sprache und das Lesen / Jajaja / Deutsche Art und deutsche Thesen / Jajaja / Der Deutsche, der kommt herum, am deutschen Wesen soll die Welt genesen."

Politisches Kabarett ist verbale Karikatur und die wiederaufstrebende Nachkriegsrepublik Deutschland bot da über die Jahrzehnte Stoff in Hülle und Fülle. Und immer mittendrin, der lange Zeit einzige Freistaat:

"Verrat, Verrat / Was ist denn los? / Schmachvolle Tat! Der Freistaat Bayern hat sich losgesagt vom Bund. / Verdammt noch mal, das ist ein dicker Hund. / Die Grenzen Bayerns sind hermetisch dicht, besonders die zum roten Hessen, an vielen Übergängen kommt es zu Exzessen. / Oh weh, du blutest an der Stirne. / Mich traf ein Semmelknödel an der Birne."

Das Fernsehen trug dann das politische Kabarett hinein in die Wohnzimmer. "Schimpf vor 12", das Silvesterprogramm der Lach- und Schieß-Gesellschaft aus München, hatte im Ersten Deutschen Fernsehen Einschaltquoten von bis zu 60 Prozent.

"Und, und, und außerdem will ich ihnen sagen, was die SPD vorhat. Sie will sämtliche Fernsehapparate enteignen, ja, ja, ja, das passiert noch und die Religionen verbieten. Kardinal Döpfner hebt jetzt schon Schützengräben in München aus."

Dieter Hildebrand, Ursula Noack, Klaus Havenstein, Klaus Jürgen Dietrich, die ersten vier Namen der zahllos wechselnden Lach- und Schießensembles. Politisches Kabarett ist Schwerstarbeit auf dem schmalen Grat zwischen Satire und Klamauk:

"Der Franz Josef Strauß, der wird’s ihnen schon beweisen, dass der liebe Gott nicht evangelisch ist."

Sogar dem prozessfreudigen Franz Josef Strauß ist es über Jahrzehnte nicht geglückt, die Freiheit der Kunst des politischen Wortes gerichtlich zu unterdrücken.

Strauß: "Die Urheber dieser Lüge, das sind die Brunnenvergifter."

Den Muff der Nachkriegsjahre aus den Köpfen vertreiben, den Verdrängern und Geschichtslügnern die Wahrheit sagen und das Gerangel der Parteien aufdecken, gutes politisches Kabarett kann und konnte vieles.

"Der CSU-Vorstand hat einstimmig die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß begrüßt. Wer hätte das gedacht? Wenn ich nur daran denke, dass wir die Wiedervereinigung miterleben durften. Mir kommen jedes Mal vor Rührung die Tränen, aber nur deswegen, weil es der CSU in mühevoller Kleinarbeit gelungen ist, der CDU zu beweisen, dass sie die kleiner Partei ist."

Kabarettisten kamen und gingen, einer obwohl schon fast 80 blieb bis heute, weniger zwar als früher, aber immer noch gut. Dieter Hildebrand, der sich an allen rieb von Adenauer über Strauß und Kohl bis zu Brand und Schröder, aber besonders erfolgreich zu Zeiten als die sozialliberale Koalition entstand. Schuld abladen verboten, so der Titel des Programms 1969:

"Wir haben ihnen sieben Ministerposten, acht Ministerposten, neun Mini, nachts waren’s manchmal zehn, was wir ihnen angeboten haben. Und was ihr alles fallen gelassen habt, eure Grundsätze, eure Maske, eure Moral, eure Hosen. Man muss doch mal sein Gesicht zeigen und außerdem … Wir hätten den Scheel unseren Kanzlerposten angeboten. Und das ist ein Opfer. Wieso? Na dieser Knautschlackstresemann."

Gutes Kabarett legt sich mit allen und mit allem an und da ist dann auch Religion politisch, beweisen Werner Schneyder und der Hildebrandt:

"Eminenz, was ich wissen will, was sagt die Kirche dazu, dass im Fernsehen ununterbrochen öffentlich Politiker auftreten, die Krieg, also den Gebrauch von Waffen, also Töten von Menschen für ein legitimes Mittel zur Regelung der Probleme dieses Erdenlebens halten? - Wir werden für sie beten."

Die Kabarettbühnen wurden ins Fernsehen verlagert, zuerst Dieter Hildebrandt mit seinen "Notizen aus der Provinz" im ZDF und dann, mit wechselnden Gästen, Scheibenwischend in der ARD:

"Ihr seid sozialer Demokrat? Sagt, woran sieht man’s? In der Tat. Doch, doch, ihr seid ein Teil von jener Kraft, die stets das Linke will und doch das Rechte schafft."

Politisches Kabarett kann spalten, vor allem wenn es trifft und so schaltete sich der Bayerische Rundfunk, auf Druck der in Bayern regierenden CSU ein einziges Mal aus dem Scheibenwischer aus. Damals 1982, als detailliert die Verflechtungen von CSU-Ministern mit dem Aufsichtsrat der Rhein-Main-Donau-AG aufs Korn genommen wurden.

"Grüß sie Gott, Herr Staatsminister Zeiserl-Watitz von der Rhein-Main-Donau, es ist wieder mal soweit, gell, er ist wieder da in bar, ja, ja, es ist a mehrstellige Ziffer, halt a bisserl mehr wie im letzten Quartal, mia san ja schließlich net der öffentliche Dienst."

Bei anderer Gelegenheit, bei einer ganz speziellen Art des politischen Kabaretts, müssen Politiker den Spott sozusagen von Angesicht zu Angesicht ertragen. Beim alljährlichen Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg gibt es zum starken Bier, starke Sprüche. Derblecken auf bayerisch und das auch schon seit Jahrzehnten. Oben steht ein Fastenprediger, wie Walter Sedlmayr und unten sitzen die Verspotteten:

"Freiwillig tritt der Mann nie zurück, wenn einer zurücktritt, dann ist es der Wehner, der tritt gern zurück, der hat ja schon den Brandt zurückgetreten. Und jetzt hofft halt der Kohl, dass der Wehner den Rücktritt vom Schmidt auch noch schaffen wird. Und wenn sich dann der FDP-Schwanz einen neuen Hund sucht, mit dem er wedeln kann."

Bruder Barnabas nennt sich der Kabarettist in Mönchskutte, seit einigen Jahren in Person von Bruno Jonas, mit christlichen Nächstenhieben:

"Im Duden steht Glosen. Das Glosen gibt’s, das heißt Glühen, Glimmen, müssen sie nachschauen; das ist der Zustand, wenn ein Feuer ganz heruntergebrannt ist."

Michael Glos, gefror das Lachen. Gleich daneben musste sich Peter Ramsauer für seine geschwurbelte Definition des CSU-Auftrags verspotten lassen.

"Sie müsse die Kohäsionskraft entfalten zwischen CDU und SPD. Ja hoppala, der Ramsauer-Peter. Und da wollt ihr, dass die Kinder am Schulhof Deutsch sprechen?"

Und die Fernsehkameras hielten voll auf den Getroffen. Und weil der daneben sitzende CSU-General Markus Söder laut lachte, wurde er für sein Umschreibung "CSU ist gleich Scharnier der sozialen Balance" geohrfeigt.

"Weil Scharniere muss ma ab und zu schmieren, Herr Söder. Also gell, Söder, wenn wir das nächste Mal eine Metapher gebrauchen, dann denken wir vorher nach."

Politisches Kabarett der besonderen Art, erfolgreich live fürs Fernsehen inszeniert. Und wie Lämmer werden die Politiker, mikrofonumschwärmt, zur Schlachtbank geführt.

Stoiber: "Es ist ja immer auch ein Körnchen Wahrheit dabei und dann kann man ja halt mal schauen, was lachen die Leute, über was lachen die Leute ganz besonders und so, haha."
Jonas: "Inzwischen werden sie, Herr Ministerpräsident, ja schon wieder von einer Welle der Sympathie getragen. Aber das wissen sie ja selber, wie das ist mit den Wellen. Da gibt’s Höhen und Tiefen und jede Welle kommt irgendwann am Strand an - und dann muss man aufstehen und gehen."

Florett, statt Schwert das ist die Kunst. Ob das jetzt öffentliches Derblecken beim Starkbier ist, oder Kabarett auf kleinen Bühnen. Das Fernsehen fordert aber auch hier seinen Tribut und so gibt es auf dem Münchner Nockherberg auch noch ein Singspiel mit Politikerimitationen. Da agierte Stoiber als Robinson mit seinem schwarzen Freitag Söder:

"Schreib weiter, ah, ich erwarte, aäh, äah,ääh, äah …"

In Zeiten, da Kabarett gerne mit Comedy verwechselt wird und scharfzüngiger Humor mit Kalauern, ragen als Protagonisten deftiger bayerischer Sprachgewalt Gerhard Polt und die Biermösl Blosn weit über die Grenzen des Freistaat hinaus.

"Die behaupten, ich würde jemand bestechen. Ich hab’s doch gar nicht notwendig, jemand zu bestechen! Ich verwehre mich gegen solche Anschuldigungen! Ich bin von Wiege auf Mitglied in der Partei! Ich habe die Mitgliedschaft von meinem Taufpaten als Taufgeschenk bekommen, damit ich niemals in Verlegenheit kommen muss, jemand zu bestechen."

Mit solchen Sprüchen treten Polt und die Biermösl im feinen Bayerischen Staatsschauspiel, dem Münchner Residenztheater auf. Das intellektuelle Publikum ergötzt sich an bayerischer Nabelschau:

Biermösl Blosn: "Mia hamm des liberalste Fernsehen und den besten Leberkas und die oberbayerische Gesichtscreme von der Uschi Glas. Mia san die Pisa-Sieger, mir hamm die gscheitesten Studenten, unsere Grundschüler san scho besser wia in Mecklenburg-Vorpommern die Abiturienten."

Es geht aber auch noch eine Nummer härter über den Mann, der Kabarettisten von Matthias Riechling bis Urban Priol mit Stoff versorgt, Edmund Stoiber, der - "ich leide wie ein Hund" - kleinmütig vor der Berliner Verantwortung wieder nach Bayern flüchtete:

Biermösl: "Deutschland lacht und spottet, jetzt lasst er die Hosn runter und alle segn ganz deutlich, da is ja gar nix drunter, tief in seinem Innersten, schrillt beim Edmund der Alarm, sogar der Markus Söder will raus aus seinem Darm."

Comedy auf allen Kanälen, mehr Komiker als Kabarettisten und gute politische schon gleich gar nicht.
Bleiben noch die unfreiwilligen Kabarettlieferanten wie Edmund Stoiber. Er sorgt für Realsatire mit seiner Sprachakrobatik:

Stoiber: "Wenn sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten, ohne dass sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten sie im Grunde genommen am Flughafen, am Hauptbahnhof in München starten sie ihren Flug."

Das hätte sich auch der große Dieter Hildebrand nicht besser ausdenken können. Der Altmeister des politischen Kabaretts soll das letzte Wort haben. Er hat sich voller Selbstbewusstsein fast, aber nur fast, aufs Altenteil zurückgezogen und freut sich, wenn er was bewirkt hat.

"Heute noch sagen mir Menschen: Ich bin damals als Student bei ihnen gewesen und von dem Moment immer dabei gewesen, hab alle ihre Sendungen gesehen. Und dann kommt dieser Satz, der mir ein bisschen Freude macht: Sie haben mein politisches Denken stark beeinflusst."