Der Weltraumbahnhof in Kourou

Von Dirk Asendorpf · 30.05.2005
Fast 500 europäische Raketen sind seit 1968 im südamerikanischen Kourou gestartet. Der Startplatz fast auf Äquatorhöhe bietet ideale Bedingungen. Und obwohl der Raketenbahnhof der ESA von der Größe des Bundeslandes Berlin in Französisch-Guayana liegt, geht es dort sehr europäisch zu.
Menschen in allen Hautfarben, Sonne, Palmen, Sambakarneval – auf den Straßen der Hauptstadt Cayenne leugnet Französisch-Guayana nicht, dass es im tropischen Südamerika liegt und an Brasilien grenzt. Doch in Kourou, dem 60 Kilometer nördlich gelegenen Raumfahrtzentrum der ESA, geht es sehr europäisch zu.

Alle französischen und alle EU-Vorschriften müssen in Kourou eingehalten werden. Dafür ist Jean-Charles Vincent verantwortlich, der örtliche Chef des Raumfahrtunternehmens Arianespace.

"Das nehmen wir hier sehr genau und die eigene Sicherheit ist auch ein wesentliches Anliegen aller unserer Mitarbeiter. "

Sind gefährliche Stoffe im Einsatz, wird sofort evakuiert, versichert Vincent. Alle Autos müssen rückwärts eingeparkt werden, damit sie im Fall der Fälle sofort wegfahren können. Tatsächlich wird die Vorschrift peinlichst befolgt. Auf keinen Fall soll die entspannte Stimmung von den Straßen der französischen Überseeprovinz auf den Raketenbahnhof übergreifen.

Das Gelände von der Größe des Bundeslandes Berlin ist rundum mit einem Elektrozaun gesichert. Schwer bewaffnete Fremdenlegionäre in kurzen Lederhosen laufen Patrouille. Und Mitarbeiter, die eine der klinisch sauberen und klimatisierten Montagehallen betreten wollen, müssen eine Sicherheitsschleuse passieren.

Raumfahrtingenieure aus allen ESA-Mitgliedsländern arbeiten hier eng zusammen. Umgangssprache ist Französisch oder Englisch, die Sicherheitsbestimmungen werden im Zweifel aber auch noch einmal auf Deutsch erklärt.

" Das ist hier 'ne Gasmaske. Aber momentan ist der Satellit in ruhendem Zustand, ist also keine Gefahr. Nur die Sicherheitsingenieure haben Prozeduren, die Prozedur heißt: Sobald man in einen Raum reinkommt, wo ein Satellit gefüllt ist mit Treibstoff, muss man das dabei haben im Falle eines Falles. Das heißt aber auch, dass, falls irgendeine Sirene geht und ich sage: Rausgehen, dann gehen wir alle langsam raus. "

Nicht nur die Belegschaft ist europäisch, auch alle Raketenteile – vom gewaltigen Triebwerk bis zum kleinsten Schräubchen – sind per Schiff oder Flugzeug quer über den Atlantik aus Europa hierher gekommen.

Das schwarze Teil dort, das kommt aus Bremen, sagt der Ingenieur Didier Casse. Es gehört zu einer Ariane-Oberstufe. Der Boom, den das Satellitengeschäft in den 90er Jahren erlebt hat, ist zwar vorbei, doch jetzt steht mit dem Galileo-Navigationssystem der nächste Großauftrag ins Haus. Und demnächst werden auch noch Lieferungen aus Russland in Französisch-Guyana erwartet. Ab 2007 soll die günstige geographische Lage des europäischen Raumfahrtbahnhofs für die Sojus-Rakete genutzt werden.

Rund um die künftige Startrampe wird der Regenwald derzeit gerodet. Eine direkte Zusammenarbeit zwischen russischer und europäischer Raumfahrt ist allerdings nicht geplant. Die Arbeitsstätten und Unterkünfte der Sojus-Mitarbeiter entstehen in Sinnamarie, rund 50 Kilometer von Kourou entfernt.

Doch spätestens im tropischen Karneval werden sich die nüchternen Ingenieure aus Ost- und Westeuropa auch menschlich näher kommen.
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