Der Weltraumarchitekt

Von Ludger Fittkau |
Wenn dereinst Hotels oder ganze Wohnsiedlungen auf dem Mond oder dem Mars gebaut werden, könnten die Grundrisse dieser Gebäude aus Darmstadt stammen. Von Jo Eisele - Architekturprofessor an der südhessischen Technischen Universität. Eisele arbeitet mit Hilfe von Raumfahrern schon seit Jahren daran, den Aufenthalt auf fremden Planeten wohnlicher zu gestalten. Eine besondere Form von Avantgarde-Architektur: Planen und Bauen im Weltall.
"Die Idee ist schon einige Jahre alt. Wir haben uns vor vier Jahren zum ersten Mal damit beschäftigt, ein so genanntes Hotel im Orbit zu entwerfen, damals fanden wir alle die Idee völlig abgedreht und wie immer im Leben sind es vielleicht Zufälle. Wir hatten jemand kennen gelernt, von der deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrttechnik, ich sage mal, abends an der Bar, beim Bier hat man so was besprochen, dann wurde was draus."

Jo Eisele arbeitet an einem alten Menschheitstraum. Die Besiedelung des Mondes.
Dabei strahlt der 56 Jahre alte Mann mit jungenhaften Gesichtszügen in einem dunklen, etwas zerknitterten Sacko durchaus Bodenhaftung aus. In Sibbesee bei Hannover geboren, lebt er schon seit den 1960er Jahren im deutschen Südwesten und ist seit fünfzehn Jahren Architekturprofessor in Darmstadt. Doch Eisele verkörpert nicht nur den handfesten Baugestalter, der mit irdischen Materialien umzugehen weiß, sondern es gibt auch die künstlerische Seite des Jo Eisele – und die sieht den Weltraum als gigantisches Atelier.

Diskussionen mit dem ehemaligen Astronauten Ulrich Walter, der heute an der TU München als Professor für Raumfahrttechnik arbeitet, haben Eisele gezeigt, dass die ästhetische Seite der Weltraumfahrt bis heute vernachlässigt worden ist:

"Das hat uns dann wiederum bestärkt in der Idee, dass das, was Architekten können, nämlich Raum gestalten unter verschiedenen Aspekten, auch unter Aspekten des Wohlfühlens, beispielsweise und die Zusammenarbeit mit Professor Ulrich Walter ist genau dieses Spiel, dass die Raumfahrer, die das Ganze technisch und technologisch betrachten, ergänzt werden durch Architekten, die dann einfach auch die Gestalt dieser Räume betrachten."

Aus der Zusammenarbeit von Jo Eisele mit den Raumfahrern entstand zunächst ein digitaler Entwurf einer Mondstation. Der nächste Schritt wird ein Eins-zu-eins-Modell einer Station sein, in der auch wochenlanges Probewohnen möglich sein wird.

" Wir gehen bei dem Entwurf davon aus, dass die Station 500 Tage lang von den gleichen Leuten besetzt wird. Dass heißt, es sind circa anderthalb Jahre und das heißt schlichtweg, dass man Dinge beachten muss, damit sich die Leute  wenn da schon Astronauten hochgehen  das sich die Leute nicht gegenseitig auf den Nerv gehen und ich sage mal, vielleicht, wie man es aus Wohngemeinschaften kennt, da 500 Tage lang auf dem Mond passiert, das darf nicht sein."

Jo Eisele will für seine Bauten auf fremden Planeten Raketenteile mit einer zusätzliche Traglufthalle unter Mondgestein geschützt so zu verbinden, dass ein Raum entsteht, in dem sich sechs Astronauten längere Zeit wohl fühlen können. Die Lunar-Basis soll Forschungslabors und Fitness-Bereiche, eine medizinische Station und Rückzugsräume für den Einzelnen bieten, plant Eisele:

"Von den russischen Raumfahrern wissen wir, dass die in die Raumkapsel einen Samovar mitbekamen und einen kleinen Teppich und da grinst man, wenn man das zum ersten Mal hört, aber das ist letzten Endes der erste und früheste Versuch, den Raumfahrern etwas mitzugeben, wie wenn man zum Beispiel ein Bild seiner Familie auf den Schreibtisch stellt, den Raumfahrern etwas mitzugeben, was sozusagen Gefühle weckt oder auch heimatliche Gefühle weckt."

Um den einsamen Raumfahrern im All ein wenig Vertrautes zu geben, will Jo Eisele auf der Innenhaut der Traglufthalle per Videoprojektionen irdische Landschaften entstehen lassen. Längst ist die Weltraumarchitektur für ihn keine Schnapsidee mehr, betont Eisele. Inzwischen glaubt der Architekturprofessor fest daran, dass es in einigen Jahrzehnten größere Forschungsstationen auf dem Mond oder auch auf dem Mars geben wird – nach den Modellen, wie sie jetzt in Darmstadt entwickelt werden. Die Europäischen Raumfahrtorganisation ESA und andere fördern Eiseles Arbeit. Und es geht längst nicht mehr nur um den Mond:

" Es gibt dann die Mars-Society, die dann an dem Mars-Entwurf stark interessiert war, alle arbeiten ganz heftig daran, an dieser Idee, auf den Mond oder sogar auf den Mars letzen Endes Leute hinzubringen oder den Mond zu besiedeln.

Man muss vielleicht nicht so weit gehen, dass man sagt. Man baut Städte auf dem Mond und das man die Erde sozusagen verlagert auf den nächsten Planeten. Aber Forschergeist ist nicht zu bändigen und wenn wir das versuchen wollten, würden wir alle noch in Höhlen wohnen und würden nicht im Warmen sitzen momentan, sondern draußen frieren."