Der Umweltschutz in Sambia hat viele Gesichter

Von Leonie March · 11.04.2013
In den letzten Jahren wurden in Sambia etliche Gesetze zum Umweltschutz verabschiedet. Aber die Abholzung der Wälder oder die massive Umweltverschmutzung durch den Bergbau werden nur selten geahndet. Der staatlichen Umweltbehörde fehlt es an Personal, Geld und Ausrüstung. Für die Bevölkerung ist Umweltschutz weitgehend ein Fremdwort.
Der Markt in Livingstone gleicht einem Labyrinth. In den engen Gassen drängen sich kleine Bretterbuden dicht an dicht, notdürftig überdacht mit Wellblech und Plastikplanen. Die Händlerinnen haben ihre Waren kunstvoll aufgetürmt; Tomaten, Zwiebeln, Baobab-Früchte. Davor stehen säckeweise Holzkohle und getrocknete Mopani-Würmer. Eine eiweißhaltige Delikatesse der Einheimischen. Ein paar Schritte weiter nehmen Frauen frische Fische aus, umschwärmt von unzähligen Fliegen.

Alle Abfälle landen einfach auf dem Boden, entweder direkt neben den Ständen, oder auf dem übermannshohen Müllberg gegenüber vom Eingang. Faulende Lebensmittelreste, Dosen und Plastikverpackungen türmen sich in der prallen Sonne. Es stinkt erbärmlich. Wenn der Müllberg zu hoch wird, verbrennen ihn die Marktleute einfach direkt an Ort und Stelle, erklärt Namo Chuma, Direktor der Umweltorganisation "Environment Africa" in Sambia.

"Die Stadtverwaltung in Livingstone ist mit der Müllentsorgung überfordert. Wir haben hier keine richtige Deponie, sondern nur eine Müllkippe. Es gibt zwar theoretisch eine Müllabfuhr, aber die kommt nur sehr unregelmäßig. Deshalb werfen die Leute ihre Abfälle einfach auf die andere Straßenseite oder öffentliche Plätze wie diesen. Eine ideale Brutstätte für Krankheiten."

Am Eingang zum Markt warnt ein vergilbtes Plakat des Gesundheitsministeriums vor der Gefahr, sich mit Cholera anzustecken. Die Krankheit bricht in Sambia jedes Jahr während der Regenzeit aus. Vor allem für Kinder seien diese Epidemien lebensbedrohlich, betont Fungai Dewere vom Kinderhilfswerk Terre des Hommes.

"Wenn man durch die Vororte läuft, sieht man überall Müll rumliegen. Fliegen werden angelockt und verbreiten Krankheiten weiter. Außerdem verschmutzen die Abfälle das Trinkwasser. Daher leiden viele Kinder hier unter Durchfallerkrankungen, Malaria und in einigen Fällen unter Typhus."

Spielerisch lernen mit Gefahren umzugehen
In einer Grundschule spielen Kinder nach, welchen Risiken, sie alltäglich ausgesetzt sind. Auf einer kleinen Bühne führen sie für ihre Mitschüler ein Theaterstück auf. Im Mittelpunkt ein Mädchen, das im Müll eine Mango gefunden und gegessen hat. Nun krümmt sie sich vor Bauchkrämpfen und muss in einer Klinik behandelt werden. Die Gesten sind drastisch, so dass sie jeder versteht.

Die kleinen Schauspieler sind Mitglieder des neuen Umweltclubs der Schule. Auf Initative von Terre des Hommes und Environment Africa werden solche Gruppen momentan im ganzen Land gegründet. Ziel ist es, die Kinder aufzuklären und für den Umweltschutz zu begeistern. Das Interesse ist groß. Hinter der Grundschule haben Mädchen und Jungen einen Garten angelegt, den sie liebevoll pflegen. Jeden Tag sammeln sie den Müll auf dem Schulhof und der Nachbarschaft ein, erzählt ihre Lehrerin Beatrica Kasamba.

"Die Sache mit dem Müll ist ein bisschen schwierig. Da wir keine Mülltonnen haben, sammeln wir die Abfälle in Säcken, aber die Frage ist dann, wohin damit. Denn die Gemeinde verlangt Gebühren, wenn sie die Säcke abholt. Das können sich aber weder unsere Schule noch die Leute in der Nachbarschaft leisten. Viele haben ja nicht einmal genug Geld für Lebensmittel, wie also sollten sie für die Müllabfuhr bezahlen?"

Die Schule liegt in Nakatindi, einem armen Vorort von Livingstone, der unmittelbar an den Nationalpark mit den berühmten Viktoria-Fällen grenzt. Tausende Touristen kommen jedes Jahr hier her, um die scheinbar unberührte Natur zu bewundern. Doch die mangelnde Müll- und Abwasserentsorgung in Vierteln wie diesem belasten die Wasserqualität des Sambesi-Flusses. Der stellvertretende Schuldirektor Nkrumah Halubaloa deutet auf einen schmalen Graben. Auf dem stehenden, braunen Wasser schwimmt Abfall.

Das Geld für Wasserkontrollen fehlt
"Dieser Graben führt durch den Nationalpark in den Sambesi. Die Leute waschen darin ihre Kleidung, Müll wird angespült und dort drüben fließt Abwasser aus einem kaputten Rohr hinein. Wenn es regnet, fließt das alles in den Sambesi, den Fluss, aus dem die Stadt Livingstone ihr Wasser bekommt."

Wasserproben des Sambesi würden nur sporadisch untersucht, räumt Fraizer Chole ein, Inspektor der sambischen Umweltbehörde, ZEMA, in Livingstone. Leider fehlten Geld und ausgebildetes Personal für regelmäßige Kontrollen. Vor einem ähnlichen Problem ständen auch die lokalen Behörden, die eigentlich für die Müllentsorgung verantwortlich seien. Manche hätten dafür nicht einmal einen LKW zur Verfügung. Landesweit werden daher weniger als die Hälfte der Abfälle von der Müllabfuhr abgeholt.

"Die Regierung sollte einschreiten, damit Städte und Gemeinden ihre Arbeit verbessern und ihrer Pflicht gegenüber den Bürgern nachkommen können. Der Staat muss die lokalen Behörden besser ausgestatten, mehr Geld investieren und klare Zuständigkeiten für die Abfallwirtschaft schaffen. In der Hauptstadt Lusaka wird ein entsprechendes Modell bereits erfolgreich umgesetzt.

Das muss nun aufs ganze Land ausgeweitet werden. Ein großes Problem sind Mülltrennung und Recycling. Noch werden alle Abfälle gesammelt und gemeinsam verbrannt, egal ob sie biologisch abbaubar sind oder Sondermüll. Ökologisch macht das keinen Sinn. Für mich ist das nicht nur eine Schande, es ist eine tickende Zeitbombe."

An Vorschriften und rechtlichen Grundlagen mangelt es nicht. Sambia habe eine Reihe internationaler Abkommen unterschrieben und in die Gesetzgebung einfließen lassen, meint Umweltschützer Namo Chuma.

"Ein Beispiel ist das neue Umwelt-Management-Gesetz, das 2011 verabschiedet wurde. Es regelt unter anderem auch die Müllentsorgung. Darin ist detailliert festgelegt, welche Strafe jemandem droht, wenn er den Müll einfach auf die Straße wirft und welche Maßnahmen die Behörden ergreifen müssen, um Städte und Gemeinden sauber zu halten. Der Text liest sich hervorragend, aber er muss noch in die Tat umgesetzt werden."

Auf Holzkohle angewiesen
Entlang der Straße, die von Livingstone in die Hauptstadt Lusaka führt, liegt überall Müll, Plastiktüten haben sich in den niedrigen Büschen verfangen, Bäume sind selten. Der Grund dafür ist unübersehbar: Männer transportieren säckeweise Holzkohle auf Ochsenkarren und Fahrrädern, Frauen verkaufen sie alle paar Kilometer am Straßenrand. So wie Ruth Munachikweti. Die magere 54-Jährige handelt schon seit Jahren mit Holzkohle.

"Es hat Tradition, dass die Männer in den Wald gehen, die Bäume fällen, die Holzkohle herstellen und wir Frauen sie dann verkaufen. Von dem Gewinn kann sich meine Familie gerade so über Wasser halten. Aber es ist die einzige Möglichkeit, in dieser ländlichen Gegend überhaupt etwas Geld zu verdienen. Das Geschäft ist in den letzten Jahren schwieriger geworden. Die Männer müssen immer weitere Entfernungen zurücklegen, um überhaupt geeignete Bäume zu finden. Hier gibt es keine mehr."

Die Mutter von zwei Kindern macht sich Sorgen um die Zukunft. Jeder bräuchte schließlich Holzkohle zum Kochen und Heizen, sagt sie.

Über zwei Drittel der Haushalte in Sambia sind nicht ans Stromnetz angeschlossen und daher auf Holz und Holzkohle angewiesen. Die Folgen sind fatal: Schätzungen der Regierung zufolge werden jedes Jahr bis zu 300.000 Hektar Wald abgeholzt. Sambia hat damit eine der höchsten Entwaldungsraten weltweit. Im nationalen Entwicklungsplan, in dem der Staat seine Prioritäten der aktuellen Legislaturperiode beschreibt, ist die Rede von einem ernstzunehmenden Problem, das dringend gelöst werden müsse. Ein Ziel, das ohne Fortschritte bei der Armutsbekämpfung nicht zu erreichen sei, betont Fungai Dewere von Terre des Hommes. Über zwei Drittel der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.

"Diesen Leuten kann man nicht einfach sagen, dass sie damit aufhören sollen, die Bäume zu fällen, um Holzkohle herzustellen. Sie leben schließlich davon und bräuchten daher eine Alternative. Dieses junge Mädchen da drüben zum Beispiel ist ein Waisenkind. Sie muss Holzkohle verkaufen, damit sie und ihre Geschwister zur Schule gehen können. Momentan hat sie keine andere Wahl. Das trifft auf viele Menschen zu. Ohne Alternative sind sie gezwungen, weiter Dinge zu tun, die die Umwelt zerstören."

In den Kupferhütten ist auch die Luft verschmutzt
Eine der ärmsten Regionen Sambias ist der rohstoffreiche Kupfergürtel ganz im Norden des Landes. Auch hier türmt sich der Müll an den Straßenrändern, auch hier verkaufen Frauen säckeweise Holzkohle. Dazu kommt die Umweltverschmutzung durch den Bergbau.

Steels Mwaba lebt mit seiner Familie in Mufulira, nur einen Steinwurf von der Mopani-Kupferhütte entfernt, die zu fast drei Vierteln dem schweizerischen Glencore-Konzern gehört. In der Luft liegt ein beißender Geruch. Von riesigen Erzhalden weht der Wind schwefelsäurehaltigen Dunst in die Nachbarschaft, die Schwefeldioxid-Emissionen der Kupferschmelze liegen weit über den vorgeschriebenen Grenzwerten.

"Die Luft kommt überall hin, wir leben ja nicht in einem Vakuum. Besonders schlimm ist es, wenn es regnet. Dann flüchten sich alle in ihre Häuser. Denn es ist saurer Regen. Früher haben wir in unseren Gärten Gemüse angebaut, heute wächst hier nichts mehr. Auch unser Trinkwasser ist verseucht. Viele sind krank: Meine Frau leidet unter chronischem Husten, meine jüngste Tochter wacht fast jede Nacht mit Nasenbluten auf. Die anderen leiden unter Kopfschmerzen, ihre Augen brennen und die Haut juckt ständig. In den letzten Jahren sind viele hier in der Nachbarschaft an Krebs erkrankt. Meine Schwester ist daran gestorben."

Gemeinsam mit seinen Nachbarn hat Steels Mwaba eine Bürgerinitiative gegründet. Seit Jahren prangert sie Umweltverschmutzung durch die Kupfermine an. Im vergangenen Frühjahr schaltete sich endlich die sambische Umweltbehörde ein. Wegen der massiven Belastung durch den Schwefelsäure und Schwefeldioxid wurde ein Teil des Werks stillgelegt. Allerdings ging der Betrieb schon nach ein paar Wochen unter Auflagen weiter. Glencore hatte mit dem Hinweis auf Umsatzverluste und bedrohte Jobs Druck gemacht. Für eine grundlegende Sanierung räumte die Regierung eine großzügige Frist bis 2015 ein. Ein Zeichen für die Macht der Konzerne: Sambia ist vom Kupferexport abhängig, ausländische Investoren sind wichtige Arbeitgeber. Für den Staat habe im Zweifelsfall immer die Wirtschaftsentwicklung Vorrang, erklärt Peter Sinkamba, Gründer der Umweltschutzorganisation Citizens for a better Environment.

"Für die Regierung hat der Umweltschutz keine Priorität. Dazu muss man sich nur einmal den Staatshaushalt anschauen. In diesem Jahr sind für Umweltschutz nur 0,2 Prozent des Budgets eingeplant. Die entsprechenden staatlichen Behörden haben weder Geld noch Personal. Die Folge ist massive Umweltverschmutzung. Die 2011 neu gewählte Regierung unter Präsident Sata hat angekündigt, den Druck auf die Konzerne zu erhöhen und bessere Umweltstandards einzufordern. Diesen Worten muss er nun Taten folgen lassen. Um wirklich etwas bewegen zu können, muss der Staat vor allem ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen."

Lobbyarbeit für den Umweltschutz
Peter Sinkamba ist ein Öko-Pionier in Sambia. In den Regalen drängen sich Ordner mit den Umweltsünden der letzten Jahre, an einer Pinnwand hängen Fotos von verseuchten Flüssen, brennenden Müllhalden und Protestmärschen. 1998 hat er seine Organisation gegründet. Damals war Umweltschutz noch für viele ein Fremdwort. Dank teils aggressiver Lobbyarbeit habe sich das inzwischen geändert, meint er lächelnd.

"Wir konnten eine ganze Reihe von Richtlinien und Gesetzen ändern. Bürger können Bergbaukonzerne heute wegen Umweltverschmutzung vor Gericht verklagen. Das war früher nicht möglich. Wenn eine Mine schließt, muss sie für eventuelle ökologische Schäden aufkommen. Durch unsere Aufklärungsarbeit in betroffenen Gemeinden wie Mufulira, kennen die Menschen mittlerweile ihre Rechte und können sie auch einfordern. Außerdem haben wir mit einigen erfolgreichen Gerichtsverfahren dazu beigetragen, dass es heute Präzedenzfälle gibt, an denen sich die Richter orientieren können."

Sinkambas Traum ist eine Art internationales Ökosiegel für Kupfer und Kobalt. Konzerne, deren Bergwerke die Umwelt verschmutzen und die Menschen in der Gegend krank machen, sollten geächtet werden. Um eine Chance auf dem Markt zu haben, müssten sie die Rohstoffe verantwortlich und nachhaltig fördern. Dazu gehöre auch, dass die Einnahmen aus den Bodenschätzen endlich den Bürgern zugute kommen. Höhere Steuereinnahmen könnten in die Bekämpfung von Armut und bessere öffentliche Leistungen fließen, wie beispielsweise eine funktionierende Müllabfuhr. Dann gäbe es keine stinkenden Abfallberge mehr, die die Menschen in den Armenvierteln krank machen und ihre Umwelt verschmutzen.
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