Der tolle Pückler

Von Tom Daun · 19.05.2006
Zusammen mit seiner Schnucke, seiner innig geliebten Ehefrau, entwirft Hermann Fürst von Pückler einen grandiosen Plan: Scheidung, Brautschau in England, hohe Mitgift. Doch die adligen Ladies sind durch die Klatschpresse gewarnt. Drei Jahre lang bereist Pückler England und Irland - und kehrt mit leeren Händen zurück.
Seine Reisenotizen aber, die der quicklebendige Dichter als "Briefe eines Verstorbenen" veröffentlicht, bringen ihm über Nacht Ruhm und Geld ein. Selbst der alte Goethe ist begeistert.

Gartenkunst ist die große Leidenschaft des adligen Preußen: Immer höher verschuldet er sich, um die Parkanlagen seiner Schlösser in Bad Muskau und Branitz zu perfektionieren. Trotzdem bleibt genug Zeit für anderes: Pückler mischt in der preußischen Politik mit; kämpft im Krieg gegen Napoleon; erlebt eine abenteuerliche Ballonfahrt; lässt sich regelmäßig in seiner von Hirschen gezogenen Kutsche ins nahe Berlin fahren; duelliert sich mit seinen Gegnern; verpflanzt hundertjährige Eichen; unternimmt eine langjährige Orientreise - auf dem Kamel durch die Wüste, in einer ägyptischen Barke nilaufwärts, im königlichen Segelschiff nach Griechenland; und verliebt sich unsterblich in eine zarte äthiopische Sklavin, die er als Prinzessin Machbuba heimführt.

"Leicht ist es zu sagen, die gemeine Sinnlichkeit tötet die Wollust, nur die Harmonie aller Kräfte ist wahres geistiges Leben. Wer sieht das nicht ein? Aber es gibt eine Kehrseite, und die bearbeitet der Teufel, an den ich eigentlich glaube."

Branitz gelangte 1696 in Besitz der Grafen von Pückler. Ab 1784 hatte die Familie ihren Wohnsitz in Muskau. Seit dieser Zeit war das Gut verpachtet. Nach dem Verkauf von Muskau 1845, wo Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) seit 1811 einen Landschaftsgarten angelegt hatte, zog er nach Branitz zurück. Noch im selben Jahr begann er mit der neuen Parkanlage.
Weiterlesen:
Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz

Nördlich von Görlitz durchfließt die Neiße einen der wohl schönsten Landschaftsparks auf dem Kontinent. Sein Schöpfer, Fürst Pückler-Muskau, ließ sich von dem idyllisch zwischen bewaldeten Hängen gelegenen Tal inspirieren und schuf hier ab 1815 eine Anlage beachtlichen Ausmaßes. Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau

"Zur freien Entwicklung nach allen Seiten bedarf jede Pflanze Luft und Licht, das ihr gerade so weit gewährt werden muss, als zur Gesundheit, Dichtigkeit und Fülle aller nötig ist. Es ist dies die Freiheit der Bäume, nach der wir uns ebenfalls so sehr sehnen."
Fürst von Pückler-Muskau
fuerstpueckler.de

Auszug aus dem Manuskript:
Das Reisen ist seine größte Leidenschaft: als junger Mann wandert er fast vier Jahre zu Fuß durch Europa; als Fürst durchkreuzt er drei Jahre lang England und Irland; doppelt so lange dauert seine Afrika- und Orientreise, von der er erst als Fünfundfünfzigjähriger zurückkehrt.
Trotz seiner Rastlosigkeit gilt Hermann Fürst von Pückler-Muskau jedoch als genialer Schöpfer der zwei schönsten Landschaftsparks in Deutschland - eine Arbeit, die wie kaum eine andere Präsenz und Standfestigkeit erfordert. Unermesslich reich ist Pückler als Standesherr und Fürst nur theoretisch; in Wirklichkeit plagen ihn sein Leben lang Geldsorgen.

Heinz Ohff beschreibt in seinem Buch "Der grüne Fürst" das abenteuerliche Leben des Hermann Pückler-Muskau. "Das hat mich dann immer geärgert, dass er so vollkommen wenig bekannt ist. Und wenn, dann lachen die Leute schrecklich: "Ja, ist das nicht der, der da über die Brücke in die Elbe gesprungen ist? So was macht man doch nicht als Offizier!" Ja, aber die Dresdner haben sich gefreut, wenn sie so etwas gesehen haben. Und die Berliner, die waren entzückt, dass er als erster in einen Ballon stieg und der ist dann gelandet in einem Baum in der Nähe von Potsdam. Die Berliner liebten ihn. Sie liebten auch seine vier Hirsche. Er hatte vier zahme Hirsche in seinem Haus, das er in Berlin hatte. Und mit diesen vier Hirschen fuhr er nun durch Berlin und das war natürlich für die Berliner ne tolle Sache. Und Sie können sich vorstellen, wie die Kinder begeistert waren, die ihn allerdings immer zu seinem Entsetzen mit Pferdeäpfeln beschmissen haben."

Fürst von Pückler-Muskau: "Einmal erlaubte ich mir den unbesonnenen Scherz, hinter dem Grafen H..., um ihn zu erschrecken, eine Pistole durch die Stubentüre abzuschießen. Als er abgereist war und der Wirt den Schuss in der Türe sah, war ich so schwach, aus Scheu vor Bezahlung die Schuld auf den Entfernten zu schieben, der sich jetzt im wahrsten Sinne des Wortes weit vom Schuss befand. Einsames Nachdenken ließ mich indes bald bittere Betrachtungen über meinen Egoismus anstellen. Ich ließ den Wirt rufen, sagte ihm, dass ich an der Zerstörung seiner Türe schuld sei, und bezahlte die Rechnung dafür als gerechte Strafe meines Fehlers. Ach! Wann werde ich endlich mit ergebener Sanftmut die Stufe edler Humanität betreten, wo Ruhe und Zufriedenheit mich in ihren stillen Tempel aufnehmen werden."

Heinz Ohff
Der grüne Fürst
Das abenteuerliche Leben des Hermann Pückler-Muskau
Serie Piper
- kurzweilig und sehr unterhaltsam geschriebene Biographie. Der Autor Heinz Ohff kommt als Interviewpartner in der Sendung ausgiebig zu Wort.

Sabine Boebe
Eines Fürsten Irland - Auf Pücklers Spuren
Reiher Verlag
(Die Autorin reiste auf den Spuren Pücklers durch Irland und
stellt in diesem Buch die Schilderungen Pücklers ihren eigenen Erlebnissen gegenüber)

Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Briefe eines Verstorbenen - ein fragmentarisches Tagebuch
Insel Verlag
(Die "Briefe eines Verstorbenen" begründeten Pücklers
literarischen Ruhm. Es handelt sich um eine Auswahl seiner
Briefe von der langen England/Irland-Reise)

Hans-Heramnn Krönert
Der tolle Pückler
Regia Verlag Cottbus
- Ein reich bebildertes Potpourri aus Pückler-Zitaten, kurzen Reiseberichten, Aphorismen etc.

Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Andeutungen über Landschaftsgärtnerei
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1977
(Pücklers grundlegendes Werk zum Gartenbau und zur
Gestaltung von Landschaftsparks)

Auszug aus dem Manuskript:
Die ausgedehnten Wanderungen durch halb Europa lassen Pückler reifen; er erlebt Kälte und Hunger, Strapazen und Not am eigenen Körper - auch wenn er hin und wieder Geldsendungen von zuhause bekommt. Auf der Rückreise nach Muskau besucht er in Weimar Johann Wolfgang von Goethe, der sich lange mit ihm unterhält. "Er mochte mir die aufrichtige, herzliche und folglich unbefangene Verehrung und Liebe, die ich zu ihm trage, in den Augen lesen und so wohl selbst freundlich gegen mich gestimmt werden, denn er gönnte mir eine recht lebhafte Unterhaltung von mehr als einer Stunde. Sie wissen, bei großen Männern wird man durch eine so lange Audienz schon ganz stolz."
Goethe führt den jungen Pückler auch durch einen von ihm selbst entworfenen Garten in Weimar. Dabei weckt er die Begeisterung des jungen Hermann für Landschaftsparks.

"Die Natur ist das dankbarste, wenn auch unergründlichste Studium, denn sie macht den Menschen glücklich, der es sein will" - so seine Worte; und weiter: "Verfolgen Sie diese Richtung, Sie scheinen Talent dafür zu haben."
Dazu ergibt sich bald die Gelegenheit. Der seit längerem erkrankte Vater stirbt 1811 - und Hermann Pückler erbt, gerade 26-jährig, Schloss Muskau und die dazugehörige Standesherrschaft, ein Areal von fast 550 Hektar samt Städtchen, mehreren Dörfern, Fluss, Wäldern, Wiesen und Heidelandschaft.
Ermutigt durch Goethes Anregung fasst der junge Schlossherr kühne Pläne zur Gestaltung eines Landschaftsgartens.

Zwar verzögern die napoleonischen Kriegswirren zunächst Pücklers Park-Pläne. Aber bald beginnt der junge Graf zielstrebig mit den Arbeiten: veranlasst das Eintauschen von Ländereien, um ein zusammenhängendes Areal zu schaffen; beginnt mit ersten Pflanzungen; gräbt einen künstlichen Seitenfluss zur Neiße; verbessert die Bodenqualität durch großflächige Erdbewegungen.

All das kostet viel Geld - bald ist der Standesherr hoffnungslos überschuldet. Helfen kann nur noch eine möglichst lukrative Heirat. Im nahen Berlin spricht sich bald herum, dass der exzentrische junge Adlige auf Freiersfüßen geht. Angetan hat es ihm vor allem Lucie von Hardenberg, die Tochter des preußischen Staatskanzlers - aber auch viele andere Kandidatinnen stehen auf seiner Liste.

Heinz Ohff: "[...] Und überall fragten sie sich, wen wird er denn nun heiraten? Und da hat er dann einen Freund gefragt: Was soll ich machen? Ja, sagt der, ich meine ich würde die reichste und die hübscheste nehmen. Und da sagt er: ja und wer ist die älteste,[...] und die auch keiner will? Das ist die Fürstin Lucie. Und daraufhin sagt er: dann nehm ich sie - und die hat er auch genommen - und mit der hat er eine merkwürdig gute Ehe geführt. Sie hat nichts dagegen gehabt, dass er hin und wieder - nicht nur hin und wieder, sondern beinahe immer etwas zur Seite sprang. Und er ist immer wieder zurückgekommen zu ihr und hat sie sehr sehr geliebt, wie er immer wieder behauptet hat, so dass man ihm's auch glaubt."

Merkwürdig gute Ehe - oder nur Zweckbündnis? Die Beurteilung des Verhältnisses zwischen Hermann Pückler-Muskau und seiner langjährigen Gefährtin Lucie ist nicht einheitlich.

Dr.Cord Panning, Geschäftsführer der Parkstiftung Bad Muskau widerspricht
dem Biographen Heinz Ohff: "[...] es war mehr ein mütterlich geprägtes Verhältnis als denn ein Liebesverhältnis, geschweige denn ein erotisches Verhältnis. Diese Komponenten wollte er dann ganz gerne auf die Töcher von Lucie übertragen, die dann schleunigst aber ihre Töchter verheiratet hat, um ihm aus dem Weg zu gehen. Sie ist aber trotzdem der Illusion aufgesessen, dass es da ne richtig romantische Liebesbeziehung mit Pückler geben könnte. Das hat sich dann aber bald herauskristallisiert, dass er da nicht zu bändigen gewesen ist."

Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss BranitzGutshof
Robinienweg 5
03042 Cottbus
Tel.: +49(0)3 55 - 7 51 50

Auszug aus dem Manuskript:
Am 4.Februar 1871 stirbt Fürst Hermann Fürst von Pückler-Muskau 85-jährig.
Sein Körper wird - wie er verfügt hatte - chemisch aufgelöst, nachdem man sein Herz zuvor entfernt hat. Dieses wird in der Branitzer Pyramide bestattet.

Als Inschrift wählt Pückler einen Spruch aus dem Koran: "Gräber sind die Bergspitzen einer fernen Welt."

Die letzte Eintragung in seinem Tagebuch ist zugleich ein künstlerisches Credo des "tollen Pückler": "Kunst ist das Höchste und Edelste im Leben, denn es ist Schaffen zum Nutzen der Menschheit. Nach Kräften habe ich dies mein langes Leben hindurch im Reiche der Natur geübt."