Der Sänger in der Badewanne

Von Martina Zimmermann · 26.06.2007
Premiere in Paris: In der Bastilleoper wird die erste Punkoper der Geschichte aufgeführt, Le temps des gitans, nach dem gleichnamigen Film "Die Zeit der Zigeuner" vom Emir Kusturica. Der Regisseur bekam dafür 1989 in Cannes die goldene Palme für die beste Regie. Nun hat sich Kusturica zum ersten Mal an eine Oper gewagt, gemeinsam mit seinem No Smoking Orchestra und den serbischen Philharmonikern The Garbages Serbian Philharmonia unter Leitung von Zoran Kamadina.
Die Geschichte ist die des Films: Der Zigeunerjunge Perhan erliegt, gemeinsam mit seiner behinderten Schwester, den Versprechungen von Glück und Reichtum, mit denen sie ein mieser Mafioso nach Italien bringt. Dort wird die Schwester Prostituierte und der Junge macht als Bettler und Einbrecher eine Ganovenkarriere.

An Dramatik steht die Story einer klassischen Oper nichts nach. Die Inszenierung ist alles andere als klassisch: Da vermischen sich Filmszenen mit dem Bühnenbild, Wohnwagen und Autos rollen über die Bühne, Darsteller werden in Badewannen hereingetragen und verschwinden, indem sie an Ringen in den Himmel gezogen werden.

Eine Art Roadmovie stellt die Reise nach Italien dar, wo die Geschichte vor einer gigantischen Kathedrale weitergeht. Das Universum aus seinen Filmen bringt Emir Kusturica mit großem Spaß auf die Opernbühne. Als zum Beispiel lebende Gänse hereinwatscheln, erheitert ihn das sichtbar.

"Ja, es ist nett, denn es ist leichter als Filme machen. Hier passiert das wie im Zirkus, in einer abstrakten Welt. Im Film muss du immer die konkrete Architektur bauen. Hier ist es einfacher für mich. Es ist leichter, weil ich hier Filmszenen integrieren kann, Musik und die Bühne, alles, was gefällt, und das mag ich, weil du viele Aspekte der Kunst zusammenbringen kannst. Gleich bleibt das Potenzial an Emotionen. Mir geht es immer in erster Linie darum, menschliche Gefühle auszulösen, beim Publikum und bei mir selbst. Denn es ist auch wichtig, dass die Sache für mich aufregend ist."

Die Musik ist eine Mischung aus Balkan-Folk, Rock und klassischen Anklängen. Nenad Jankovic komponierte sie, gemeinsam mit dem Geiger Dejan Saravalo und Kusturicas Sohn Stribor, der im No Smoking Orchestra auch das Schlagzeug spielt. Die tollen Stimmen aus Serbien brauchen die Konkurrenz mit Opernstars nicht zu scheuen, aber nur wenige Szenen erinnern musikalisch an die klassische Oper.

Nenad Jankovic: "Es ist eine Punkoper, keine klassische Oper. Klar nahmen wir den wichtigsten Song aus dem Film, ein alter traditioneller Gypsysong mit dem Titel 'Saint George Day', und wir arrangierten ihn ein bisschen anders. Und dann treiben wir Scherze mit der klassischen Oper. Wir müssen immer einen Spaß darüber machen, wenn wir an so seriösen Orten wie diesem hier spielen."

Nenad Jankovic hat die ironischen Texte ausgewählt. In der Bastilleoper ist ihre Übersetzung über der Bühne zu lesen. Jankovic spielt auch den bösen Mafiaboss Ahmed:

"Der Held singt von Demokratie und Menschenrechten, aber er ist gleichzeitig der größte Kriminelle!" ( Lacht.)

Gorica Popovic spielt die Großmutter. Es ist die erste Oper der beliebten Schauspielerin und Sängerin aus Belgrad.

"Wir begannen im April, arbeiteten zuerst in Emirs Küstendorf. Es war sehr angenehm, leicht und nett, und dann kamen wir am 21. Mai nach Paris und begannen die sehr ernsthafte Arbeit. Das ist ein sehr großes Projekt, sehr kompliziert. Keine klassische Oper, sondern etwas zwischen Musical und Punk-Oper. Die Leute kennen die Band No Smoking Orchestra und wissen, was sie von ihr zu erwarten haben. Ich finde es mutig, diese Punkoper hier an der Bastille aufzuführen."

Gerard Mortier, der Direktor der Bastilleoper, ist für ein innovatives Programm bekannt, das von der Kritik nicht immer geschätzt wird. Doch ihm geht es darum, ein neues Publikum in die Oper zu bringen:

"Mit so einem Stück jetzt, wo wir mit Rockmusik, da krieg ich natürlich mindestens 10-12.000 Leute, die noch nie in der Oper waren. Und ich hoffe, dass sie entdecken, dass sie hier willkommen sind, dass wir hier vieles tun, um sie zu locken, und wenn ich von diesen 12.000 nachher 1000 neue Opernliebhaber bekomme, bin ich schon sehr glücklich. Und das ist unsere größte Aufgabe jetzt zurzeit, ist einerseits zu zeigen, dass die Oper keine altmodische Geschichte ist, dass es nicht für eine gehobene soziale Klasse ist, dass es nicht zum Repräsentieren ist, sondern eine sehr emotionelle Geschichte."

Mit den Preisen unterstützt Mortier diese Politik: Die besten Plätze kosten 75 Euro statt wie sonst 130, die meisten Karten gibt es für 30 Euro, und dann gibt es jeden Abend auch sechs Stehplätze für fünf Euro.