Der Rausch des Lesen

"Es gibt Bücher, die lese ich in einer Nacht"

Sich wie wie im Rausch durch die Seiten lesen
Im Rausch durch die Seiten: "In der ersten Klasse schon alle Karl May meines Vaters gelesen gehabt." © picture alliance/chromorange
Nicoletta Miller im Gespräch mit Axel Rahmlow · 10.08.2018
Ein Rausch hat immer eine Nebenwirkung – auch der Leserausch: Schlaflosigkeit etwa, wenn ein Buch so fasziniert, dass es nicht mehr weggelegt werden kann. Die Münchner Buchhändlerin Nicoletta Miller ist eine "Betroffene" und erzählt von ihrer "Sucht".
Wenn sie ein gutes Buch in den Händen halte, könne es passieren, dass sie in einen Leserausch komme, sagt Nicoletta Miller im Interview. "Es gibt Bücher, die lese ich in einer Nacht, und dann schlaf ich halt nicht", sagt die Buchhändlerin.
Sie sei immer auf der Jagd nach Büchern, im Schnitt lese sie in der Woche fünf Bücher parallel. Was ihr fehle sei die Zeit: "Als ganz junges Mädchen war für mich ein ganz verzweifeltes Thema, zu überlegen, wie krieg ich das hin, zu entscheiden, wofür ich meine Lebenszeit hernehme – mir war bewusst, dass die endlich ist, und was lese ich? Du hast im Leben einfach nicht genug Zeit, Du kannst nicht alle Klassiker lesen, das ist vollkommen unmöglich. Du kannst nicht alle Russen, Amerikaner, Deutsche lesen. Du musst immer entscheiden, wenn Du ein Buch in die Hand nimmst, ist es das Wert, diese Zeit zu investieren?" Selbst Marcel Reich-Ranicki habe es nicht geschafft, alle Klassiker der Literatur zu lesen.

"Das Schlüsselloch mit Kaugummi abgeklebt"

Schon als Kind liebte Miller das Lesen. "Ich hab' in der ersten Klasse schon alle Karl May meines Vaters gelesen gehabt. Und ich hab' wirklich Strategien entwickelt, um lesen zu können – denn abends sollte ich schlafen, wie jedes andere brave Kind auch. Ich hab dann das Schlüsselloch mit Kaugummi abgeklebt, damit das Licht nicht rauskommt. Dann hab ich immer, wenn ich ins Bett gegangen bin, rundrum alles abgedichtet, also rund um die Tür alles abgedichtet. Als sie da dann draufgekommen sind, habe ich mir von meinem Taschengeld – und ich hatte sehr, sehr wenig – eine Lampe zusammengespart, und ich hab unter der Bettdecke mit der Lampe gelesen. Ich hab immer noch dieses Gefühl in mir, heimlich in der Nacht unter der Bettdecke liegend und lesend. Das war für mich das Größte."
(orm)
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