Der pünktliche Punk

14.08.2012
John Cummings, Gitarrist der Ramones, blickt in "Commando" zurück auf sein Leben. Er gibt darin überraschende Details über sich preis, über seinen schlichten Drang nach Reichtum oder seine für einen Punk ganz untypische Pünktlichkeit. Acht Jahre nach seinem Tod ist nun seine Autobiografie erschienen.
Als John Cummings alias Johnny Ramone sein Leben aufzuschreiben begann, befand er sich im Spätstadium seiner Prostatakrebserkrankung. "Der Krebs hat meinem Selbstbewusstsein einen Schlag versetzt", schreibt er in "Commando", einer knapp acht Jahre nach seinem Tod erschienenen Autobiografie. "Dachte, am Ende würde ich gewinnen, denn ich hasse es zu verlieren. Habe ich immer schon. Ich war gerne wütend. Es gab mir Energie und ein Gefühl der Stärke."

Ein Jahr vor seiner Diagnose, 1996, hatte er beschlossen, die Ramones aufzulösen, deren Gitarrist er war. Nach einer zwanzig Jahre währenden Karriere, 2263 Live-Auftritten, 14 Alben - und lange bevor die Band 2002 in die "Rock'n'Roll Hall Of Fame" aufgenommen und Johnny Ramone vom "Rolling Stone" zum sechzehntbesten Gitarristen aller Zeiten ausgezeichnet werden sollte. Es passt also, wenn Johnny Ramone einleitend seine ewige, leidenschaftliche Wut als primäre Charaktereigenschaft und Antrieb benennt. Genau das assoziert man ja mit der Musik der Ramones: Punkrock.

Schon bevor der Punk von England ausgehend die Popkultur erobern sollte, hatten sich die Ramones gegründet: "Bei uns gab es keine Blues-Einflüsse, keine Gitarrensoli, nichts was einem Song im Weg stand", so Johnny Ramone. Man kann so eine Aussage dahingehend interpretieren, dass die Ramones sich bewusst als Gegenmodell zum Bombast-und Prog-Rock der siebziger Jahre inszeniert hat.

Und dass Johnny Ramones Zorn Ausdruck des Unmuts über herrschende gesellschaftliche Verhältnisse war, von wegen Kapitalismus, Vietnamkriegsfolgen etc. Doch dem war mitnichten so: "Hundert Prozent Arbeiterklasse" seien seine Eltern gewesen, so der 1948 in New York geborene Johnny, ein Einzelkind; der Vater ein waschechter Ire, die Mutter polnisch-ukrainischer Abstammung, streb- und arbeitsam, um Aufstieg bemüht. Nach der Schule gerät Johnny auf die schiefe Bahn, eifert dann aber seinem Vater nach und wird Bauarbeiter. 1974 beginnt er, Musik mit den Ramones zu machen, allein in diesem Jahr tritt die Band 25mal im New Yorker Club "CBGB´s" auf. Ihr erstes Album erscheint im Frühjahr 1976.

Es geht in den Anfängen der Ramones zwar auch um Images, Coolness und Abgrenzung, da dauerte es, bis die Band ihren Antiglamrockstyle mit Lederjacken, Jeans und Turnschuhen gefunden hatte. Noch vielmehr aber achtet das Arbeiterklassenkind Johnny darauf, nicht zu spät zu Auftritten kommen, keine Konzerte ausfallen zu lassen, gut zu sein - und Geld zu verdienen. Das Ethos der Arbeit dominiert. Häufig erwähnt Johnny Ramone seine "Million", die er machen will. Er lebt den amerikanischen Traum, nicht die Revolte. Er liebt Amerika, dessen Pop- und Fastfoodkultur, "gute amerikanische Autos". Und er ist Anhänger der Republikaner und gar der Todesstrafe: "Ich bin der Meinung, Hinrichtungen sollten im Fernsehen übertragen werden."

Soviel zur politischen correctness einer der legendärsten Punkrockbands aller Zeiten. Johnny Ramone nimmt in "Commando" kein Blatt vor den Mund. Das hat den Vorteil, dass er auch die eigene Karriere nüchtern betrachtet. Kaum glauben mag er, dass sich nach Auflösung der Band ihre Platten besser denn je verkaufen, er mehr Geld als zu seiner aktiven Zeit verdient. "Vielleicht wird man wirklich erst geliebt, wenn man tot ist." Der Nachruhm der Ramones dauert tatsächlich ungebrochen an, der Retromanie der Popkultur sei Dank.

Besprochen von Gerrit Bartels

Links auf dradio.de:
- "Punkrockist so, wie man sich fühlt"
- Punkrocker mit Prinz-Eisenherz-Frisuren - Monte A. Melnick: "Auf Tour mit den Ramones"
- "Today Your Love, Tomorrow the World" - Der Mythos Ramones
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