Der Prophet auf dem T-Shirt

Von Bettina von Clausewitz · 05.10.2013
Modische Kleidung als Werbeträger für einen modernen Islam – aus dieser Idee wurde 2008 das kleine Modelabel "StyleIslam" mit Sitz im westfälischen Witten. Melih Kesmen ist der kreative Kopf. Über seinen Online-Shop beliefert er junge Kunden in aller Welt.
"Das war das erste Shirt 'I love my prophet', das war quasi die Antwort auf die hässlichen dänischen Karikaturen damals, die 2005 veröffentlich worden sind. Ein positives Statement auf eine echt unnötige Provokation."

"I love my prophet" – "Ich liebe meinen Propheten", diesen Bestseller zeigt Melih Kesmen in seinem weiß gestylten Atelier im westfälischen Witten gerne vor. Denn damit fing alles an. 2005 in London, als der junge deutsch-türkische Grafikdesigner in der weltweit aufgeheizten Islam-Diskussion beschloss: Ich will ein eigenes Statement machen. Ein religiöses Bekenntnis zum Islam, aber eins, das nicht von Hasstiraden gegen die westliche Welt lebt, sondern dem Islam ein anderes Gesicht gibt. So bedruckte er sein erstes T-Shirt, das selbst auf den Straßen Londons Aufmerksamkeit erregte.

Modische Kleidung als Werbeträger für einen modernen Islam – aus dieser Idee wurde 2008 das kleine Modelabel "StyleIslam" mit Melih Kesmen als kreativem Kopf.

"Selbst wenn ich nur mit drei Leuten ein gutes Gespräch führe mit Aha-Effekt, reicht mir das. Ich bin keine Medienmacht, ich habe keinen Verlag, wo ich mit einem Artikel eine halbe Million Leute erreiche, also muss ich’s auf meine Art machen. Und wenn man sich das jetzt mal fünf Jahre später betrachtet, haben wir schon einige Hunderttausende erreicht, und da bin ich im Nachhinein glücklich drüber."

Werbevideo: "StyleIslam, Street Style für junge Leute mit Botschaft. Stylische T-Shirts, Kapuzenpullis und vieles mehr mit islamischer Message. Auf www.StyleIslamdotcom warten zahlreiche Motive auf dich. Einfach ein Design auswählen."

Mode mit einer Mission: Auf den hier im Werbespot angepriesenen T-Shirts und züchtig langen Tuniken stehen Sprüche mit Witz und politischem Engagement, die teilweise an die 70er Jahre erinnern "Make Cay not War" – Lieber Teekochen als Kriegmachen, heißt es da, "Jesus and Muhammad, Brothers in Faith" und "Terrorismus hat keine Religion", ein Kommentar zum pauschalen Terrorismusverdacht gegenüber Muslimen seit dem 11. September 2001.

Alles in Englisch, denn StyleIslam ist ein Online-Shop mit jungen Kunden in aller Welt: Türkei und Malaysia, Chile oder Saudi-Arabien, Japan und die USA. Und es gibt viele begeisterte Follower, die sich auf Facebook, Twitter und YouTube tummeln. Ein junger bärtiger Fan mit Nerd-Brille und Lockenmähne etwa, der seine Mekka-Reise als religiöse Entdeckertour präsentiert:

"Salam Aleikum und grüß Gott liebe Mitmenschen, hier spricht euer Akhi Ali Abi von Mekka, vom Hause Gottes, wir sind hier zu Besuch. Und das ist die heilige Stätte, an die jeder Muslim auf der Welt fünf Mal am Tag hinbetet, hier kommt die ganze Energie auf einen Haufen und man spürt es richtig."

Vermutlich hat der junge Mann auch den mobilen Gebetsteppich in Gestalt einer Umhängetasche dabei, die Kultstatus in der Szene hat, wie der 38-jährige Melih Kesmen erzählt, im schwarzen Designerlook mit Pferdeschwanz. Auch er nimmt die Gebetszeiten ernst.

"Wir entwickeln aus Gebetsteppichen Messenger-Taschen. Jeder Deckel ist ein Unikat. Man kann den abmachen, diesen Deckel – raaaaaaatsch (Zipverschluss) – und kann den als portablen Gebetsteppich benutzen. Das ist wieder so eine Ost-West-Symbiose, so nenne ich das: orientalische Elemente mit einer westlichen Messenger-Tasche kombiniert."
Auch das StyleIslam-Logo gibt das wieder: Da ist ein arabisch anmutender Buchstabe in der Mitte, inmitten der lateinischen Buchstaben, auch das hat einen Sinn: Ich sehe die Muslime hier in Europa nicht als störenden Pickel, sondern als Teil der Gesellschaft, der die Gesellschaft komplettiert.
Ost-West-Symbiose nicht nur in Kleidung und Accessoires wie Handyhüllen, Armbändern oder Babylätzchen mit dem Aufdruck "Mini Muslim", sondern auch in Musik- und Filmbeiträgen. Mit seinem coolen Design hat Melih Kesmen den Nerv der Zeit getroffen. Und das Lebensgefühl vieler junger Muslime, die Kopftuch tragen und (!) Funk Rock hören wollen, die Gebetszeiten einhalten und (!) bei Facebook posten - wie Mehlih Kesmen selbst und sein Frau Yeliz. Beide sind in den 70er Jahren als Gastarbeiterkinder des Ruhrgebiets in zwei Kulturen aufgewachsen:

"Für die Generation meiner Eltern hat’s gereicht, wenn auf gut Deutsch der Ali die Schnauze hält und den Besen schwingt. Sobald man die Haustür hinter sich zugemacht hat, war man in Deutschland. Und wenn man in die Wohnung reingekommen ist, war man in Anatolien. Was auch gar nicht so schlecht war. Das praktizieren wir heute auch bei unseren Kindern. Wir sprechen mit unseren Kindern ausschließlich Türkisch, weil sie draußen auf der Straße, im Kindergarten und überall sowieso Deutsch sprechen. Diese klare Trennung, in die ich rein geboren wurde, hat mir auch viele Vorteile gebracht."

Etwa in zwei verschiedenen Kulturen beheimatet zu sein, auch wenn das für viele nicht nur Reichtum, sondern mühsame Identitätssuche bedeutet. Das Geheimnis des Erfolgs, aber auch ein Verdienst von StyleIslam ist es, Gegensätze zu vereinen und daraus einen neuen selbstbewussten Stil geschaffen zu haben. Modern und konservativ zugleich. - Junge Mediengestalterinnen etwa sitzen mit Kopftuch an ihrem iMac im Wittener Atelier und entwickeln Designs, die auf Fotos ohne Kopf des Models im Internet präsentiert werden – getreu dem Bilderverbot des Islam. Daneben sind im siebenköpfigen Kreativteam auch Nicht-Muslime. Melih Kesmen will mehr als Mode machen.

"Ich möchte einfach nur Normalität. Ich möchte einfach nur, dass Muslimsein in dieser Gesellschaft überhaupt nicht diskutiert wird. Ich habe so was von die Schnauze voll von diesen Debatten: Ist der Islam integrierbar, sind die Muslime - passen die überhaupt hier rein? Das ist auch der Grund, warum ich diese Sache gestartet hab’ und weitermachen werde. Ich möchte auch Menschen, die genauso denken wie ich, dazu bewegen aktiv zu werden. Und ich sehe die Community, wenn ich sie mal so nennen darf, der StyleIslam-Kunden und Fans, quasi auch als Botschafter."

Pop-Islam nennen Soziologen die Populärkultur dieser globalen jungen Muslime. Sie verstehen sich nicht mehr als Gäste, sondern als Gestalter ihrer jeweiligen Gesellschaften. In Köln, Berlin oder einer anderen Trend-Metropole sieht Melih Kesmen sich trotzdem nicht.

"Weil ich ein Kind des Ruhrgebiets bin. Für Leute, die von weit weg hierher kommen, die sagen auch: Was machst du hier in Witten? Aber ich sehe Witten ja nie isoliert. Wir sind mitten im Pott. Das Ruhrgebiet ist von der Fläche genau so groß wie London, es ist bunt gemixt, ich fühl mich wohl, es ist erdig, es gibt keinen Grund woanders zu sein."

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