Der Mensch und der Killerhase

14.09.2012
"Science Busters", das ist ein österreichisches Wissenschafts-Kabarett, bestehend aus den Physikern Heinz Oberhummer und Werner Gruber sowie dem Kabarettisten Martin Puntigam. Harry Rowohlt liest deren neues Werk - und das ist zumindest gutes Smalltalk-Material.
"Also ..."

Was für ein formidabler Anfang für eine rund 140 Minuten lange Reise ins Tier- und andere Reiche, als Reisebegleiter [ ... ]

"... also ..."

[ ... ] dabei die wohltönende, knarzige, röhrende, brummende wie anheimelnde Stimme von Harry Rowohlt. Alles im Geiste der Wissenschaft wie des Humors, des schwarzen, ja, sicher. Ein Kapitel dabei gewidmet dem Killerhasen. Killerhasen?

"... Also."

Wenden wir uns also einer vielleicht bisher missachteten, aber offenbar wesentlichen Frage aus dem Tierreich zu, die da lautet: Unter welchen Umständen können Kaninchen für Menschen tödlich sein?

"Woher weiss man das?"

Sowie:

"Gilt das für alle?"

Und:

"Ist das ansteckend?"

Sowie:

"Und wie kann ich mich davor schützen?"

Wobei hier, um dem Sachzusammenhang folgen zu können, noch einmal - in rhythmischer Absicht - dieses [ ... ]

"... also ..."

[ ... ] gesetzt werden könnte oder müsste, um erläuternd fortzufahren:

"Forschungsreisende im 19. Jahrhundert, Inuit und auch amerikanische Ureinwohner, die, vor allem nach dem Winter, nur abgemagertes Wild erlegen konnten, waren mit diesem heimtückischen Phänomen konfrontiert. Ahnungslos setzten sie Meister Lampe an die Spitze ihrer Nahrungsmittelcharts, und eh sie sich´s versahen, waren sie auch schon Ex-Forschungsreisende im 19. Jahrhundert, Ex-Inuit und auch amerikanische Ex-Ureinwohner. ´Kaninchen-Auszehrung´ - ´rabbit starvation´ - nennt man die Krankheit."

Grundsätzlich geht es aber - so viel Daten, Fakten, Wissenschaftliches müssen sein - um zu viel mageres Fleisch, das, um tödlich zu sein, nicht nur vom Hasen, sondern auch von mageren Vögeln stammen kann. Einseitige Diät ist dem menschlichen Körper, das lernen wir bei den Science Busters - Schrägstrich - Harry Rowohlt, keineswegs zuträglich. Wobei diese gesamte Wissenskomplex noch unvollständig ist.

"Warum wir Menschen vom Essen sterben können, wenn es kein Fett enthält, ist allerdings nicht bekannt."

Harry Rowohlt liest "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln", das neue Werk der Science Busters. Und dazu gibt es - immer wieder eingestreut in den 140 Minuten auf 3 CDs - ab und an einen, ja, wohl lustigen Sketch der "Science Busters":

"[Puntigam]Herr Gruber, kann man vom Standpunkt der Neurophysik eigentlich sagen, was ein Gedanke ist? - [Gruber:] Ja! - Und zwar? - Unser Gehirn besteht aus Neuronen, die gut miteinander vernetzt sind. - Gratuliere!"

Kabarettist Martin Puntigam im Wechselspiel mit dem Wiener Kern- und Astrophysiker Heinz Oberhummer oder wie hier, seinem Kollegen, dem Neurophysiker Werner Gruber.

"[Puntigam:] Gut, gut, gut. Und wenn das Hirn jetzt was sieht? Sie sehen mich? - [Gruber:] Dann beginnen die Neuronen, die für diese Wahrnehmung, diesen Gedanken verantwortlich sind, zu feuern."

"Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln" führt uns zu verblüffenden Forschungsergebnissen in Bezug auf das Tierreich, immer mit dem Parallelblick aufs Menschenreich. Beispielsweise, wenn es um die Bienen und die Frage geht, ob wir wirklich vier oder fünf Jahre nach denen global aussterben:

"Neues von der Klatschmohn-Wiese."

Es geht ums Grundsätzlichste des Grundsätzlichen:

"Himmel, Hölle und Unsterblichkeit."

Oder um das dann noch Grundsätzlichere:

"Es war einmal der Mensch."

Eine witzige, komische, kurzweilige, unterhaltsame Reise in die Physik sowie Grenzbereiche; das Ganze eindeutig dem Primat des Gags verpflichtet, oder besser: gnadenlos unterworfen. Und wehe, den Science Busters kommt eine Theorie, wie beispielsweise die des Naturforschers Rupert Sheldrake, in die Quere; dann wird der ätzende Saft der Häme versprüht.

Nur, bei all dem: Vorleser Harry Rowohlt hätte ja irgendeiner gerne einmal wieder bestätigen können - Bestätigung tut gut! Ganz sicher! -, dass er eine außerordentliche, eine großartige Stimme hat, dass er ohne jeden Zweifel grandios intonieren kann, dass er als hochgelobter Übersetzer perfektes Englisch spricht, aber bitteschön, mal im Ernst: Ist es denn wirklich witzig, wenn Harry Rowohlt in deutsch oder englisch chargiert, [ ... ]

"[Extrem breit:] Thieeeeh Äääänd of the world as we know it!"

[ ... ] so chargiert, dass es kracht: [ ... ]

"[Extrem gestelzt:] Sexual deprivation increases ..."

[ ... ] Steckt dahinter etwa das Credo, dass das Humor an sich und für sich ist? Scheint so. Die Science-Busters, die "Spaßvögel der Physik", wie sie sich gerne nennen lassen, unterstützt von Harry Rowohlt, haben auch hier, im Hörbuch, so nett unterhalten, wie sie es auf der Bühne, im Radio oder im Fernsehen tun. Immerhin. Aber, gut, was jetzt kommt, mag nicht so arg überraschend klingen: Mehr gibt´s denn auch nicht!

Irgendwo in diesen 140 Minuten Hörzeit erfahren wir übrigens auch, wie das ist mit dem titelgebenden "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln". Und wie nun, werden Sie fragen. Offene Antwort: Ich hab's vergessen! Ergo: Man ist nicht unbedingt klüger, versteht vieles nicht unbedingt besser nach diesem Hörbuch, aber - und das ist doch auch etwas - gut vorbereitet für Party-Smalltalk.

Besprochen von Hartwig Tegeler

Martin Puntigam, Werner Gruber, Heinz Oberhummer: "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln: Was wir von Tieren über Physik lernen können"
Gelesen von Harry Rowohlt
Der Hörverlag, München 2012
3 CDs, 19,99 Euro
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