"Der Mann ist was Besonderes"

Moderation: Marcus Pindur |
Nach Ansicht von Klaus Schütz, ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin, hat der designierte US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama mit seiner Rede die deutsch-amerikanische Freundschaft belebt. Er sei "richtig angerührt" gewesen, sagte Schütz.
Marcus Pindur: Wie die Römer stolz darauf gewesen seien, Bürger Roms zu sein, so könnten die Berliner stolz darauf sein, Bürger Berlins sein. Wir sprechen jetzt mit jemandem, der den Besuch von Kennedy 1963 hautnah miterlebt hat, mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister und damaligen Senator für Bundesangelegenheiten, mit Klaus Schütz. Guten Morgen, Herr Schütz.

Klaus Schütz: Schönen guten Morgen.

Pindur: Ist der Vergleich Obamas mit Kennedy etwas überzogen vielleicht?

Schütz: Auf den ersten Blick, sagen wir mal vor der Rede Obamas empfand ich es so und habe gedacht, hoffentlich ist er vorsichtig genug. Aber ich meine, er hat ja dann eine außergewöhnliche Rede gehalten und lässt sich hier schon vergleichen. Die Geschichte wird zeigen, ob der Vergleich, sagen wir mal, historisch ist. Die Rede von Kennedy ist ja historisch gewesen, denn sie hat ja eigentlich das Ende des Kalten Krieges eingeläutet. Ob die Obama-Rede historisch wird, weiß ich noch nicht, aber sie hat eben Ansätze dazu und hat also bewundernswürdige Passagen.

Pindur: Es war ja eine Rede weniger eigentlich des konkreten Inhalts, sondern mehr ein Check auf die Zukunft sozusagen, eine Hoffnungsrede. Wir hören uns mal den Schluss der Rede jetzt noch mal an. (…) Fangen wir mal mit den Gemeinsamkeiten an. Was erinnert Sie bei Obama an Kennedy? Sicherlich ist ein Teil auch dieser rhetorische Appeal, den Obama hat.

Schütz: Na ja, er hat fast die gleiche rhetorische Schulung, wollte ich fast sagen. Wissen Sie, es gibt ja nicht wenige, es gibt ja nicht viele große Reden, es gibt auch nicht viele große Redner. Ich persönlich könnte Ihnen heute keinen deutschen Politiker oder Politikerin nennen, die eine vergleichbare Rede halten kann oder halten würde. Also es ist schon was Besonderes drin, bei beiden. Der ganze Ansatz der Rede ist so durchdacht, wie man es selten findet. Aber wie man es lernen kann, übrigens mehr in Amerika als in Deutschland. Ich weiß gar nicht, wo man bei uns wirkliche Untersuchungen von großen Reden vornehmen kann. Dies ist jedenfalls etwas Besonderes.

Der eine Unterschied ist ja, rein, sagen wir mal rein technisch, der gewesen, das hat mich gestern doch auch sehr überrascht, war die Frage der Sprache. Bei Kennedy wurde ja immer absatzweise übersetzt durch einen außergewöhnlichen Dolmetscher, nämlich den Vertreter, Dolmetscher des Auswärtigen Amtes von damals. Hier ist einfach Englisch gesprochen worden und das kam an. Das hat, wie soll ich mal sagen, hat kein Problem gebracht. Deshalb war es also eine zusätzliche, das war ein Unterschied, aber eine zusätzliche Steigerung.

Pindur: Das weist aber auch darauf hin, dass das auch eine andere Rede war in einem anderen Kontext, als die von Kennedy damals. Das hier war ja auch in erster Linie für Obama eine Wahlkampfrede, während Kennedy ja den Berlinern Mut und Zuversicht zusprechen wollte.

Schütz: Ich glaube, man muss das sehen. Nur, man darf nicht vergessen, Kennedy in der damaligen Zeit war in den Vereinigten Staaten umstrittener. Er wurde von manchen als einer der, sagen wir mal, mit dem Kommunismus nicht richtig zustande kam, soft to Communism. Und er musste eben auch eine Rede halten, die in Amerika Reaktionen und Wirkung zeigen würde. In dem Sinne hat es sogar einen kleinen Vergleich von beiden gegeben, natürlich bei Obama mehr direkt auf den November dieses Jahres gerichtet.

Pindur: Sie haben das eben angesprochen, dass in Deutschland es nicht so viele große Rhetoren gibt. Ist vielleicht deshalb auch Obama so eine Projektionsfläche für die Deutschen, die so etwas eigentlich nicht gewöhnt sind?

Schütz: Wissen Sie, es ist dann bei Obama, das ist mir gestern Abend, ich bin richtig angerührt gewesen, noch mal deutlich geworden, er hat eine Konzeption für die Zukunft. Und wenn ich mich heute umsehe, kann ich diese Konzeption in der deutschen Politik nicht finden. Dies ist einer der ersten, meine ich, die über den Augenblick hinaus geguckt haben und in die Zukunft sehen und uns zwingen, in die Zukunft zu sehen. Das haben wir, das heißt, das ist nicht nur eine Technik der Rede, sondern es ist auch die Frage der Grundauffassung, der Grundkonzeption der Rede, die mich besonders berührt hat.

Pindur: Jetzt ist sein Blick in die Zukunft ja sehr allgemein gewesen. Trotz alledem, ist das eine übertriebene Hoffnung, die mit Obama verbunden wird? Ist das vielleicht die Kehrseite einer ebenso übertriebenen Amerikaphobie, wie wir sie auch in den letzten Jahren erlebt haben?

Schütz: Alles ist mit drin. Alles ist mit drin. Trotzdem bleibt es so, dass der Mann was Besonderes ist. Er ist eben, also, jedenfalls empfinde ich das so, ich habe ihn ja auch noch nie gesehen, das heißt, also, ich habe ihn nur im Fernsehen so oder so gesehen, es ist doch deutlich eine, sagen wir mal, etwas ausgegangen von ihm, das auf die Zukunft hinweist.

Nein, ich will das gar nicht übertreiben. Wissen Sie, wir sind ja nüchterne Leute und nüchtern geworden in dem Verhältnis. Es hat natürlich damit zu tun, dass wir gerne Amerikaner, wir sind in Berlin vor allen Dingen natürlich sehr Amerikafreunde, aber es war da ein bisschen kompliziert in den letzten Monaten und Jahren, das überall durchzuhalten. Und jetzt auf einmal haben wir jemanden, mit dem wir das gemeinsam sein können.

Pindur: Kommen wir noch mal, bleiben wir kurz bei der Stadt Berlin, noch mal zum Schluss. Unabhängig vom jeweiligen Präsidenten hat Berlin nach wie vor eine besondere emotionale Bindung an die USA.

Schütz: Ja, natürlich. Wissen Sie, nur muss man sagen, das Berlin von heute ist ja ein viel größeres, als das Westberlin, das diese Bindung einmal entwickelt hat. In dem Sinne ist es sehr stark natürlich das ursprüngliche Berlin des Jahres 1963, also des Kennedy-Jahres, das hier auf einmal durchgebrochen ist. Und in dem Sinne kann man schon beide Reden vergleichen. Sie treffen auf einen Menschenschlag in der Stadt, der befreit wurde, in dem Sinne befreit wurde von den Ängsten von John F. Kennedy, der durch seine Rede uns die Ängste genommen hat. Und wir wurden im Grunde genommen befreit von unseren Zweifeln an den, an Amerika. Und das ist eine große Leistung möglicherweise dieser Obama-Rede.

Pindur: Vielen Dank für das Gespräch.

Schütz: Danke sehr.

Pindur: Klaus Schütz, ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin zum Besuch von Barack Obama in der Hauptstadt.