Der Lockermacher

Von Maicke Mackerodt · 25.02.2013
Jonathan Briefs nennt sich Humorberater und Impro-Coach und steht seit fünf Jahren Österreichs Skispringern zur Seite. Seine Aufgabe: Briefs hilft den Sportlern beim offenen, respektvollen Umgang untereinander, mit Humor, mit Improvisationstheater, mit Kommunikationsübungen. Offenbar mit Erfolg.
Jonathan Briefs: "Bei mir ist es so, wenn ich zurückblicke, dass Humor eine Art Heilung und auch Waffe war. Ich habe in meiner Kindheit oft erlebt, dass ich mit Humor Probleme oder schwierige Situationen deeskalieren kann, dass ich Stimmungsumwandler bin, das kann ich mit Humor, das habe ich intuitiv immer schon gemacht. Mir ist diese Kraft sehr wohl bewusst."

Für den Kommunikationstrainer Jonathan Briefs ist Spaß zum Markenzeichen geworden. Der schlaksige Kölner mit der markanten Brille ist der Humorberater der österreichischen Skispringer. Seit fünf Jahren berät er die österreichische Nationalmannschaft, hilft den Skispringern, Schwierigkeiten im Team leicht und spielerisch zu lösen. Dabei erzählt er den Spitzensportlern weder Witze noch ist er pausenlos lustig. Zu seinen Humorstrategien gehört stattdessen, lustvoll zu provozieren.

"Für mich gibt es den Spruch, der einer meiner Leitsätze geworden ist, so eine Art Credo: 'Alle sagten, das geht nicht, dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.' Das mache ich, ich mache Betriebsblinde wieder sehend. Und das löst oftmals ein Lachen aus: Ach, so kann man das auch sehen. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen, das ist interessant."

Anstatt sich verbissen zu bekämpfen, gehen die Weltklassesportler mittlerweile offen und respektvoll miteinander um, beobachtet der Coach mit der Glatze. Nach sportlichen Krisen hat Gregor Schlierenzauer bei der diesjährigen Vierschanzentournee sogar zum zweiten Mal hintereinander den Titel gewonnen.

"Das kann man nur, wenn man eine bestimmte Leichtigkeit im Kopf hat und Humor bedeutet Lockerheit im Kopf, das ist eine Haltung zur Welt und zu dem, was man tut, und wenn ich als sogenannter Lockermacher nach Bischofshoven in die Vierschanzentournee komme, ist meine Aufgabe und auch mein Selbstverständnis, für diese Grundenergie der Lockerheit und der Leichtigkeit zu sorgen."

Jonathan Briefs gehört als Quereinsteiger mittlerweile zum Austria-Trainerteam. Dabei kann er weder Ski laufen noch Skispringen. Er ist 20 Jahre im alternativen und althergebrachten Karneval als Büttenredner aufgetreten, hat alle seine Reden selbst geschrieben. So locker er über seine Arbeit spricht, sein Alter verrät der schätzungsweise knapp 50-Jährige nicht. Wenn er bei Wettkämpfen auf der Springerebene dabei ist, merkte er anfangs, dass getuschelt wurde:

"Da ging so eine Flüsterpropaganda, ob ich die neue Geheimwaffe vom Austria-Team sei. Hinter uns ging Simon Amman, der vierfache Olympiasieger aus der Schweiz. Ich bin stehen geblieben und habe ihn angesprochen mit den Worten: 'Hallo ich bin der Humorberater der Österreicher'. Da guckt der mich völlig irritiert an und ich hörte hinter mir: 'Hä Humorberater?' …"

Was das Multitalent Briefs verblüfft: wie wenig Spaß im Ski-Alpinzirkus herrscht. Spaß bei der Arbeit gilt offenbar als unseriös. Stattdessen Langeweile beim Training. Erfolgsdruck. Routine. Permanente Kritik. Mit Hilfe des Improvisationstheaters näherte sich der Coach heiklen Themen wie Neid und Rivalität. Er ließ die Weltcupmannschaft ihre Konkurrenz untereinander einfach spielerisch darstellen, damit sie danach unverkrampft darüber reden können. Er weiß: Miteinander über die eigenen Fehler zu lachen, das verbindet.

"Ich habe vollsten Respekt vor dem, was die da tun. Warum die das tun, ist mir schleierhaft, daran arbeiten wir auch, wir arbeiten zum Thema Motive, zum Thema Erfahrung, Visionen und Missionen. Die sind alle erfüllt von einer großen Leidenschaft und auch von einer großen Freude im Tun. Da wieder dranzukommen mit denen, weg von diesem ganzen Druck, das ist unglaublich schön."

Seit zwei Jahren arbeitet der Kommunikationstrainer auch mit der deutschen Herren-Ski-Alpin-Mannschaft. Briefs ist Humorberater von Felix Neureuther. Wenn er den Slalomspezialisten auf 3000 Meter Höhe beim Training besucht, quert er die steile Super-G-Piste zu Fuß und landete zuletzt in einer Schneewehe. Keiner hat ihn ausgelacht. Das Team schätzt seine unkonventionelle frische Art. Noch vor zwei Jahren galt der 28-jährige Neureuther als Dauertalent, kämpfte mit seinem Rivalen Marcel Hirscher, mit hohen Erwartungen, mit eigenen Fehlern.

"Zwei Minuten vor dem Start wurde gezeigt, wie auf dem Handy sich den Lauf von Marcel Hirscher anschaute. Mir war klar, dass das nicht funktioniert, und so war es, das funktioniert nicht. Das sind so Dinge, wo ich denke: Kann das sein, es gibt andere Vereinbarungen, wie kann das passieren, warum tun die das (lachen). Ich versuche, es mit einer Prise Humor zu sehen."

Briefs ermunterte den Slalomspezialisten, den Flow der Kindheit zu suchen. Mittlerweile registrieren nicht nur die Medien Spaß und Leichtigkeit bei Felix Neureuther. Immer wieder landet der Slalomfahrer auf den vorderen Plätzen.

Das Geheimnis: "Wer wieder leidenschaftlich und hochkonzentriert bei der Sache ist, hat Spaß an der Arbeit", sagt Briefs und seine Augen lächeln ganz fein.