Der lange Weg nach Westen

17.12.2010
Armin Mueller-Stahl gewährte Volker Skierka respektvollen Einblick in sein Schauspielerleben zwischen Kalifornien und Deutschland. Die Biografie, die anlässlich des 80. Geburtstags des Stars aktualisiert und erweitert neu herausgegeben wurde, ist ein einfühlsames bewunderndes Portrait.
Er spielte Thomas Mann, den Schriftstellerfürsten, als zerstreutes "Herr Papale". Auch dem Patriarchen Buddenbrook aus Thomas Manns Roman-Klassiker lieh er seinen skeptischen Blick aus blauen Augen. Armin Mueller-Stahl hat die Aura des weltmännischen Patriarchen, den er mit zerfurchter Miene und maliziös geschürzten Lippen zelebriert. Er sieht wie das Ideal des eleganten Hanseaten aus, und wenn er spricht, vibriert jeder Satz von seinem heiseren Timbre und den vieldeutigen Pausen. Die kleinen Marotten festigen nur seinen Ruhm, denn der hoch gewachsene Gentleman bringt internationales Flair ins deutsche Kino.
Armin Mueller-Stahl gewährte dem befreundeten Journalisten Volker Skierka respektvollen Einblick in sein Schauspielerleben zwischen Kalifornien und Deutschland. Seit dreißig Jahren ist der ehemalige Nachrichtenkorrespondent so auch Zeuge der musikalischen, literarischen und malerischen Kunstaktivitäten des Schauspielers geworden, die alles andere als nur private Hobbies darstellen. Armin Mueller-Stahl veröffentlichte Romane, Lieder und Gedichte, Tagebücher und eigene Memoiren, seit zehn Jahren tritt er auch mit neo-expressionistischen Drehbuchübermalungen, Graphiken und Ölbildern als bildender Künstler in Erscheinung. Die Violine beherrscht er, wie man nicht erst seit Rainer Werner Fassbinders "Lola" weiß, mit professioneller Perfektion.

Volker Skierkas Biografie, die anlässlich des 80. Geburtstags des Stars aktualisiert und erweitert neu herausgegeben wurde, will die rivalisierenden Bücher des Künstlers nicht entthronen. Er zitiert und integriert sie vielmehr in sein einfühlsames bewunderndes Portrait. Das Buch hält sich relativ knapp bei der Kindheits- und Jugendgeschichte des am 17. Dezember 1930 im ostpreußischen Tilsit geborenen auf, auch die ein Vierteljahrhundert währende Karriere als Theater- und Filmschauspieler in der DDR wird eher im Überblick kenntlich. Skierkas Thema ist der lange Weg nach Westen, den der Schauspieler einschlug, nachdem er mit seiner Familie die DDR infolge der Unterzeichnung des Biermann-Appells verließ und nach wenigen Jahren in der Bundesrepublik einen Zweitwohnsitz bei Los Angeles nahm.

Das leichthändig geschriebene Buch verfolgt die Karrierestationen, indem es Armin Mueller-Stahls eigene Anekdoten und Aphorismen mit ausgiebig zitierten Feuilletons mischt. Seine grafischen Reflexionen über unsere Epoche, über Politik und Macht und die prägenden Köpfe der Kultur lässt Skierka leider meist durch die Expertise von Armin Mueller-Stahls Kunsthändler in das Portrait einfließen.

So ist das Buch ein freundlich distanziertes Lebensbild, das die Spuren von Mueller-Stahls Heimatlosigkeit verfolgt und Zeichen einer inneren Zerrissenheit abliest. Man kann nachvollziehen, was den Schauspieler an den abgründigen destruktiven Seiten seiner Patriarchen- und Machtmänner-Rollen reizt, etwa wenn er einen russischen Mafia-Boss in "Tödliche Versprechen", einen zynischen Ex-Stasi-Offizier in "The International", einen despotischen, von den Nazis traumatisierten Vater in "Shine" oder den Zombie Hitler in seinem eigenen Film "Gespräch mit dem Biest" darstellte. Mueller-Stahl macht es sich nicht mit Gutmenschenrollen bequem.

Besprochen von Claudia Lenssen

Volker Skierka: Armin Mueller-Stahl - Die Biografie
Verlag Langen/Müller, München 2010
255 Seiten, 19,95 Euro
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