Der Komponist Jakob Ullmann

Musik an der Peripherie

58:17 Minuten
Der Komponist Jakob Ullmann steht in einer Galerie vor seinen bildnerischen Arbeiten
Der Komponist Jakob Ullmann 2017 bei der Documenta in Athen © privat
Von Thomas Groetz · 14.07.2020
Seine Partituren sind keine klaren Gebrauchsanweisungen, sondern Texte, die alle erst enträtselt werden müssen. Dabei berührt Jakob Ullmanns Musik die Grenze zum kaum noch Wahrnehmbaren, an der sich eine große Intensität entfalten kann.
Der Werdegang des 1958 im sächsischen Freiberg geborenen Jakob Ullmann verlief alles andere als gradlinig, sondern war von Schwierigkeiten und Restriktionen in der ehemaligen DDR geprägt. Nachdem er als Sohn eines Theologen und Pfarrers den Wehrdienst verweigert hatte, wurde ihm ein staatliches Studium verwehrt. Zwischen 1978 und 1983 besuchte er die Kirchenmusikschule in Dresden und hielt sich finanziell mit Tätigkeiten als Hausmeister, Heizer und Kohlenträger über Wasser.

Auch ein Aufbaustudium an der Berliner Akademie der Künste wurde Jakob Ullmann nicht gestattet; so nahm er bei Friedrich Goldmann Privatunterricht. Trotz diverser Widrigkeiten war die Uraufführung eines seiner ersten Stücke sogleich ein Achtungserfolg. Die 1985 entstandene "komposition für streichquartett" erhielt sogar in der Zeitschrift "Musik und Gesellschaft", dem offiziellen Organ des Komponistenverbandes der DDR, eine Würdigung.

Musik an der Hörschwelle

Ullmans lange, ausgedehnte Stücke basieren zumeist auf grafischen Partituren und Aquarellen, die um Spielanweisungen ergänzt werden. Die Interpreten erhalten große Freiheiten, um auf der Basis dieser Materialien eine konkrete Klangform zu realisieren. Damit knüpft Jakob Ullmann an Haltungen und Ästhetiken der amerikanischen Nachkriegs-Avantgarde an. Der Komponist begeisterte sich insbesondere für die Musik von Morton Feldman und John Cage, den er kurz nach der sogenannten Wende auch persönlich kennenlernte und mit ihm bis zu dessen Tod im August 1992 korrespondierte.
In Ullmans Kompositionen erlebt der Hörer ein konzentriertes Musizieren an der Grenze zum kaum noch Wahrnehmbaren. Dennoch, oder gerade deshalb entfaltet sich eine enorme Artikulationsvielfalt im Rahmen von Mikrotonalität und Geräuschhaftigkeit. Die Besonderheit dieser Musik liegt dabei nicht in einer bloßen Reduktion, in der Zurücknahme der Dynamik und Lautstärken. Vielmehr sind seine Stücke detailreich auskomponierte Zurücknahmen - Epiloge, die sich dem Hörer nicht aufdrängen, sondern die unterschwellig wirken, da sie an der Peripherie angesiedelt sind.
Dort, an der Grenze zum Verklingen, entfaltet sich seine Musik mit einer magisch zu nennenden Intensität.

Musik an der Peripherie
Der Komponist Jakob Ullmann
Ein Portrait von Thomas Groetz

Produktion: Deutschlandradio Kultur 2015

Mehr zum Thema