Der Kardinal

Von Ralf Geißler · 08.09.2006
Er war einer der wichtigsten Gegenspieler Martin Luthers und zugleich Förderer von Wissenschaft und Kunst: Kardinal Albrecht von Brandenburg. Im 15. Jahrhundert baute er Halle an der Saale zum Bollwerk gegen die sich ausbreitende Reformation aus. Jetzt sind Albrechts Kunstschätze wieder zurückgekehrt.
Thomas Schauerte: "Wir befinden uns hier im Kuppelsaal der Moritzburg, unserem größten Ausstellungsraum – zugleich auch Zentrum der Ausstellung."

Kurator Thomas Schauerte führt durch die soeben eröffnete Ausstellung "Der Kardinal" in Halle an der Saale. Sie erinnert an Albrecht von Brandenburg - den mächtigen Renaissancefürsten, Kunstmäzen und Gegenspieler Martin Luthers. Schauerte steht vor dem vermutlich prächtigsten Objekt der Sammlung: dem Magdalenenaltar. In leuchtenden Farben ist eine Fülle an Figuren abgebildet.

"Was wir hier sehen, ist die Auferstehung Christi – also Christus steigt aus dem verschlossenen Grab auf. Die Wächter in ihren schimmernden Rüstungen rappeln sich gerade auf, merken, was da im Gange ist. Umwuselt von einer Schar kleiner Engelchen steigt Christus also siegreich zum Himmel auf."

Geschaffen hat das Kunstwerk Cranachs Meisterschüler Simon Franck für den Hallenser Dom. Die vergangenen 200 Jahre konnte man die Einzelteile des Magdalenenaltars nur an verschiedenen Orten Deutschlands bestaunen. Nun ist er nach Halle zurückgekehrt – komplett und frisch restauriert für die Ausstellung. Anlass der Schau über Kardinal Albrecht ist der 1200. Geburtstag der Stadt. Der Kurfürst war für die Hallenser Geschichte eine der wichtigsten Figuren.

"Salopp und modern ausgedrückt war er natürlich ein großer Investor. Also jemand, der hier Handel und Gewerbe durch die Bedürfnisse seiner fürstlichen, reichsfürstlichen Hofhaltung sehr stark gefördert hat. Er hat eine rege Bautätigkeit hier in Halle entfacht. Und auch heute noch wird die Stadt maßgeblich von Gebäuden bestimmt, die aus der Zeit Kardinal Albrechts stammen."

Kardinal Albrecht baute Halle zu einem Bollwerk gegen die Reformation aus. Nur wenige Kilometer von seiner Lieblingsresidenz entfernt predigte Martin Luther. Während der Reformator die Prunksucht der Kirche geißelte, gab der Kardinal eifrig weiter Kunstschätze von hohem Wert in Auftrag. Viele davon sind in der Ausstellung zu sehen – erzählt Katja Schneider, Direktorin der Stiftung Moritzburg Halle.

"Es sind um die 150 Objekte in der Ausstellung zusammengetragen worden und sie sind sozusagen weltweit zusammengeholt worden. Wir haben aus einschlägigen deutschen Sammlungen, den Berliner Museen, wir haben einen sehr schönen Bestand aus den bayerischen Gemäldesammlungen als Leihgabe erhalten. Wir haben aber auch aus Schweden, aus Stockholm, aus Uppsala, aus London. Wir haben auch an die Eremitage in Sankt Petersburg eine Anfrage gestellt. "

Zu den Objekten gehören auch Reste des Halleschen Heiltums – der größten Reliquiensammlung des späten Mittelalters. Im 16. Jahrhundert bestand das Hallesche Heiltum aus zigtausend Teilen: komplette Leiber von Heiligen, Miniaturen aus Perlmutt, Reliquiare aus Gold.

"Wir stehen hier vor einem Objekt, bei dem es sich um eine der ganz wenigen Überreste aus dem Halleschen Heiltum handelt."

Ausstellungskurator Thomas Schauerte zeigt auf einen edelsteinbesetzten Kelch des Goldschmieds Hans Huiuff.

"In den Fuß dieses Kelches wurden Partikel des Heiligen Kreuzes eingebracht und damit wanderte dieser Kelch aus dem täglichen Messgebrauch hinüber in das Hallesche Heiltum von Albrecht und wurde damit zu einem Reliquiar und letztlich auch zu einem Sammlungsstück."

Einmal im Jahr zeigte Kardinal Albrecht seine Reliquiensammlung dem Volk. Wer die Objekte verehrte, dem erließ der geistliche Fürst großzügig 40 Millionen Jahre Fegefeuer. Aus dem nahegelegenen Thüringen höhnte Luther über das Ablass-Spektakel und trug so zum Bedeutungsverlust der katholischen Reliquienverehrung bei.

"Albrecht musste teilweise schon bei Lebzeiten anfangen, diese Stücke zu veräußern. Das hängt einfach damit zusammen, dass er sich in seinen Kunstaufträgen finanziell gewaltig übernommen hat."

Gegen 1540 ließ sich das katholische Bollwerk nicht mehr halten. Der lutherische Geist siegte auch in Halle. Kardinal Albrecht musste die Stadt verlassen. Danach wurde nur wenig Gutes über ihn gesprochen. Der Volksmund erzählte, Albrecht sei nicht nur prunksüchtig gewesen, sondern habe sich auch zahlreiche Huren gehalten. Luther behauptete, die Dirnen seien dem Kardinal in Särgen zugeführt worden. Noch heute zeigt ein Brunnen auf dem Hallenser Hallmarkt den unzüchtigen Lebenswandel Albrechts.

Katja Schneider: "Ich glaube, dass Kardinal Albrecht in Halle zu Unrecht vergessen ist und sein Bild auch zu Unrecht zu einseitig gesehen wird."

"Man muss dazu sagen, dass die Reformation und Luthers Schmähschriften und Schmähworte natürlich das Bild des Kardinals nachhaltig geprägt haben. Das hat sich bis heute kolportiert, hier im Kernland der Reformation."

Bereits im Vorfeld der Ausstellung fanden zahlreiche Fachtagungen statt, die das Bild Albrechts ein wenig zurechtrücken sollten. So kann man heute sagen, dass sich der Geistliche tatsächlich zwei Geliebte hielt. So arg wie Luther es behauptet hatte, trieb er es dann aber doch nicht.

Ich weyß mein gewissen sicher – soll Albrecht gesagt haben. Er träumte davon, sich im Hallenser Dom – inmitten seiner Reliquien und Kunstschätze – beisetzen zu lassen. Doch mit dem Sieg der Reformation platzte dieser Traum. Der Kardinal starb 1545 verbittert auf der Martinsburg in Mainz. Seine Schätze wurden im Dreißigjährigen Krieg vernichtet oder in alle Teile der Welt verstreut. Nun wurden die Reste wieder zusammengetragen. Noch bis 26. November ist die Ausstellung "Der Kardinal" in Halle zu sehen.