Der israelische Künstler Hillel Eflal

Neugierig auf Ramallah

Palästinenserinnen gehen durch Ramallah.
Ramallah ist liegt 20 Kilometer nördlich von Jerusalem. © picture alliance / dpa
Von Philipp Eins · 07.04.2017
Israelischen Zivilisten ist es untersagt, die palästinensischen Autonomiegebiete zu betreten. Künstler und Weltenbummler Hillel Eflal hält sich nicht daran. Seit 2015 lebt er in einem Hostel in Ramallah. Was hat ihn bewogen, dort hin zu ziehen? Philipp Eins hat ihn getroffen.
Es sind die sieben großen Städte des Westjordanlands, die der 34-jährige israelische Künstler Hillel Eflal in seinem Wandgemälde verewigt hat. Die in mal zarten, mal kräftigen Farben aufgetragenen Panoramen befinden sich im ersten Stock des "Hostel in Ramallah". Eigentlich dürfte Eflal hier gar nicht sein. Die israelische Armee verbietet es Juden, die palästinensischen Autonomiegebiete zu betreten. Eflal aber, dessen Gemüt so schnell nichts aus der Ruhe bringt, ist das egal. Seit Oktober 2015 lebt er in Ramallah.
"Ich hab mich aufs Fahrrad gesetzt und bin hergefahren. Es war wirklich ganz einfach. Die israelische Armee kontrolliert nicht, wer in die palästinensischen Autonomiegebiete einreist. Später habe ich herausgefunden, dass es auch nicht viel schwieriger ist, wieder rauszukommen. Du musst wissen, welche Straßen du nimmst, welche Checkpoints du passieren kannst. Es ist möglich, auch wenn es illegal ist."

Er wollte die Welt entdecken

Geboren und aufgewachsen ist Hillel Eflal in Yiftah, einem Kibbuz im Norden Israels. Nach der Schule studierte er ein Jahr lang an der Kunsthochschule in Jerusalem. Lange hielt er es dort nicht aus. Er wollte die Welt entdecken und reiste 2004 nach New York.
"In den USA habe ich mir Jobs im Kunsthandwerk gesucht. Die Arbeit mit Metall hat mich fasziniert. Ich habe mich auf den Bau von Fahrradrahmen spezialisiert. Mit meinen Fahrrädern bin ich viel gereist, habe die USA kennengelernt. Die großen Städte und auch die Westküste!"
Eflal ging auch damals seinen eigenen Weg. Er lebte illegal in den USA, ohne Visum. Als sein Bruder vor anderthalb Jahren erkrankte, zog er zurück nach Israel.
"Ich war eine Zeit lang bei mir zu Hause, bei der Familie. Aber nicht lange. Ich wollte durch Israel reisen, mich mit dem Land wieder vertraut machen. Touristen erzählten mir dann von Ramallah. Ich wusste nichts über die Stadt und wollte erfahren, was hier wirklich los ist. Es war Neugier. Ich hatte keine politische Mission oder so etwas.
Nach meinem ersten Besuch war ich schockiert, wie anders Ramallah war, als ich es von den Vorstellungen in Israel gewohnt war."

Für die Israelis ist Ramallah so weit weg wie Pakistan

Ramallah ist für viele Israelis so weit weg wie Pakistan oder der Iran, auch wenn die Stadt gerade mal 20 Kilometer nördlich von Jerusalem liegt. Mit Ramallah verbindet man in Israel Terror und politischen Radikalismus. Die Reise dorthin erscheint vielen Juden bedrohlich, gar lebensgefährlich – spätestens seit dem Lynchmord an zwei israelischen Soldaten zu Beginn der zweiten Intifada. Die Fernsehbilder bleiben im Gedächtnis. Manche Israelis haben die Stadt auch im Krieg kennengelernt, als sie selbst in Ramallah kämpften.
Dabei ist Ramallah eine lebendige, recht liberale arabische Stadt mit Szenebars, Nachtclubs und einer großen christlich-arabischen Minorität. Boutiquen und Restaurants reihen sich in den überfüllten Seitenstraßen, die vom Arafat Square abzweigen. Auf dem Markt geht es traditioneller zu. Avocados und Passionsfrüchte, Ziegenköpfe und Rinderzungen werden zum Verkauf angeboten. Hillel Eflal gefiel es hier so gut, dass er entschied, für einige Zeit in Ramallah zu bleiben. Seine Familie reagierte schockiert.
"Sie waren überrascht und besorgt. Ich habe versucht, sie zu beruhigen so gut es ging. Es ist nicht gefährlich in Ramallah, solange du dich nicht als Israeli auf der Straße zu erkennen gibst."
Der Nahostkonflikt ist in Ramallah spürbar. Besucher sind herzlich willkommen. Als Jude erkennbar mit einer Kippa durch die Straßen zu laufen, wäre aber eine Provokation.
"Ich habe nur den Betreibern des Hostels erzählt, dass ich Jude bin und aus Israel komme. Sie sind weit gereist und an Besucher aus aller Welt gewöhnt. Sie waren zunächst überrascht, dass ich nach Ramallah gekommen bin. Aber sie haben mich herzlich aufgenommen und mir geholfen."

Nach zehn Jahren griff er wieder zum Pinsel

Erst in Ramallah hat Hillel Eflal wieder zur Kunst gefunden. Nach über zehn Jahren Pause nahm er hier zum ersten Mal einen Pinsel in die Hand.
"Ich bot einem der Besitzer des Hostels an, ehrenamtlich für ihn zu arbeiten. Ich wollte gerne ein Wandgemälde im Hostel malen. Er fand den Vorschlag prima – und hatte gleich die Idee mit den Stadtporträts. Sie gefiel uns beiden. So fing alles an."
Nach anderthalb Jahren hat Hillel Eflal genug gesehen. Er will wieder Reisen. Im Sommer möchte er mit dem günstigsten Flugticket raus aus Israel, nach Istanbul. Er will an neuen Wandgemälden arbeiten und schließlich mit dem Fahrrad Richtung Westen radeln. Inzwischen hat es ihm eine neue Stadt angetan.
"Berlin ist mein Ziel. Ich möchte noch ein paar andere Städte auf dem Weg von Istanbul kennenlernen, aber bis zum Winter bin ich hoffentlich da. Ich will sehen, was in Berlin so los ist – und etwas Deutsch lernen."
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