Der intrigante Versuch, den Kronprinzen umzudrehen

19.01.2012
Johannes Bronisch präsentiert mit "Der Kampf um Kronprinz Friedrich" ein ganz neues Kapitel der Friedrich-Literatur. Hier geht es um den jungen "Alten Fritz", der auf den Thron seines Vaters warten musste und sich dabei mit theologischen und philosophischen Fragenstellungen beschäftigte.
Nein, über Friedrich den Großen ist noch nicht alles gesagt. Um aber das Friedrich-Bild mit einer wirklich neuen Facette zu versehen, ist einiger Archivstaub von entlegenen Quellen zu blasen. Dass dabei aufregende Geschichten zutage treten, hat der junge Historiker Johannes Bronisch in seinem Buch "Der Kampf um Kronprinz Friedrich" bravourös vorgeführt.

Spannend wie einen Krimi enthüllt er die Episode einer Verschwörung, die sich hinter dem Rücken des Kronprinzen im idyllischen Rheinsberg vollzog. Während alle Welt glaubte, der angehende König gebe sich der Muße, den Künsten und der Bildung hin, brachten sich zwei Parteien um dessen Gunst in Stellung: das benachbarte Kurfürstentum Sachsen und das habsburgische Kaiserhaus in Wien, Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Beiden ging es darum, den künftigen Befehlshaber einer schlagkräftigen militärischen Maschinerie auszuspionieren und ihn möglichst frühzeitig auf ihre Seite zu ziehen. Unabhängig voneinander verpflichteten sie dafür als Informanten und Drahtzieher Ernst Christoph von Manteuffel.

Der Landadelige aus Pommern, der zeitweise in sächsischen Diensten gestanden hatte, handelte außerdem noch in eigenem Interesse: Er erhoffte sich von der zwielichtigen Mission einen ehrenvollen Posten in der preußischen Administration. Zunächst gelang es ihm, sich als Fürstenratgeber in Rheinsberg nützlich zu machen, schnell gewann der gebildete und weitgereiste Homme de lettres das Vertrauen des jungen Kronprinzen – Voraussetzung für die anspruchsvolle Mission. Friedrich war für Manteuffels Auftraggeber sowohl in Dresden als auch in Wien aufgrund seiner Geisteshaltung ein unberechenbarer Thronfolger, denn Friedrich glaubte nicht mehr an das Gottesgnadentum und womöglich nicht einmal an Gott. Das war für herkömmliche Herrscher im Grunde ein Skandal. Manteuffel hatte nun die Aufgabe, diesen geistigen Sprengsatz zu entschärfen.

Mit dem jahrzehntelang trainierten psychologischen Scharfsinn des alten Diplomaten machte er sich Friedrichs intellektuellen Ehrgeiz zunutze. Um Ordnung und Berechenbarkeit in Friedrichs Denken zu bringen – das sei "wie ein umgestürztes Bücherregal"- bediente sich Manteuffel der Lehre des deutschen Aufklärers Christian Wolff. Der Philosoph, vom Soldatenkönig wegen gotteslästerlicher Reden aus Preußen ausgewiesen (weshalb er dem Kronprinzen allein schon attraktiv erschien), setzte gleichermaßen auf die Vernunft und die biblische Offenbarung. Wolffs Philosophie bot in Manteuffels Augen die Hoffnung, den gefährlichen Atheismus Friedrichs zu entschärfen.

Dieser ahnte nichts von der Mission des Diplomaten, aber im entscheidenden Moment entzog sich Friedrich dem Einfluss Manteuffels - und damit dem geschickt eingefädelten Ränkespiel. Ihn störte an der Wolff’schen Philosophie das Dogma von der Unsterblichkeit der Seele. Heimlich holte er dazu die Meinung eines Experten in Sachen Kirchenkritik ein, er korrespondierte mit dem französischen Chefaufklärer Voltaire. Damit war das Band zu Manteuffel zerrissen. Kurz nachdem Friedrich den Thron bestiegen hatte, ließ er seinen einstigen Ratgeber aus Berlin ausweisen.

Solide auf bislang von der Fachliteratur ignorierte Quellen gestützt, anschaulich erzählt bis in die politischen Motive um den Poker zwischen Habsburg und Kursachsen, in die Hintergründe um die beiden konkurrierenden Denkschulen der Zeit, der deutschen und französischen Aufklärung, ist dem Autor eine vorbildliche Studie gelungen über das Verhältnis zwischen Geist und Macht. Der intrigante Versuch, den Kronprinzen umzudrehen, scheiterte grandios an Friedrichs Eigensinn. Einmal mehr ein Beispiel dafür, dass die Geschichte jede Menge Räuberpistolen verborgen hält, wenn man nur danach gräbt.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Johannes Bronisch: Der Kampf um Kronprinz Friedrich. Wolff gegen Voltaire
Landtverlag, Berlin 2011,
136 Seiten, 19, 90 Euro
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