Der Internationale Tag der Jogginghose

"Die Jogginghose bleibt von ihrer DNA her eine formlose Hose"

ILLUSTRATION - Eine junge Frau trägt am 20.01.2015 in Offenbach am Main (Hessen) vor dem Fernseher eine Jogginghose. Am 21.01.2015 ist Internationaler Jogginghosentag. Foto: Christoph Schmidt/dpa (zu dpa «Schlabberfreund trifft Modefreak: Typologie der Jogginghosenträger» vom 20.01.2015) | Verwendung weltweit
Bequem, aber formlos: Eine junge Frau liegt in Jogginghose vor dem Fernseher. © Christoph Schmidt/dpa
Bernhard Rötzel im Gespräch mit Katrin Heise · 20.01.2018
Er trägt sie auch nicht zu Hause und nicht einmal am internationalen Jogginghosentag am Sonntag. Stilberater Bernhard Roetzel erklärt, warum das von vielen so gerne getragene Kleidungsstück so enthüllend ist.
Katrin Heise: Den ganzen Tag lang Jogginghose tragen, zu Hause, draußen, einfach überall. Das wünschten sich angeblich die Erfinder des Internationalen Jogginghosentages. Und ehrlich gesagt, sie sind am Ziel, wir begehen seit einigen Jahren immer am 21. Januar, also morgen, den Jogginghosentag. Und die Hose wird ja auch tatsächlich überall und dauernd getragen. Die Chefin der deutschen "Vogue", die kennt sich ja nun wirklich mit Mode aus, die geht angeblich sogar damit ins Büro. Und jetzt begrüße ich am Telefon den Stilberater und Autor Bernhard Roetzel. Schönen guten Morgen!
Bernhard Roetzel: Guten Morgen, Frau Heise!
Heise: Könnte Ihnen das auch passieren, dass man Sie im Büro in Jogginghose antrifft?
Roetzel: Nein, weil erstens befindet sich mein Büro zu Hause, und da würde mich niemand außer meiner Familie antreffen, und zweitens würde ich dort auch keine Jogginghose tragen, ehrlich gesagt.
Heise: Es gibt doch aber Jogginghosen aus edelstem Material. Also Ballonseide – Jersey oder Sweatshirt-Stoff muss ja nicht sein. Adelt das die Hose nicht? Oder behält sie Ihrer Meinung nach das prollige Image?
Roetzel: "Prollig" haben Sie jetzt gesagt, aber sie behält in jedem Fall das sportliche Image, was ja nicht unbedingt mit dem prolligen Image zusammenhängt, weil die Sportlichkeit mancher Leute, die man jetzt halt als prollig bezeichnen würde, sei mal dahingestellt.
Heise: Nein, da machen Sie jetzt zu viele Querschüsse.

In Jogginghose aus Kaschmir auf dem Designer-Sofa räkeln

Roetzel: Es ist wie mit des Kaisers neuen Kleidern, würde ich sagen. Die Jogginghose bleibt von ihrer DNA her eine sportliche, formlose Hose, die natürlich formlos ist, damit man sich beim Sport darin bewegen kann. Aber wie Sie eben ja schon sagten, man trägt heute beim Laufen ja eher diese hauteng anliegenden Hosen, weil diese weite Hose im Grunde hinderlich ist. Es ist ein bisschen wie mit Flipflops, finde ich. Flipflops polarisieren ähnlich wie die Jogginghose, und sie sind im Grunde immer Badelatschen oder Strandlatschen, und ob ich da noch Diamanten appliziere, es bleibt das Gleiche.

Und nur, wenn ich mir von der Mode einreden lasse, dass es jetzt was Besonderes ist, sehe ich darin etwas anderes. Wobei, man muss natürlich unterscheiden zwischen der echten Jogginghose aus dem Discounter für 3,99 und dem, was dann eher in Richtung Loungewear geht, also eine bequeme Hose aus – bis hin zu Kaschmir und Ähnlichem, mit dem man sich dann auf seinem ebenso edlen Sofa räkelt.
Heise: Ja, oder eben in die Oper geht. Ich meine, Showbiz, haben Sie ja schon erwähnt, trägt quasi jeder die Jogginghose überall, also vielleicht auch beispielsweise im Opernhaus. Ärgert Sie das eigentlich?
Roetzel: Ich ärgere mich grundsätzlich nie darüber, was andere Leute an Kleidung tragen, allenfalls, wenn sie das jetzt vielleicht bei einer Einladung bei mir zu Hause machen würden entgegen einer Aufforderung. Aber auch da bin ich sehr tolerant beziehungsweise meine Freunde kennen mich ja.
Heise: Und würden nie eine Jogginghose anziehen.
Roetzel: Das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, aber dieses Phänomen, dass man zu Hause in der Jogginghose auf dem Sofa liegt abends, das kenne ich ehrlich gesagt aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis nicht. Ich hab es neulich in einem Interview gesagt, wenn einer körperlich arbeitet und vollkommen zerschlagen und verschwitzt nach Hause kommt, verstehe ich, dass er erst mal duscht und sich was Bequemes anzieht und den Rest des Abends sich dann ausruht. Aber ansonsten sehe ich keine Veranlassung, sich jetzt abends komplett umzuziehen.

Aber Oper und Kleidung ist so ein Thema für sich. Ein Freund von mir hat mal so schön gesagt, warum soll ich mich fein anziehen fürs Theater, wenn die Schauspieler sich nackt auf der Bühne wälzen. Angesichts moderner Inszenierungen ist es da manchmal fraglich, ob man sich da besonders anziehen soll. Aber ich finde, Jogginghose ist einfach, oder diese Hosen, diese weichen Hosen verraten viel über – wie soll ich sagen, sie verraten viel über das, was in der Hose ist, also die Körperkonturen werden nicht verhüllt. Es ist eher enthüllend, und diese Formlosigkeit drückt etwas aus, was ich bei bestimmten Anlässen einfach unpassend finde.
Heise: Das haben Sie jetzt aber sehr hübsch umschrieben. Das Outfit …
Roetzel: Ja, ich merkte das, ich wollte mich nicht selbst in eine Ecke manövrieren sprachlich.
Heise: Was ich natürlich jetzt dann doch noch mal betone. Aber jetzt mal zu dem, was Sie gerade gesagt haben …
Roetzel: Was aber nicht unwichtig ist, übrigens. Ein Schneider aus der Savile-Road, den ich kenne, sagte mal, die Hosen eines Gentleman müssen immer alles verbergen. Er sagte, stellen Sie sich vor, Prinz Charles ist zu einem Staatsbesuch, und es würde irgendwas sichtbar sein.

"Kleidung wird immer noch benutzt, um Status auszudrücken."

Heise: Ja, das wollen wir uns jetzt mal gar nicht vorstellen. Was ich mir aber mal vorstellen möchte, ist, was immer so war: Kleidung war immer auch durchaus auch ein Statussymbol, eine Statusanzeige. Ist das eigentlich noch so? Weil dann würde dem die Jogginghose ja total widersprechen?
Roetzel: Kleidung wird immer noch benutzt, um Status auszudrücken, bloß, dass nicht jeder das noch lesen kann sozusagen, die Signale, die durch Kleidung ausgedrückt werden. Aber viele Statussignale werden immer noch verstanden. Das heißt, wenn der Bundespräsident bei einem Staatsanlass in einer egal wie feinen Jogginghosenversion auftreten würde, würde das selbst den Leuten übel aufstoßen, die vielleicht selbst für sich die Jogginghose in der Oper okay finden. Also Status, auch verbunden mit bestimmten Rollen, die man einnimmt, ist immer noch sehr wichtig.

Ich kann mich erinnern, ich war in Berlin abends unterwegs, trug einen Anzug und einen Hut und einen Trenchcoat. Und ein Punk, der auf der Treppe saß und mich anschnorrte, sagte sehr positiv, "hey, Humphrey Bogart". Also diese Assoziation Hut und Anzug ist durchaus auch positiv, das wird verstanden. Muss jetzt nicht in dem Sinne Status sein von "über jemand anders stehen", aber man kann mit Kleidung da immer noch sehr viel ausdrücken. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, ich trage immer eine Jogginghose, da drückt das weniger Status aus als ein Lebensgefühl.
Heise: Ist ja vielleicht auch eine Altersfrage. Würden Sie Ihren Kindern verbieten, in die Schule mit Jogginghose zu gehen, also jetzt mal nicht zum Sportunterricht?
Roetzel: Ich habe festgestellt, dass es sehr schwierig ist, Kindern irgendwie Kleidungsvorschriften zu machen, und das will ich auch gar nicht. Wenn jetzt ein Kind eine Jogginghose in der Schule trägt, finde ich das was völlig anderes, als wenn ein Erwachsener Jogginghose in der Oper trägt. Bei Kindern kommt es auch auf Bequemlichkeit an und auf Alltagstauglichkeit, wenn die herumtoben in der Pause. Aber bei bestimmten Anlässen würde ich schon dem Kind auch nahelegen – wir haben sechs Kinder, muss ich dazu sagen, ich habe eine gewisse Erfahrung mit Kindern – lege ich denen schon nahe, was sie anziehen. Beziehungsweise sie möchten selbst Sachen dann auch anziehen, einfach durch das Vorbild, das sie vielleicht sehen.
Heise: Danke schön! Bernhard Roetzel, Stilexperte, heute Morgen hier zur Jogginghose.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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