Der Holocaust auf Instagram

"Als hätten jüdische Teenager ein Handy besessen"

09:50 Minuten
Die Werbung für das neue Holocaust-Gedenkprojekt "eva.stories" hängt an einer Wand in Israel.
Was wäre, wenn ein jüdisches Mädchen 1944 Instagram gehabt hätte, fragt dieses Werbeplakat des Projekts "eva.stories". © dpa / Robert Messer
Christoph Pallaske im Gespräch mit Dieter Kassel · 02.05.2019
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In Israel werben schon seit Wochen Plakate für das Projekt eva.stories. Jetzt ist die Instagram-Story eines jüdischen Mädchens, das 1944 in Auschwitz ermordet wird, online. Ein spannender Versuch, sagt der Geschichtslehrer Christoph Pallaske - allerdings nicht ganz problemlos.
Wie lässt sich das Gedenken an den Holocaust wachhalten? Das Multimedia-Projekt eva.stories aus Israel versucht es mit einer Instagram-Story über ein 13-jähriges Mädchen, das 1944 in Budapest lebt und später in Auschwitz ermordet wird. Ein Projekt, das für Kontroversen sorgt. Auch Christoph Pallaske sieht ein Für und Wider. Er ist Geschichtslehrer an einem Kölner Gymnasium und war zuvor an der Universität Köln im Bereich der Geschichtsdidaktik tätig.

Das Projekt bedient die Selfie-Kultur

Das Verstörende sei, so Pallaske in Deutschlandfunk Kultur, "dass die Filmszenen so gedreht sind, als hätten jüdische Teenager ein Handy besessen und zeigen, wie sie den Holocaust auf Instagram dokumentiert hätten - das ist natürlich ahistorisch. Aber es ist diese Bildsprache, diese Selfie-Kultur und Selbstdarstellungskultur auf Instagram, die hier bedient wird."

Ein Hightech-Milliardär finanziert "eva.stories"

Trotzdem sei das Ganze ein "spannender und eindrucksvoller Versuch", den Holocaust anders zu erzählen, so der Geschichtslehrer. "Wir müssen uns ja immer fragen, wo begegnet Schülern heute überhaupt noch Geschichte." Der Initiator, ein israelischer Hightech-Milliardär, habe das Thema Holocaust wieder zu den Jugendliche bringen wollen: "Diesem Anspruch wird dieses Projekt bestimmt sehr, sehr gerecht."

Thematisierung im Unterricht wünschenswert

Gut wäre es allerdings, wenn die "eva.stories" noch einmal im Geschichtsunterricht behandelt würden und Lehrer "auch Fragen dazu stellen". Man könne etwas diskutieren, ob der Holocaust stattgefunden hätte, wären damals Bilder davon im Umlauf gewesen oder ob umgekehrt der Hass im Netz den Holocaust vielleicht befördert hätte. "eva.stories" sei ein Narrativ der heutigen Zeit, und es sei Aufgabe von Geschichtslehrern, darüber zu diskutieren.
(ckü)
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