Der Hörspiel-Komponist Andreas Bick

Zwischen Geräusch und Musik

08:36 Minuten
Photo by Free To Use Sounds on Unsplash
Naturklänge, eingefangen an der Quelle © unsplash
Von Nora Bauer · 03.03.2020
Audio herunterladen
Andreas Bick ist Autodidakt und kam über das Gitarre-Spiel in diversen Rockbands zum Komponieren. Der vielfach ausgezeichnete Soundkünstler arbeitet unter anderem mit Naturgeräuschen, die er in instrumentale Klänge verwandelt. Nora Bauer über einen der kreativsten Köpfe der Film- und Hörspielmusik.
Ausschnitt Musik 'Parzivals Weg Hip Hop groove'
Andreas Bick: "Mein Vater hat, glaube ich, insgeheim mit einer Musiker-Karriere geliebäugelt, hat das aber sehr schnell als brotlose Kunst angesehen und mir das immer auch gesagt, dass das doch nichts wäre für mich. Und deswegen habe ich das immer eigentlich so mehr gegen Widerstände begonnen. Ich hab zwar vielleicht mal für ein Jahr Gitarren-Unterricht gehabt, aber auch erst später, mit 22 Jahren, glaube ich, habe ich versucht noch Jazz-Musik auf der Gitarre so ein bisschen zu studieren, ansonsten habe mir eigentlich alles selber beigebracht."

Vielfacher Preisträger

Andreas Bick, Jahrgang 1964, ist heute vielfacher Preisträger für seine Hörspielkompositionen. Die Warnungen seines Vaters haben sich tatsächlich nicht bewahrheitet.
Andreas Bick: "‘Parzifals Weg‘ – ich weiß nicht, ob es das erste oder zweite Hörspiel war, was ich jemals gemacht habe, und da war die Idee, diesen ungewöhnlichen Text vor allem mit Windgeräuschen auszustatten."
Tankred Dorsts Theatertext, auf dem dieses Hörstück basiert, trägt den Untertitel: "Das wüste Land". Parzifal, im Wald aufgewachsen und total unwissend, macht sich auf der Suche nach Gott zum Gespött der feinen Leute, der Ritter und ihrer Damen. Das Suchen funktioniert für ihn nur als Kaputtschlagen, irgendwo muss Gott doch zu finden sein! So hinterlässt er überall nur wüstes Land. Die Produktion erfolgte 2005 vom Deutschlandradio Kultur.
Ausschnitt Musik / 'Parzivals Weg' Thema
Andreas Bick: "Ich hatte zwei, drei Jahre vorher eine Klangkomposition gemacht, die hieß 'Windscapes', die hat dann auch einen von diesen Klangkunstpreisen gewonnen und da ging es darum einzufangen, wie Wind spontan in der Natur Geräusche erzeugt, vielleicht von der Wüste, also rieselnder Sand, der vom Wind in Gang gesetzt wird, bis zu Blätterrauschen, oder ganz kleinen mikroskopischen Windgeräuschen, und dann habe ich das noch ergänzt durch eine Kontrabass-Flöte, also viel Atmen, viel geräuschhaftes Blasen in das Instrument, so dass eigentlich im Grunde die ganze Hörspielmusik nur aus so windartigen Geräuschen bestand."
Ausschnitt Musik / Der Alltag des Herrn Held

Von Alltagsgeräuschen verfolgt

Thorsten Held, Akustiker in einer Autofabrik, lebt ein ruhiges, konventionelles Leben mit Frau und Kind, gefangen in den Routinen seines Alltags. Eines Tages ergeht es ihm wie Chaplins Held in "Modern Times", seine Welt verselbstständigt sich, ihm wird alles zu viel, er kann keine Geräusche mehr ertragen: Die ganze Welt verwandelt sich in einen lärmenden Alptraum. Das Hörspiel wurde 2012 für den NDR produziert.
Ausschnitt Musik / Der Alltag des Herrn Held
Andreas Bick: "Es gab eine Sequenz, wo wir gesagt haben, der Akustiker muss in seinem Automobilwerk um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen, muss er immer einen Code eingeben und klickt dann eben an so einem Zahlenfeld irgendwie Tasten. Und aus diesen Tasten wird dann irgendwann eine Melodie vor irgendeinem Song, den er vorher in der U-Bahn gehört hat, was ihn dann wieder total genervt hat, weil es zu laut war für ihn. So wird er von diesen Alltagsgeräuschen verfolgt und kann sie einfach nicht mehr aus seinem Kopf verbannen."
Ausschnitt Musik / Der Alltag des Herrn Held

Andreas Bick: "
Es sind halt diese überästhetisierten Geräusche, die dem Akustiker verrückt machen."
Ausschnitt Musik / Remainder Beat H full
Für Andreas Bick hat sich das Studio zu einem schützenden Ort entwickelt. Hier kann er Geräusche ausprobieren und modifizieren, kann absurden Klang-Ideen nachhorchen. Ein Ort, an dem alles, was er im inneren Ohr wahrnimmt, einen sicheren Weg nach draußen finden kann, bis zur völligen Auflösung eines Klangs.
Andreas Bick: "Ich hatte immer Bühnenangst, als wir gespielt haben mit den Rockbands da, haben mir immer die Knie geschlottert, wenn wir auf der Bühne standen, und das Studio, das war so eine Hülle, in der man sich so eingraben konnte, das hat mich total fasziniert und dass man das dann auch noch mit dem Computer machen konnte, sehr komfortabel, und mit allen möglichen Klängen arbeiten konnte, das fand ich großartig, da war dann ziemlich schnell klar für mich, dass das mein Arbeitsplatz und meine Welt sein sollte."
Ausschnitt Musik / Elser

Räume öffnen

Andreas Bick: "Was ich sehr oft probiere ist, dass wir mit dem Mikrophon wirklich ganz, ganz nah rangehen, gar keinen Hall auf das Instrument tun, und ganz leise Töne spielen, die vielleicht gerade noch so vom Rauschen in den Ton übergehen, so auch geräuschhafte Dinge in dem Instrument einfangen und die dann so zu montieren, das daraus so eine Art von absichtsloser Fläche oder Textur entsteht, solche Dinge funktionieren im Hörspiel immer sehr, sehr gut, weil sie sich gut mit der Sprache verbinden, also sie konkurrieren nicht mit der Sprache, und können trotzdem aber gewisse Räume öffnen, die sich dann auch mit den inhaltlichen Ansprüchen des Hörspiels verbinden."
Ausschnitt Musik / Elser
Das Hörspiel "Elser" entstand 2015 im SWR nach dem gleichnamigen Kinofilm, dieser war vom SWR koproduziert worden. Es fehlten 13 Minuten, die die Weltgeschichte ändern und Millionen Menschenleben hätten retten können. Doch Adolf Hitler verließ die Kundgebung im Münchner Bürgerbräukeller an jenem 8. November 1939 zu früh. Johann Georg Elser wurde noch in derselben Nacht an der Grenze zur Schweiz verhaftet, seine wundgescheuerten Knie haben ihn verraten. Der einsame Widerstandskämpfer hatte wochenlang nachts kniend eine Granitsäule im Bürgerbräukeller ausgehöhlt um eine selbstgebaute Bombe in dieser Öffnung zu verbergen. Die Musik erzählt auch von Elsers Alleinsein.
Ausschnitt Musik / Elser
Andreas Bick: "Im Hörspiel haben wir die visuelle Ebene gar nicht, und können dann mit den Tönen viel freier umgehen, und müssen auch sozusagen mehr Raum gestalten oder lassen, um den Hörerinnen und Hörern auch die ganzen Assoziationen zu ermöglichen, die dann im Kopf stattfinden, weil man ja die Bilder nicht hat."
Vor allem hört man die Trauer ob der Sinnlosigkeit dieses Attentats, weil der Versuch zum Scheitern verurteilt war.
Ausschnitt Musik / Elser

Mehr außergewöhnliche Dinge probieren

Andreas Bick: "Die Musik hat beide Facetten, also sie dient natürlich insofern, dass sie den Inhalt zur Geltung bringen soll, gestalten natürlich aber auch, weil die Musik im Hörspiel so eine auch tragende Rolle hat, weil es halt neben den Geräuschen und den Schauspielern halt irgendwie das dritte tragende Element ist, das ein Hörspiel ausgestaltet. Die Wahl der Instrumente und die Überlegung, wo findet die Musik statt, wo setzt sie ein, wie lange klingt sie, welche Stimmung bringt sie rüber, das hat schon wirklich einen sehr großen Einfluss auf das Hörspiel und das ist natürlich schon, für mich, für meine Arbeit auch toll, weil man wirklich sehr großen Einfluss auf die Qualität eines Hörspiels hat."
Den engen Kontakt zur Literatur genießt Andreas Bick. Und plötzlich wird aus dem Geräusch wieder eine altbekannte Melodie.
Ausschnitt Musik / Elser
Andreas Bick: "Es gibt einen riesigen Vorteil bei der Hörspielmusik, einfach dass die Hörspielmusik sehr mit Literatur zu tun hat, einfach mit sehr, sehr interessanten Texten, das Hörspiel hat ja ein wesentlich kleineres Budget als eine Filmproduktion, das ist irgendwie im Verhältnis 1 zu 20. Und man kann mehr Risiken, man kann mehr ungewöhnliche Dinge probieren. Deswegen hat die Hörspielmusik für mich auch als Menschen, der sich für Literatur interessiert, einfach riesige Vorteile."