Samstag, 30. März 2024

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Merkel in Saudi-Arabien
"Große Defizite bei den Menschenrechten"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien die Menschenrechtslage kritisiert. Sie vereinbarte aber auch, dass die Bundeswehr künftig saudische Soldaten in Deutschland ausbildet. Merkel sieht gute Chancen für deutsche Unternehmen und hofft auf eine Öffnung der Gesellschaft.

30.04.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (M, CDU) wird am 30.04.2017 in Dschidda (Saudi-Arabien) vom König des Königreichs Saudi-Arabiens, Hüter der Heiligen Stätten, Salman bin Abdelaziz Al Saud (2.v.l) mit militärischen Ehren begrüßt. Saudische Soldaten salutieren.
    Merkel wird vom saudischen König Al Saud mit militärischen Ehren begrüßt (dpa / Kai Nietfeld)
    Die Kanzlerin setzt ihre Hoffnung auf den geplanten Wirtschaftsumbau in Saudi-Arabien. Bei ihrem Besuch sagte sie, das Königreich wolle Zukunftsperspektiven für die Einwohner entwickeln, von denen 70 Prozent unter 30 Jahre alt seien. Merkel sagte, das biete Chancen für die deutsche Wirtschaft. Sie äußerte auch die Erwartung, dass mit dem Umbau eine gewisse Öffnung der Gesellschaft verbunden sei. Davon könnten Frauen profitieren.
    Merkel hält sich zusammen mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation einen Tag lang in der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer auf. Zum einen wollte die Kanzlerin in den Gesprächen mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Naif den Gipfel der 20 Industrie- und Schwellenländer (G20) im Juli in Hamburg vorbereiten, an dem auch Saudi-Arabien teilnimmt. Zum anderen sollten Regierungs- und Wirtschaftsabkommen geschlossen werden, um Handelshemmnisse zwischen beiden Staaten abzubauen. Mit dem Siemens-Konzern wurde heute vereinbart, dass er Saudi-Arabien bei der - wie es hieß: "digitalen industriellen Transformation" unterstützt.
    Bundeskanzlerin Merkel am Flughafen von Dschidda in Saudi-Arabien. Sie trägt einen türkisen Blazer und ist von Männern umgeben.
    Allein unter Männern: Bundeskanzlerin Merkel wird am Flughafen von Dschidda begrüßt. (dpa / Kay Nietfeld)
    Saudi-Arabien will keine Waffenlieferungen mehr
    Rüstungsgeschäfte sind nicht geplant. Saudi-Arabien kündigte kurz vor der Ankunft Merkels an, bei der Bundesregierung künftig nicht mehr um Genehmigungen für die in Deutschland heftig umstrittenen Waffenlieferungen an das Königreich nachsuchen zu wollen. "Wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen", sagte Vize-Wirtschaftsminister Mohammed al-Tuwaidschri dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Als Grund nannte er den Wunsch nach enger Kooperation mit Berlin. "Die Beziehungen zu Deutschland sind uns sehr viel wichtiger als der Streit um Waffenexporte", sagte er.
    Vor Merkels Reise hatte es in der Bundesregierung noch geheißen, im Einzelfall könnten weiter Waffen nach Saudi-Arabien geliefert werden. "Es gibt kein Moratorium, keine Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien zu liefern", hieß es am Freitag in Regierungskreisen in Berlin.
    Merkel bot Saudi-Arabien deutsche Hilfe an, um den Bürgerkrieg im Jemen zu beenden. Saudi-Arabien unterstützt dort gemeinsam mit anderen Golfstaaten die Regierung gegen die schiitischen Huthi-Rebellen. Merkel sagte, sie glaube nicht an eine mmilitärische Lösung des Konflikt, Deutschland wolle Saudi-Arabien aber beim Schutz der Grenze zum Jemen helfen.
    Hinrichtungen, Diskriminierung von Frauen und Andersdenkenden
    Merkel wollte sich auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft treffen. Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gilt vielen als verheerend. So sind die Meinungsfreiheit und die Religionsfreiheit stark beschnitten. Die schiitische Minderheit im Osten des Landes und die Millionen ausländischen Arbeitskräfte sind Diskriminierungen ausgesetzt.
    Auch kommt es in Saudi-Arabien immer wieder zu Inhaftierungen und Hinrichtungen von Regierungskritikern und Aktivisten. Vor allem die drakonischen Strafen werden international scharf kritisiert. Die Zahl der Hinrichtungen stieg Berichten zufolge auf mehr als 150 Exekutionen in den vergangenen beiden Jahren.
    Merkel wird kein Kopftuch tragen
    Der in der Ölmonarchie verbreitete Wahhabismus - eine der konservativsten Strömungen des sunnitischen Islams - unterwirft außerdem Frauen besonders strengen Regeln. Ohne die Genehmigung eines männlichen Vormundes dürfen sie nicht reisen oder heiraten. Auch Autofahren ist ihnen untersagt. In der Öffentlichkeit treten sie meistens nur verschleiert auf.
    Die Kanzlerin wird aber weder ein schwarzes Ganzkörpergewand noch ein Kopftuch tragen. Das gilt auch für ihre Delegation, wie die mitreisende Journalistin Angela Ulrich berichtet. Bei der Reise des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) sei das noch anders gewesen - man habe den "Landessitten Respekt zollen" sollen.
    Ehefrau hofft auf Begnadigung Badawis
    Für besonders großes Aufsehen sorgte weltweit der Fall des Bloggers Raif Badawi, der wegen Beleidigung des Islams zu 1000 Peitschenhieben verurteilt worden war. Dessen Frau verspricht sich viel von Merkels Besuch. "Ich hoffe, dass die Kanzlerin die saudischen Führer direkt nach einer Begnadigung fragen wird", sagte die in Kanada lebende Ensaf Haidar der Deutschen Presse-Agentur in Kairo. Badawi habe bereits die Hälfte seiner Haftzeit abgesessen, was eine Begnadigung durch den König ermöglichen würde.
    Merkel äußerte sich nach ihrem Treffen mit dem saudischen König Salman nicht konkret dazu. Sie sagte, gerade was die Todesstrafe oder die Situation des inhaftierten Bloggers Raif Badawi oder vieler anderer anbelange, "werden wir natürlich auch an dem dicken Brett der Menschenrechte bohren".
    Unser Korrespondent Frank Capellan hat Angela Merkel nach Dschidda begleitet. Seinen Bericht können Sie hier hören.
    (gri/jasi/vic/mw)