Der Gartenfürst

20.03.2007
Fürst Franz von Anhalt-Dessau als Blumen- und Menschenfreund, der Gärten für die Öffentlichkeit baute und feudale Unterdrückung ablehnte - auf seine Macht dann aber doch nicht verzichten mochte: Kaevan Gazdar hat eine lesenswerte Biografie geschrieben, die eigentlich keine Biografie ist.
Es war im Juli 1771, das Wasser von Elbe und Mulde stieg unaufhörlich. Die Fluten durchbrachen die Dämme und überschwemmten Dörfer und Felder des kleinen Fürstentums Anhalt-Dessau. Der Fürst selbst leitete die Rettungsmaßnahmen. Und einmal, als eine Platane weggeschwemmt wurde, sprang er zu einem Fischer in den Kahn. Eine Stunde jagte er durch das Wasser, um den Baum zu retten.

Der Biograph Kaevan Gazdar beschreibt Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) als Inbegriff des Landesvaters; entsprechend der Spitzname: Vater Franz. Er war der Enkel des Alten Dessauers, Leopold I., der als preußischer Heerführer den berühmten Gleichschritt eingeführt hatte. Und auch Franz begann eine Offiziersausbildung, bevor er plötzlich mit der militärischen Familientradition brach und den Dienst quittierte.

Es gab ein Schlüsselerlebnis, schreibt Kaevan Gazdar: An seinem 16. Geburtstag lernte Franz den sächsischen Baron Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff kennen. Bereits hier zeigt sich die Schwäche der Biographie,denn für dieses Schlüsselerlebnis hat Gazdar nur eine Handvoll Sätze übrig: Durch den gebildeten, philosophisch interessierten Erdmannsdorf habe Franz das Leben jenseits des Militärischen entdeckt. Er habe dem Fürsten die Begeisterung für die Antike vermittelt und sei so sein ästhetischer Berater, Herzensfreund, Reisebegleiter und Architekt geworden. Mehr erfährt der Leser nicht. Die Motive des Fürsten, die Entwicklung seiner Persönlichkeit bleiben blass – an dieser Stelle und im ganzen Buch.

Das wird schon klar, als der Fürst in seiner eigenen Biographie erst auf Seite 57 auftaucht. Gazdar schreibt einen Exkurs nach dem anderen. Für eine echte Biographie fehlt ihm nicht nur der kritische Blick, der die Schattenseiten des Fürsten erhellt, sondern die Nähe zur Person überhaupt.

Stattdessen berichtet der Autor von der Reformflut, mit der Franz die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Grundfesten seines Landes erneuerte. Der Fürst bezahlte Ärzte, die besitzlose Kranke behandelten, und gründete eine Armenkasse. In Musterwirtschaften stellte er landwirtschaftliche Geräte aus, damit sie jeder nachbauen konnte. Und mit dem Pädagogen Johann Bernhard Basedow (1724-1790) reformierte Franz das Schulwesen und setzte dabei vieles um, was heute - siehe Pisastudien - oft gefordert wird.

Mit diesen Veränderungen, dem Bau des Dessauer Theaters, der Förderung bildender Künstler und Schriftsteller, habe sich Vater Franz einen Platz im Pantheon der aufgeklärten Herrscher des 18. Jahrhunderts gesichert, meint Gazdar. Doch das größte Verdienst des Fürsten sieht er in der Schaffung des Gartenreiches Dessau-Wörlitz, das heute zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt.

Zu Recht widmet er dem einst bedeutendsten Landschaftspark des europäischen Festlands ein ganzes Kapitel. "Hier ists iezt unendlich schön", schwärmte nicht nur Goethe. Der Park war für das ganze Volk geöffnet, denn Franz wollte alle an seinem Glück teilhaben lassen. Das hieß freilich nicht, in Anhalt-Dessau wäre eine Art Zivilgesellschaft entstanden. Franz lehnte feudale Unterdrückung zwar ab, seine Macht behielt er trotzdem gern.

Der Autor Kaevan Gazdar ist studierter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler und bisher nur mit expliziten Wirtschaftsthemen am Buchmarkt in Erscheinung getreten. Sein Buch ist ein lebendig geschriebener und gerade am Anfang mit humorvollen Zitaten gewürzter Erfolgsbericht über die Reformen im kleinen Anhalt-Dessau. Hin und wieder zieht er dabei interessante Parallelen zum Heute - und untermauert seine Einschätzungen mit Zitaten, etwa des Präsidenten des Umweltbundesamtes, der dem Franz'schen Reformwerk das moderne Prinzip der Nachhaltigkeit bescheinigt.

Vor allem solche Parallelen sind es, die Gazdars "Herrscher im Paradies" lesenswert machen - auch wenn das Genre "Biographie" verfehlt ist. Dabei liefert er am Ende selbst eine Idee, wie ein Bild des Fürsten hätte entworfen werden können:

Der aus Kalkutta stammende Autor überlegt, ob Fürst Franz mit seiner Menschenfreundlichkeit und dem weltoffenen Patriotismus zu den Galionsfiguren eines anderen Deutschlands gehören könnte - eines Deutschlands, dessen Identität nicht die Preußischen Tugenden bestimmen, sondern Vielfalt und Flexibilität, die Aufnahmebereitschaft des Fremden sowie die Fähigkeit zur Freundschaft, oder modern gesprochen: zur Vernetzung.

Schade, dass Gazdars Buch nicht mit dieser These beginnt.

Rezensiert von Marcus Weber

Kaevan Gazdar: Herrscher im Paradies. Fürst Franz und das Gartenreich Dessau-Wörlitz
Aufbau-Verlag, Berlin 2006
359 Seiten, 24,90 Euro