Der G8-Gipfel 2001

Chaostage in Genua

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Carabineri marschieren am 19.7.2001 vor der San Lorenzo-Kathedrale in Genua in Stellung. © picture-alliance / dpa / Oliver Multhaup
Von Jan-Christoph Kitzler · 01.06.2015
Fast drei mal drei Kilometer groß war das Sicherheitsgebiet in der Innenstadt, als im Jahr 2001 der der G8 Gipfel in Genua tagte. Für Anwohner, Geschäftsleute und Angestellte bedeutete das schlichtweg Chaos - ein Rückblick.
Silvio Berlusconi, Italiens Ministerpräsident, versuchte im Sommer 2001, am 22. Juli, in seiner Abschlusspressekonferenz in Genua gute Miene zu machen und das Positive herauszustellen.
Man habe an vielen Themen gearbeitet, sagte er. Der Gipfel sei ein Erfolg. Da war das Gipfeltreffen der acht mächtigsten Wirtschaftsnationen in Genua schon längst eine Katastrophe – da war ziemlich viel aus dem Ruder gelaufen.
Barrikadiert wie eine Festung
Die Staats- und Regierungschefs hatte man sicherheitshalber auf einem Kreuzfahrtschiff im Hafen untergebracht. Die Innenstadt von Genua rund um den Dogenpalast, in dem die Sitzungen stattfanden, war barrikadiert wie eine Festung. Und dennoch waren Hunderttausende Globalisierungsgegner gekommen, um gegen das Treffen zu protestieren, unter ihnen auch hunderte Gewaltbereite.
Schon damals hatte Italien für die Zeit des Gipfels das Schengen-Abkommen außer Kraft gesetzt. Trotzdem schlossen sich viele Kravall-Touristen aus dem Ausland dem so genannten Black Bloc an – Teile Genuas wurden verwüstet, Autos angezündet, Geschäfte zerstört. Die Polizei reagierte scheinbar unkoordiniert und mit Härte – beim Angriff auf ein Fahrzeug der Carabinieri wurde der Demonstrant Carlo Giuliani erschossen.
So steht der G8 Gipfel in Genua nicht nur für eskalierte Krawalle, sondern auch für beispiellose Polizeigewalt, auch gegen friedliche Demonstranten: hunderte wurden in einem Stadion festgehalten – sie berichten von Terror und Willkür der Einsatzkräfte:
"Sie haben Zigaretten auf mir ausgedrückt. Wenn jemand fragte, ob er auf die Toilette dürfe, ist er ein großes Risiko eingegangen. Es war ein Spießroutenlauf: Polizisten traten auf ihn ein, es gab Faustschläge und Hiebe mit Schlagstöcken."
In der Nacht auf den 22. Juli stürmten schwer bewaffnete Polizisten eine Schule, in der Globalisierungsgegner schliefen – dabei wurden 73 zum Teil schwer verletzt. Für die Anwälte der Opfer hatte das System:
"Es ist als habe es eine Dienstanweisung gegeben, wie man sich zu verhalten hat. Es ist unmöglich, dass einem das nicht ins Auge fällt: Verschiedene Einheiten, die sich schichtweise abwechselten, haben sich alle gleich verhalten."
Juristische Auseinandersetzung dauert bis heute
Die Gewalt von Genua bestimmte die Nachrichtensendungen – nicht die Inhalte des Gipfels. Und die juristische Auseinandersetzung dauert bis heute an. Anfang April dieses Jahres erst hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Italien verurteilt und einen Polizeieinsatz als „Folter" bezeichnet. Nach drei Prozessen gegen die Einsatzkräfte musste keiner eine Haftstrafe antreten – 16 hohe Beamte sind jedoch aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Vor kurzem hat ein Polizist von sich reden gemacht, der beim Sturm auf die Schule in Genua dabei war: er hatte via Facebook verbreitet, er würde das jederzeit wieder tun.
Seit den Chaostagen von Genua, seit den Krawall-Exzessen und der Polizeigewalt hat sich die Strategie bei großen Gipfeln geändert. Seitdem sollen für die Treffen eher abgelegene Orte ausgewählt werden, die sich gut abriegeln lassen. Auch deshalb findet in diesem Jahr der G7-Gipfel im Bayrischen Elmau statt.
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