Der Fotograf Ernest Withers

Dokumentar afroamerikanischer Geschichte

06:56 Minuten
Martin Luther King inmitten einer Gruppe von Menschen anlässlich des Marsches auf Washington im August 1963.
Ernest Withers war auch vor Ort, als Martin Luther King seine berühmte "I have a dream"-Rede in Washington hielt. © National Archives via CNP / dpa
Von Sabine Adler · 21.12.2019
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Der Fotograf Ernest Withers war stets an der Seite von Martin Luther King. In seinen Bildern wird der Kampf der afroamerikanischen Bevölkerung gegen die Unterdrückung lebendig. Ein neuer Bildband konzentriert sich ganz auf die 1950er- und 60er-Jahre.
Er war der persönliche Fotograf von Martin Luther King. Stets an der Seite des Pastors und Bürgerrechtlers und immer mitten im Leben: Ernest Withers, in Memphis in Tennessee geboren, stammte aus der afroamerikanischen Community, die das Gros der Bevölkerung der Stadt am Mississippi ausmachte. Seine Protagonisten porträtierte er in ihrer oft armen Umgebung. Aus deren Blicken in Withers Kamera spricht Vertrauen in den Mann am Auslöser, Würde und Stolz.

Auf der berühmten Beale Street zwischen den unzähligen Blues-, Jazz- und Rockmusikclubs befand sich Withers' Labor, das heute ein Fotomuseum ist, in dem sich auch das gigantische Archiv von 1,8 Millionen Negativen befindet.

Meilensteine im Kampf gegen die Rassendiskriminierung

Aus diesem Fundus sind seit Withers Tod 2007 nicht nur immer neue Ausstellungen entstanden, sondern auch Bildbände. Der neueste heißt "Revolution in Black and White – Photographs of the Civil Rights Era", zu Deutsch "Revolution in Schwarz-Weiß – Fotos der Bürgerrechts-Ära".
"Sie mögen es bloß für ein Buch halten, aber es ist weitaus mehr: Es ist ein Leben, eine Gemeinschaft und eine Geschichte", sagt Richard Cahan bei der Buchpräsentation in Memphis, der zusammen mit Michael Williams die Fotos ausgewählt hat. Die beiden konzentrierten sich ganz auf die 1950er- und 60er-Jahre und orientierten sich an den Meilensteinen des Kampfes gegen die Rassendiskriminierung.
Rosalind Withers, die Tochter des Fotografen und Chefin des Museums, mag ein Foto ihres Vaters ganz besonders gern: "Mein Lieblingsfoto von ihm ist auf der Rückseite des Buches. Eine schwarze Frau sitzt auf einem Schild, auf dem steht: 'Heute kein Zugang für Weiße im Zoo.' Das hat Kraft. Und das neueste, auch für mich unbekannte Bild ist der Mann im Baumwollfeld. Er steht dort wie ein Denkmal und verkörpert die ganze Baumwollgeschichte des Mississippi-Deltas."

Mühevolle Archivarbeit der Herausgeber

Fünf Jahre dauerte die Arbeit an dem Buch. Sie erforderte journalistischen Spürsinn, denn Ernest Withers war zwar ein besessener Fotograf, aber alles andere als ein professioneller Archivar.
"Ernest Withers dachte, er sei unsterblich. Er kannte die Personen und ihre Geschichten auf jedem seiner Negative. Deswegen vermerkte er bestenfalls ein paar Namen. Die größte Herausforderung bestand für uns darin, herauszufinden, wer die Personen sind und warum er sie in diesem Moment fotografiert hat. Dafür interviewten wir eine Menge Leute, lasen viel über die Bürgerrechtsgeschichte und gingen in die Archive der verschiedenen Zeitungen, für die er gearbeitet hat. Nur so konnten wir die Fotos aus den 1950er- und 60er-Jahren zuordnen", berichtet Cahan.

Ernest Withers Fotos lassen jene Jahre lebendig werden, in denen die entscheidenden Schlachten im Kampf gegen die Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung geschlagen wurden, die aber längst nicht ausgestanden sind. Dazu Cahan: "Withers machte ikonische Fotos. Er dokumentierte die Bürgerrechtsbewegung seit den frühen 1950er-Jahren, solange er lebte, und tat dies auf sehr schöne und moderne Weise."
"Wenn man wissen möchte, wie es war, wie es sich angefühlt hat, wie es ausgesehen hat, muss man sich die Fotos anschauen", erklärt der Fotojournalist Michael Williams, der mit Richard Cahan an dem Bildband gearbeitet hat. "Sie zeigen, woher wir gekommen sind und wo wir heute stehen. Diese Gewalt damals, das Leid, die Menschen, die dagegen protestierten."
Rosalind Withers (l) und Frances Williams blättern in einem Fotoband ihres Vaters Ernest Withers.
Rosalind Withers (l) und Frances Williams, die beiden Töchter des Fotografen Ernest Withers in seinem früheren Labor auf der Beale Street in Memphis.© Sabine Adler
Ein ganzes Kapitel erzählt den Mord des 14-jährigen Emmett Till, dem Bob Dylan ein Song widmete. Der schwarze Junge aus Chicago musste sterben, weil er mit einer weißen Verkäuferin geflirtet hatte. Die Gedenktafel in Sumner in Mississippi, die an dieses Verbrechen erinnert, haben erst vor wenigen Tagen weiße Rassisten unter Beschuss genommen und sich für diesen Vandalismus gefeiert.

Trauer um Tod von Martin Luther King

Ernest Withers ist 85 Jahre alt geworden, der besessene Fotograf kann die Kamera kaum aus der Hand gelegt haben, zumal er für die Fotos noch Rollfilme einspannen musste, die er dann in der Dunkelkammer entwickelt und von den Negativen auf Fotopapier projiziert hat. Hinter ihm stand ein ganzes Team, alle sieben Söhne, wenn er im Baseball-Stadion, in Theatern, Clubs und Kneipen das Leben einfing, das streng nach Rassen getrennt war.
Als Martin Luther King in Withers' Heimatstadt Memphis erschossen wurde, hatte er den ganzen Tag an dessen Seite verbracht. Dem Tod und der Trauer um den charismatischen Kämpfer gegen die Diskriminierung ist das letzte Kapitel gewidmet, es zeugt wie die anderen zuvor von der Kraft der Menschen, die sich auflehnen.

Revolution in Black and White - Photographs of the Civil Rights Era by Ernest C. Withers, CityFiles Press.

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