Der Fall Sayran Ateş

Von Annette Wilmes · 06.09.2006
Rechtsanwältin Seyran Ateş vertrat vor allem Mandantinnen mit türkischem Hintergrund in Scheidungsverfahren, aber auch vor dem Strafgericht, wenn sie als Opferzeugen ihre Aussagen machten. Jetzt gab sie ihre Zulassung als Rechtsanwältin zurück, weil nicht nur ihre Mandantinnen, sondern auch sie selbst immer wieder massiv attackiert wurde.
Jutta Wagner: " Seyran Ateş steht seit vielen, vielen Jahren unter einem ungeheuren Druck. Und ich kann gut verstehen, dass wenn man das Jahre lang durchlebt hat, dass man irgendwann dann denkt, man kann nicht mehr. "

Rechtsanwältin Jutta Wagner, Fachanwältin für Familienrecht, ist Präsidentin des Juristinnenbundes. Dass Druck auf Rechtsanwältinnen ausgeübt wird, übrigens nicht nur durch türkische Männer, ist für sie ein bekanntes Phänomen.

Jutta Wagner: " Das Familienrecht ist eben ein Bereich, der sehr emotional geprägt ist, wo Kränkungen, Verletzungen, Rachgefühle immer ne Rolle spielen, und so was führt immer mal wieder zu Bedrohungen und zu wirklichen Gefahren oder zu Übergriffen. "

Das eine so couragierte Frau wie Seyran Ateş aufgeben könnte, war für Jutta Wagner zunächst nicht nachvollziehbar.

" Ich habe sie kennen gelernt, als sie vor einigen Jahren den Berliner Frauenpreis erhalten hat. Da habe ich sie gebeten, bei einer unserer Veranstaltungen eine Rede zu halten. Das hat sie getan, obwohl sie damals schon hoch schwanger war, und kurze Zeit später hat sie ihre kleine Tochter bekommen, die ich auch kennen gelernt habe, und um die sie eben noch viel, viel mehr fürchtet, als für sich selbst. "

Dass Seyran Ateş am Ende ist, hat vielleicht auch damit zu tun, dass sie schon 1984, damals hatte sie gerade mit dem Jura-Studium begonnen, Opfer eines Attentats wurde, dass sie nur knapp überlebte. Sie arbeitete damals in einem Beratungsladen für türkische Frauen. Ein türkischer Muslim kam herein und schoss.

Und jetzt wird sie wieder bedroht. Gestern hatte sie ein Gespräch mit der Berliner Justizsenatorin Karin Schubert. Dass die Anwältin dringend eine Pause braucht, daran besteht für die Senatorin kein Zweifel. Aber ihre Arbeit als Rechtsanwältin sollte sie dennoch nicht aufgeben. Jetzt arbeitet die Senatorin gemeinsam mit der Präsidentin der Berliner Rechtsanwaltskammer und mit Jutta Wagner vom Juristinnenbund an einem Hilfsprogramm, das ihr ermöglichen soll, spätestens im nächsten Jahr wieder als Anwältin zu arbeiten.

Wagner: " Es wäre einfach ganz unglaublich, wenn es diesen mittelalterlichen Kräften gelingen sollte, eine so positive Figur, die so positive Signale auch in den Bereich der Migrantinnen schickt, mundtot zu machen und der praktisch die Berufstätigkeit zu verbieten oder unmöglich zu machen. "

Ein Gespräch zum Thema mit Ilknur Baysu, Mannheimer Rechtsanwältin für Familienrecht und Spezialistin für Ausländerrecht, können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Player hören.