Der ewige Ministrant

Von Petra Nicklis · 29.11.2008
Am 5. Dezember eines jeden Jahres wird der zahllosen Ehrenamtlichen gedacht, die unentgeltlich wo auch immer arbeiten. Sei es im Verein, in einer Selbsthilfegruppe oder auch im Rahmen von Kirche. Einer von ihnen ist Heribert Breidenbach. Der Leverkusener ist 81 Jahre alt und seit 71 Jahren als Messdiener tätig.
Ein Rollator steht neben dem anderen. Dahinter haben sich ältere Damen und Herren in der ersten Reihe der Hauskapelle niedergelassen. Weitere sitzen vereinzelt in anderen Reihen. Insgesamt vielleicht 20.

Heribert Breidenbach gestaltet an diesem Mittwoch - pünktlich um viertel vor vier - den Wortgottesdienst im Caritas-Wohn- und Pflegeheim. Ehrenamtlich. Als Laien-Priester sozusagen. Der rüstige ältere Herr ist ganz in seinem Element, wenn er den Gottesdienst zelebriert. Alles läuft wie am Schnürchen.

"Ich habe nicht Theologie studiert. Ich habe wohl Seminare und Kurse mitgemacht über Sakramentenlehre, Liturgie und so weiter. Aber an sich bin ich ein Naturtalent! Sagen wir es mal so."

Ein wenig Ironie mag mitschwingen, wenn er das so sagt. Doch weiß er auch genau, dass er seine Sache gut macht.

"Eigentlich, wenn ich zurückdenke, fängt die Karriere, das ist ein unschönes Wort, in meiner Kindheit an. 1936 bin ich zur Kommunion gegangen, danach hat meine Mutter mich sofort bei den Messdienern angemeldet. Ich war noch nicht lange dabei, da musste ich mal bei dem 40-stündigen Gebet dienen. Da kam der Kaplan an und sagte, Heribert, du musst die Betstunde alleine aushalten ich bin zu einem Sterbenden gerufen worden. Aber du machst das schon."

Und das hat Heribert Breidenbach dann auch gemacht. Und nicht nur das: bis heute ist er Messdiener geblieben und feiert darüber hinaus regelmäßig selbst Gottesdienste im Caritas Wohnhaus Upladin.

Nach dem Wortgottesdienst geht’s für Breidenbach weiter auf die Station mit den Demenzkranken. In einem Raum haben sich heute zwölf Patienten versammelt, um den Gottesdienst auf einem Bildschirm zu verfolgen. Jetzt warten sie auf ihn.

"Ihr habt ja schon alle den Gottesdienst verfolgt wie ich sehe. - Wollen Sie die Kommunion?"

Wenn er auf der Demenzstation fertig ist, teilt Breidenbach dann noch die Hostien auf den einzelnen Krankenzimmern aus. Gegen 18:00 Uhr ist er dann normalerweise fertig.

Im Haus Upladin arbeiten Rund 220 Festangestellte – Teilzeit- und Ganztagskräfte. Dazu kommen rund 70 ehrenamtliche Helfer. Vom Schüler bis zum Senior. Sie begleiten die Bewohner auf Ausflügen, bieten Meditationen an und vervollständigen das seelsorgerische Angebot. Sie sind gern gesehene Arbeitskräfte und kosten nichts. Wie wichtig seine Ehrenamtlichen sind, das weiß auch Wolfgang Pauls von der Wohnhausleitung.

"Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen wäre ein ganzes Stück Lebensqualität für die Bewohner nicht erfahrbar."

Maßgeblich trägt auch Heribert Breidenbach dazu bei. Unter anderem zelebriert er selbst die Messe jede zweite Woche im Wechsel mit einem katholischen Priester.

"Wenn man berücksichtigt, dass dieses Haus im kommenden Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert, und der Herr Breidenbach davon schon 23 Jahre hier aktiv ist, dann kann man mit Fug und Recht sagen, er gilt schon hier als einer der Dinosaurier. Das meine ich sehr wertschätzend. Denn dieses Haus lebt ja auch von der Verbundenheit der ehrenamtlichen Mitarbeiter."

Und Breidenbach ist eine ganz treue Seele. Sein Ehrenamt ist für ihn wohl auch eine Berufung.

"Damals, das war 1985 bin ich in den Vorruhestand gegangen. Ich war bei Bayer in der Ingenieurverwaltung tätig. Und ich bin heute pensioniert worden, und am anderen Tag da standen sie direkt bei mir vor der Türe mit dem Auftrag, Seelsorge hier im Haus Upladin auszuüben. Da sind jetzt 23 Jahre draus geworden. Ich weiß auch nicht, wo die Zeit geblieben ist."

Der 81-Jährige ist auch in der Sterbebegleitung aktiv. Wenn es sein muss, kommt er nachts ins Haus Upladin und hält die Hand des Sterbenden. Er teilt die Kommunion aus, betet, schweigt oder singt ein Lied. Alles das, was ein Priester auch machen würde. – Fast!

"Was mir vor allen Dingen fehlt: Wenn man am Bett eines Sterbenden sitzt, man möchte ihm etwas Gutes außer der heiligen Kommunion noch zukommen lassen. Und zwar die Krankensalbung. Aber die Krankensalbung ist ja mit dem Bußsakrament gekoppelt und das darf nur der Priester ausüben diese Tätigkeit. Aber es ist Schade, dass das nicht auch eine Laie darf!"

Seit 52 Jahren ist Breidenbach verheiratet und Vater von vier Kindern. Als junger Mann hat er schon ein wenig mit dem Priesteramt geliebäugelt. Doch zölibatär zu leben, kam für ihn nicht in Frage. Dann lernte er seine Frau kennen. Sie unterstützt ihren Mann, wo sie kann. Die 77-Jährige hält sogar eigene Andachten und kümmert sich wie ihr Mann ebenfalls um Sterbende.

"Wenn man Menschen in den Tod hinein begleitet, dann wächst auch der eigene Glaube. Das habe ich immer wieder erfahren. Ich denke auch über meinen Tod nach. Aber ich bin so eine Natur, ich sage meistens, wenn ich darauf angesprochen werden: och, dass will ich dem Herrgott überlassen."

Heribert Breidenbachs Ehrenamt als Seelsorger ist sein zweites Leben. Es hat sich nahtlos an sein erstes Leben als technischer Angestellter beim Chemiekonzern Bayer angeschlossen. Ohne Pause, gleich weiter.

"Wenn ich mal wegen meines Alters, ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste, wegen meines Alters mal nicht mehr könnte, ich könnt’ mich nur schwer trennen hier."