Der diskrete Charme des Nachbarn

Von Burkhard Birke · 05.01.2013
Der Elysée-Vertrag ist der erste ernst gemeinte, von beiden Seiten gewollte Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich in der Geschichte beider Länder. Sein Abschluss war nur möglich, weil sich beide Länder nach dem II. Weltkrieg gegenseitig brauchten: Frankreich brauchte Deutschland, um wieder groß zu werden, die Bundesrepublik brauchte Frankreich, um klein bleiben zu können.
Seit Abschluss des Vertrags wurden nicht nur die politischen Beziehungen neu geordnet und durch eine wachsende Zahl von Institutionen auf allen Ebenen intensiviert, von den regelmäßigen Regierungskonsultationen über gemeinsame Wirtschaftsprojekte, das Deutsch-Französische Jugendwerk, den Wissenschaftsaustausch bis hin zu zahllosen funktionierenden Städtepartnerschaften.

Wohl in keinem Bereich ist der Austausch der Ideen, Personen und Projekte so intensiv wie in den Kulturbeziehungen. Jahrhundertelang waren sie aber auch mit einer eigentümlichen Hassliebe getränkt: Bewunderung für die kulturellen Stärken des Nachbarn und nahezu unwiderstehliche Anziehung von den Eigenschaften des Anderen bei gleichzeitiger Verleugnung und tiefer Ablehnung von Land und Leuten auf der jeweiligen anderen Seite des Rheins. Mit dem Elysée-Vertrag setzte eine allmähliche Entkrampfung ein: In Deutschland fand man die Musik aus Frankreich nicht mehr süßlich, die Malerei nicht mehr dekadent, die Proust-Lektüre wurde zum Nachweis literarischer Bildung, die Nouvelle Vague inspirierte den Jungen Deutschen Film, der Trend der Pariser Mode schlich sich in die deutsche Damenkonfektion ein, in deutschen Zeitungen wurde erst zurückhaltend über französische Küche berichtet, bald gehörte Kennerschaft der Grands Crus zur bürgerlichen Bildung, wie sich überhaupt der deutsche Bürger gern als Bon Vivant darzustellen begann.

Gesprächspartner dieser Langen Nacht im Berliner Centre Marc Bloch sind Nathalie von Bernstorff, Medienbeauftragte der französischen Botschaft, die Publizistin Pascale Hugues, der Filmregisseur Volker Schlöndorff, der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant und der Romanist Markus Messling. Das junge Duo "Brigitte" knüpft sehr modern, sehr vergnügt und seufzend zugleich an beste französische Chansontraditionen an und begleitet live diese Lange Nacht.


Weitere Beiträge zum Jubiläum finden Sie auf unserer Themenseite zu 50 Jahre Élysée-Vertrag.

Deutsch-französisches Forschungszentrum für Sozialwissenschaften

Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer beschlossen die deutsche und die französische Regierung, ein deutsch-französisches Forschungszentrum für Sozialwissenschaften ins Leben zu rufen, das auch zu anderen europäischen Ländern hin geöffnet sein sollte. Gegründet am 9. Oktober 1992 und offiziell eröffnet am 8. September 1994, erhielt es den Namen des französischen Historikers Marc Bloch (1886-1944). Erster Direktor war der Historiker Etienne François (1992-1999), gefolgt von der Philosophin Catherine Colliot-Thélène (2000-2005) und der Politologin Pascale Laborier (2005-2010). Zurzeit wird das Centre Marc Bloch von dem Historiker Patrice Veit geleitet.

Nathalie von Bernstorff - Das Bureau du cinéma der Kulturabteilung der französischen Botschaft in Berlin arbeitet in Kooperation mit den anderen Instituts français und unterstützt Veranstaltungen in Deutschland, die französisches oder frankophones Kino zeigen wollen. Ziel ist es, Einblick in das Schaffen des französischen und frankophonen Films zu geben und dessen zahlreiche Autoren bekannt zu machen.

Pascale Hugues ist eine französische Journalistin und Schriftstellerin.

Volker Schlöndorff ist wohl einer der bedeutendsten und international erfolgreichsten deutschen Regisseure. Er besitzt eine ausgeprägte Vorliebe für Verfilmungen deutscher und internationaler Literaturklassiker.
Volker Schlöndorff auf Wikipedia

Prof. Dr. Jürgen Trabant, Freie Universität Berlin
Institut für Romanische Philologie
Jürgen Trabant auf Wikipedia

Markus Messling lehrt Romanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Potsdam und ist Leiter der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe "Philologie und Rassismus im 19. Jahrhundert" (Deutsche Forschungsgemeinschaft).

Das Duo Brigitte gehört in Frankreich zu den erfolgreichsten Newcomern und wurde auch schon in der DLF-Sendung "Corso" vorgestellt.