Filmkritiker über erschreckende Bildkulturen

"Macht ist immer auch aggressiv"

James Bond-Darsteller Roger Moore mit seinen Filmpartnerinnen Maud Adams (l.) und Britt Eklund (r.) in dem Film "Der Mann mit dem goldenen Colt"
James Bond-Darsteller Roger Moore mit seinen Filmpartnerinnen Maud Adams (l.) und Britt Eklund. © dpa / picture alliance
Torsten Körner im Gespräch mit Liane von Billerbeck und Hans-Joachim Wiese · 04.01.2018
Erstmals im Lauf der #MeToo-Debatte ist einem deutschen Filmemacher vorgeworfen worden, sexuell übergriffig gewesen zu sein. Unabhängig von der Frage, was am Set geschah: Müssen wir Filme wie "James Bond" anders betrachten?
Viele sind empört, wenn gegen einen Star aus der Filmbranche Vorwürfe von sexuellen Übergriffen erhoben werden, aber wenn James Bond im Bademantel junge, hübsche russische Agentinnen "rumkriegt" – dann schauen viele das ganz gerne an und halten Agent 007 eher für einen tollen Hecht. Wie passt das zusammen?
Der Medien- und Filmkritiker Torsten Körner ist dafür, den Blick auch über den Einzelfall hinaus schweifen zu lassen und auch über Bildkulturen und Bilder des Missbrauchs zu sprechen:

Mal kurz an die Wand gepresst, an die Gurgel gefasst

"Als die #MeToo-Debatte in Amerika aufbrach, habe ich zufällig alte James Bond-Filme geguckt, weil ich mich gerade mit dem Mann, mit dem Filmtypus beschäftigte. Und ich war erschreckt, welche Gewalt da in den Filmen gegen Frauen ausgeübt wurde: Da war es nichts, dass die Frau mal kurz an die Wand gepresst wurde, dass sie an die Gurgel gefasst wurde; dann wurde sie geküsst und die ganze Gewalt war dispensiert, die war auf einmal aus dem Raum, und die Frau schmolz in den Armen dahin.
Das heißt: Wir sollten eine gewisse Sensibilität im Hinblick auf solche Bildwelten entwickeln. Das heißt nicht, dass wir einen diktatorischen oder tyrannischen Zugriff auf diese Bildwelten entwickeln sollten und sie zensieren sollten. Das würde nicht weiterführen."
Es gehe zum Beispiel auch um Redewendungen wie "Die Waffen einer Frau" oder "Macht ist sexy":
"Ich würde sagen: Nein, Macht ist nicht sexy – das haben wir im Fall Wedel oder bei vielen anderen Fällen in der Filmbranche in Hollywood gesehen – Macht ist immer auch aggressiv und Macht birgt die Möglichkeit des Missbrauchs. Das sollte man bedenken. Wir müssen, glaube ich, die Zuschauer sensibler machen für bestimmte Missbrauchsbilder – und Missbrauch findet auch in Bildern statt. Und darauf kann man einen mündigen Zuschauer, glaube ich, auch aufmerksam machen. Man braucht solche Bilder nicht verbieten."

Fragezeichen für Bildkulturen

Dem Zuschauer müssten deswegen alte Filme nicht vorenthalten werden, sagt Körner weiter.
"Wir müssen retrospektiv Bildkulturen befragen und sie mit Fragezeichen versehen und daraus Schlüsse im Hinblick auf den heutigen James Bond beispielweise entwickeln."
Der heutige James Bond sei ja einerseits brutaler als jeder andere zuvor, im Hinblick auf Frauen aber durchaus sensibler und gebrochener als früher. Das sei einer, der erstmals auch geweint habe, als er eine Frau verloren habe.
"Das ist schon ein interessanterer Typ, was das Geschlechterverhältnis angeht. Keine Zensur nach hinten, das wäre eine Form von Stalinismus, finde ich. Das geht überhaupt nicht. Aufklärung ist das Motto. Und das muss auch im Hinblick auf die Geschlechterordnung, auf Machtverhältnisse wichtig sein."

Machtstrukturen in der Branche

Dazu sei auch ein Blick auf die Branche wichtig: 80 Prozent der Film, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt würden, würden von Männern gemacht. Bei den Intendanzen an deutschen Theater sehe es ähnlich aus, so Körner.
"Wir müssen über die Strukturen, die solche Art von sexueller Gewalt ermöglichen, nachdenken und mehr Frauen auf die wichtigen Stühle bringen. Das ist wichtig."
(mf)
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