Der Blick prallt an der Oberfläche ab

Von Carsten Probst · 12.11.2010
Zunächst malte er unbelebte Hausfassaden, steinerne Reihenbalkons, vernebelte Frontscheiben von Autos: Mit einer Ausstellung in Dresden kehrt Eberhard Havekost, Ende der 90er-Jahre einer der ostdeutschen Stars der Malerei, zu seinen Wurzeln zurück.
Eigentlich lässt sich die malerische Methode Eberhard Havekosts mit wenigen Worten zusammenfassen:

"Ich hab nen Computer zuhause, wo ich Bilder sammle in einer ähnlichen Form wie die Bilder, die jetzt gerade gemacht werden, und dann such ich ein Bild, was mich emotional berührt, aus und versuche das in eine (...) noch interessantere physische Präsenz zu bringen, also über den Prozess Malerei."

Und ansonsten gilt:

"Mir ist es an und für sich auch ziemlich peinlich, jetzt hier zu sitzen und so (...) eine wunderbare Ausstellung nochmal zusätzlich verbal zu legitimieren."

Havekost ist, obwohl Jahrgang 67, ein Maler alter Schule. Medienmoderne, Popkultur, das alles war immer wieder Thema in seinen Bildern, aber stets aus der Perspektive einer quasi wissenschaftlichen Untersuchung mit den Mitteln der Malerei. Eigentlich glaubt er, dass seine Bilder für sich sprechen und alles andere nur stört. Emphatisch und zugeknöpft zugleich daher der Titel seiner Ausstellung, mit der er zu seinen Wurzeln, der Dresdner Kunsthochschule, wo er in der ersten Hälfte der 90er-Jahre studiert hat, zurückkehrt. Die Ausstellung heißt: Ausstellung.

Ende der 90er-Jahre, als Eberhard Havekost zusammen mit dem Leipziger Neo Rauch und dem Dresdener Thomas Scheibitz so plötzlich zum neuen Superstar der ostdeutschen Malerei-Szene erkoren wurde, schien es fast, als ob sich seine Bilder vor den Blicken der Öffentlichkeit verbergen wollten. Während sich Neo Rauch seither im farbstrotzend-historisierenden Großmalergestus gefällt und Scheibitz seine Bilder immer stärker zu skulpturalen Objekten werden lässt, verschanzt sich der scheue Havekost hinter scheinbar undurchdringlichen Oberflächen: Zunächst malte er unbelebte Hausfassaden, steinerne Reihenbalkons, vernebelte Frontscheiben von Autos.

Malerische Klarheit mit einem leicht verzerrenden Sfumato-Effekt verlieh seinen Bildern etwas Flirrendes – als sei gerade nur ein laufender Film angehalten worden, keine statische Bildfläche mehr, sondern ein flüchtiger Punkt, der sich gleich wieder im Bildnirvana der "magischen Kanäle" verflüchtigen könnte. Havekost neigt zur malerischen Untertreibung, er will die fadenscheinige Renaissance der Malerei spürbar nicht mitmachen, und seine Gemälde, so sagt er, möchte er zunächst auch gar nicht als Malerei betrachtet wissen, sondern neutral, Bilder eben, Bilder wie alle anderen Bilder:

"Es sind mittlerweile ausschließlich Fotos, die ich selber mache. Wenn ich zum Beispiel ein Zeitungsfoto hab, was mich interessiert, dann fotografier ich die Zeitung (...), um das für mich auch deutlicher zu haben, (...) dass sich schon beim Fotografieren die physische Präsenz der Zeitung auflöst. Und dass ich dann eine Legitimation hab, sozusagen, das erneut in eine physische Präsenz zu bringen."

Mittlerweile hat er seine Themenpalette erweitert. Nach den Fassaden der Häuser und den unzugänglichen Autokarossen kamen ihm mehr und mehr Modegesichter in den Blick, dann flüchtige Alltagsszenen, die wie fotografische Schnappschüsse wirken, schließlich Ruinen oder Müllhalden und Ausschnitte aus Stadtlandschaften. Inzwischen spielt er mit der Herauslösung von Momenten und Details, Wandstücken, Papierfetzen, verschwommenen Farbsubstraten, die wie Landschaften oder psychedelische Illusionen wirken. Überall jedoch schlägt dasselbe Prinzip hindurch, dass der Blick an der Oberfläche abprallt und Sinnkonstruktionen wenig Chancen haben. Mancher nennt sie deshalb auch beliebig.

Als gebürtiger Dresdner kann einer mit einem solchen Verfahren dem Vergleich mit Gerhard Richters Fotorealismus kaum entgehen. Worauf auch der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Martin Roth anspielt, als er Havekost direkt anspricht:

"Ich weiß, dass viele Kollegen, andere Weltstars, die deutlich älter sind als du, riesengroße Schwierigkeiten haben, in diese Urmutter Dresden zurückzukommen und hier zu stehen. Dass Du das schaffst, ich weiß: mit ner gewissen Anstrengung, dich der Situation zu stellen, das bewunder ich (...)"

Neben der digitalen Verfremdung seines Ausgangsmaterial unterscheidet sich Havekost vor allem durch seinen intellektuellen Ansatz, der ungleich kühler, weniger pathosgetränkt und auch weniger unmittelbar autobiographisch motiviert erscheint als derjenige Richters. Die Photoshop-Malerei, die Verwendung elektronischer Medienbilder als Ausgangsmaterial, ist nun inzwischen selbst deutlich in die Jahre gekommen. Wer genau hinsieht, stellt fest, dass Havekost seine gemalten Oberflächen durch seine zurückhaltende Farbverwendung ein wenig auflöst.

So entstehen "Denk-Räume", die auf winzigste, oft nur unbewusst erlebte Augenblicke zielen. Das Nichtwahrgenommene des Alltäglichen dringt so subtil stofflich über die psychologische Hintertür doch in das Bewusstsein ein und zieht den Betrachter nach und nach in einen unbekannten Raum der eigenen Bilderfindung hinter den Bildern.

Informationen zur "Ausstellung" von Eberhard Havekost in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden