"Der Beifall hatte nach jedem Akt Berlinische Heftigkeit"

Von Wolfgang Schreiber · 26.01.2011
Heute vor 100 Jahren wurde in Dresden "Der Rosenkavalier" von Richard Strauss zum ersten Mal aufgeführt. Die Oper auf das Libretto Hugo von Hofmannsthals, von Anfang an ein durchschlagender Erfolg, ist das populärste Musiktheaterwerk des Komponisten geblieben.
Vorspiel zur Komödie mit Musik "Der Rosenkavalier", auf Schellackplatten eingespielt 1926 in London. Dirigent: der Komponist selbst, Richard Strauss. Die Aufnahme entstand für das Arrangement einer Filmfassung der Oper - anderthalb Jahrzehnte nach der Dresdner Uraufführung am 26. Januar 1911.

Der 47 Jahre alte Münchner Richard Strauss bekleidete 1911 das Amt des Preußischen Hofkapellmeisters zu Berlin. Den Triumph und beispiellosen Nachruhm des "Rosenkavalier" haben manche sicher vorausgeahnt in der überdrehten Musik- und Reichshauptstadt, drei Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Rosenkavalier-Sonderzug beförderte damals die Strauss-Gemeinde Berlins vom Anhalter Bahnhof bis nach Dresden, um ihr das denkwürdige Opernerlebnis zu ermöglichen. Und im Berliner Tageblatt erschien darüber eine Reportage.

"Nach der Ankunft in Dresden blieb genau eine Stunde Zeit bis zum Beginn der Vorstellung. Bei der nicht sehr großen Entfernung zwischen Hauptbahnhof und Opernhaus genügte dieser Zwischenraum immerhin, um den äußeren und inneren Menschen ein wenig zu restaurieren. Dann sah man im Theater all seine Coupégenossen wieder .... Man mühte sich, in diese seltsame musikalische Welt einzudringen, und fühlte rasch ..., dass hier ein großer Künstler in seiner Weise sich äußerte."

Der Dresdner "Rosenkavalier" (man hörte es damals mit Erleichterung) war kein Fanal der schon aufbegehrenden Avantgarde eines Schönberg, Skrjabin oder Bartók, sondern viel mehr ein ästhetischer Rückschritt: Richard Strauss hatte sich mit "Salome", mit "Elektra" so weit vorgewagt in die dissonanten Abenteuer der Moderne, dass eine Fortsetzung der Reise ins musikalische Neuland nicht ratsam schien: für ihn, der kein radikaler Neutöner war. Und die Zusammenarbeit mit dem Wiener Intellektuellen, Dichter und Librettisten Hugo von Hofmannsthal bestärkte die Absicht, mit diesem "Rosenkavalier" nostalgisch und intelligent die ferne "gute alte Zeit" zu feiern - das Wien des 18. Jahrhunderts zur Zeit Kaiserin Maria Theresias. Die folgende historische Aufnahme stammt von 1912, den Monolog der Marschallin sang die Künstlerin der Uraufführung, Margarethe Siems, in den Trichter.

"Der Beifall hatte nach jedem Akt Berlinische Heftigkeit und Nachdrücklichkeit. Und doch konnte man nicht sagen, dass die etwa 400 Berliner Sonderzügler dem Hause das Gepräge gegeben hatten. Der weite mit seinen vier Rängen hoch emporsteigende Zuschauerraum des Dresdner Opernhauses, der voll besetzt war, fasst doch soviel Personen, dass er selbst eine Berliner Invasion vollständig einzuschlucken vermag."

Bis heute dauert die Invasion weltweit an, die Faszination des "Rosenkavalier", dieser wehmütigen Geschichte um eine Grande Dame des Wiener Adels, die sich in einen blutjungen Bengel verliebt hat und ihren grobschlächtigen Vetter Ochs zur Raison bringen muss – um am Ende auf die Liebe verzichten zu müssen. Alles ist eingebettet in eine Musik, die bis heute nichts von ihrer Kraft und Schönheit verloren hat.