Der bayerische Venezianer

Von Holger Hettinger · 07.06.2010
Der berühmteste Opernkomponist Italiens stammt aus Ingolstadt: Johann Simon Mayr benannte sich bei seiner Übersiedlung nach Italien in "Giovanni Simone Mayr" um, war Lehrer Donizettis und Vorbild unzähliger italienischer Komponisten. Seine Oper "Medea in Corinto" wird gerade in München aufgeführt.
Am Ende war er dann doch nicht italienisch genug: Johann Simon Mayr hatte zwar 1787 mit seiner Übersiedlung nach Italien seinen Vornamen geändert und als "Giovanni Simone Mayr" seinen Posten als Maestro di Capella an Santa Maria Maggiore von Bergamo angetreten, die italienische Belcanto-Praxis mit den Orchesterfinessen der deutschen Frühromantik vermählt, Donizetti und Rossini entscheidend in ihrer Entwicklung beeinflusst, doch den berechtigten Titel "Vater der italienischen Oper" hat ihm die Nachwelt denn doch vorenthalten. Es wäre im national hochgestimmten Klima der italienischen Unabhängigkeitskriege eine unerwünschte Vorstellung gewesen, dass ausgerechnet ein deutscher Musik-Gastarbeiter eine der wichtigsten italienischen Kulturformen entwickelt haben könnte.

So bleibt denn das Lob seiner Schüler, Nachahmer und Impulsnehmer. Gioacchino Rossini etwa lobte: "Die Komponisten unserer Tage sollen die Opern unseres Papa Mayr studieren, und sie werden darin alles finden, was sie suchen und was ihnen von Nutzen ist". Rossini selbst fand in Mayrs Opern jene fulminaten Steigerungen und irrwitzigen Tempoverschärfungen, auf denen der Effekt von Rossinis Finalwirkungen gründet – das Ende des 1. Aktes von Rossinis "Italienierin in Algier" wäre ohne die Vorarbeit eines Johann Simon Mayr undenkbar gewesen.

Selbst bis nach Deutschland reichte der Ruhm des gebürtigen Ingolstädters: 1818 schrieb Johann Wolfgang von Goethe in einem Brief, wie eine Oper "des alten Mayr von Bergamo" derart eingeschlagen habe, dass Zuhörer "aus einer Entfernung von 50 Meilen" an die Mailänder Scala gepilgert seien.

60 Opern und rund 600 Kammermusikwerke hat Mayr hinterlassen. Von Zeit zu Zeit hat man das Glück, dass eine dieser Kompositionen der Vergessenheit entrissen wird. Mayrs "Medea", 1813 für die Oper von Neapel entstanden, ist charakteristisch für Mayrs Stil jener Jahre: Feiner, transparenter, hocheleganter Orchestersatz trifft auf melodiensatte Vokalgestaltung und auf eine raffinierte musikalische Charakterisierung der Akteure.