Der Anarcho-Clown

Von Julia Macher · 19.07.2005
Leo Bassi entstammt einer italienisch-französischen Artistenfamilie. Da der Zirkus tot sei, habe er etwas Neues erfinden müssen. Nun bietet er eine Tour mit dem "Bassibus" durch die Metropolen Barcelona und Madrid an, die er zur Beschimpfung von Politikern und Unternehmern nutzt.
Leo Bassi trägt eine dicke Hornbrille und einen billigen Zweiteiler. Wie der untersetzte Mann so etwas verloren durch die Straßen der Metropole schlendert, könnte man ihn für einen harmlosen Staubsaugervertreter halten. Doch das ist alles nur Tarnung. Denn dann stellt sich Leo Bassi auf eine Mülltonne und schreit. Ein Schrei gegen den urbanen Schick - das Eröffnungsfanal der Bassibus-Tour Barcelona.

Leo Bassi: " Das ist keine normale Show. Ich nehme die Menschen mit an den Ort des Geschehens. Sie sollen sehen, wie die Welt wirklich aussieht, überrascht und erregt werden. Das ist die Funktion von Theater."

Zwar weiß sein Publikum in der Regel über den Zustand der Welt Bescheid. Unterhaltsam ist es trotzdem, alles noch einmal vorgeführt zu bekommen. Und so fährt der Bus als erstes zum Forum, jenem gigantisch gescheiterten Vorzeigeprojekt der Stadt. Der millionenteure öffentliche Platz ist menschenleer. Leo Bassi hebt an zu einer wüsten Schimpftirade über ignorante Architekten und verblendete Lokalpolitiker. Zur Untermauerung seiner Thesen folgt dann ein Abstecher ins benachbarte Elendsviertel La Mina, wo zwischen verrosteten Kühlschränken ein paar Gitanos-Kinder Fußball spielen. Zwischendurch klärt der Tourleiter mit Hilfe eines überdimensionalen Kartenspiels über die quasimafiösen Verbindungen zwischen den Reichen und Mächtigen der Stadt auf.

Leo Bassi: " Es tut einer Gesellschaft nicht gut, wenn die Komiker auf der Seite der Macht stehen. Clowns müssen aber Widerstand leisten. Mein Beruf ist es, über die Mächtigen zu lachen, über diese Ignoranten, die uns in ihren Händen halten. "

Leo Bassi ist ein gnadenloser Populist. Sein Humor funktioniert nach dem Prinzip: Steckt die da oben alle in einen Sack und haut drauf – ihr trefft schon die richtigen. Der kraftmeiernde Anarchoclown arbeitet gern mit brachialer Gewalt. In seinen Shows traktiert er Coladosen mit dem Vorschlaghammer. Schneidet seinen Zuschauern ungefragt Adidasaufnäher aus dem Hemd. Und steht auf der Bassi-Tour zufällig ein Auto im Weg, hievt der bullige Clown es eben einfach auf den Bürgersteig.

Leo Bassi: " Das war sehr symbolisch eben. Ich will ein echter Mensch sein, eine konkrete Person. Kunst, die nur an geschützten Orten stattfindet, schätze ich überhaupt nicht. Für mich ist ein Künstler jemand, der auf der Straße arbeitet und weder Angst vor einer Konfrontation mit der Macht noch vor einer mit einem falsch geparkten Auto hat. Ich habe keine Angst vor körperlicher Anstrengung, das ist schließlich die Welt, aus der ich stamme. "

Geboren in einer italienisch-französischen Zirkusfamilie tingelte er als Artist zehn Jahre durch die Welt. Ließ sich dann in Spanien nieder und arbeitete ein paar Jahre lang fürs Fernsehen. Bis sein anarchistischer Freiheitsdrang wieder Überhand nahm.

" Zirkus ist tot. Seine Zeit ist leider definitiv vorbei. Um den Zirkusgeist zu erhalten, musste ich etwas Neues erfinden. "

So etwas wie Polittheater für jedermann. Leo Bassi ist eine Kreuzung aus Don Qujote und selbsternanntem Robin Hood. Die Enterbten und Entrechteten, für die er kämpft, sind Menschen wie Pep, dessen Finca einem Einkaufscenter weichen sollte.

" Der Herr Unternehmer wollte mich rausschmeißen, aber er hat es nicht geschafft, und jetzt ist er böse auf mich. Weil ich mich mit einer der größten multinationalen Firmen angelegt habe. "

Bassi liebt solche Menschen. Ihre Geschichten sind sein Kapital und werden deswegen gewinnbringend in die Show eingebaut. Als Gegenleistung vollführt Leo dann – Pep zu Ehren – eine zirkusreife Jonglagenummer und wirbelt auf dem Boden liegend mit den Füßen fünf Volleybälle durch die Luft.

Das ist der wahre Leo Bassi, keucht der Mitfünfziger, damit kann ich immer mein Geld verdienen – deswegen können mir die Mächtigen der Welt nichts anhaben.
Dann bricht er erschöpft in Tränen aus. Genau zwei Sekunden lang. Ein Moment der Wahrhaftigkeit. Denn was Leo Bassi betreibt, ist nichts anderes als Karthasis in Endlosschlaufe. Für sich und sein Publikum.

Folgerichtig zieht die Reisegruppe weiter zum Haus des Bösen, zur Luxusvilla des Unternehmers Sanahuja. Dort darf Pep, eskortiert von der Menge, mit Klebeband den Gehsteig vor den hohen Mauern absperren und ein Enteignungsschild in den Boden rammen. Um den Bösen einzuschüchtern - dann ein kollektiver Schrei.

Geläutert und befreit trottet die Menge zum Bus zurück, Pep humpelt in sein verfallenes Haus und - Leo Bassi rast zum Flughafen. Zur nächsten Vorstellung.

Service:

Eine Zeitschrift hat ihn kürzlich zum "gefährlichsten Clown” der Welt ausgerufen.
Leo Bassi ist der preisgekrönte Star der Independentszene. In seinen Spektakeln wie zuletzt La Vendetta (Herbst 2004) agitierte er gegen us-amerikanischen Kulturimperialismus und Turbokapitalismus. Für seine Wahlheimat Spanien hat er den Polittourismus erfunden. Der "Bassibus" fährt durch die "übelsten Ecken der Metropolen Madrid und Barcelonas, fernab der üblichen Sehenswürdigkeiten. Julia Macher hat ihn während einer Tour in Barcelona getroffen.