Der alte Mann und die Abstimmung

Von Thilo Schmidt · 11.09.2008
Der Streit um das nach dem Kriegsverbrecher Friedrich Flick benannten Gymnasiums in Kreuztal eskaliert. Die Kontroverse, ausgelöst zum einen durch eine Initiative ehemaliger Schüler, die eine Umbenennung fordern und zum anderen durch einen Länderreport im April 2008, beschäftigte monatelang die überregionalen Medien.
Daraufhin kündigte der Bürgermeister an, im Rat der Stadt über den Namen abstimmen zu lassen. Es wird eine Abstimmung mit ungewissem Ausgang: Die bürgerliche Ratsmehrheit war bislang für die Namensgebung und verweigerte jede Diskussion darüber, und auch der Schulleiter hielt an Friedrich Flick fest und erteilte Fernsehteams Drehverbot in der Schule. Nie war Kreuztal öffentlicher, der Druck von außen ist enorm. Aber auch in der Stadt nimmt er zu: Viele Schüler und auch Lehrer gehen auf Distanz zu Friedrich Flick. Wird sich die Abstimmung in Kreuztal gegen den "großen Sohn der Stadt" wenden?

Geyer-Synonie: "Er stiftete das Friedrich-Flick-Gymnasium / dem Altenheim Salem stiftete er eine Million / den Nazis 7,65 Millionen / er spendete eine Kirchenorgel für Kreuztal / Himmler holte sich persönlich bei ihm die Wahlspende ab / Er schenkte dem örtlichen Museum ein Rubensbild / und Goebbels zum Geburtstag auch einmal ein Gemälde / Er spendete Hitler durch seine Anwälte das Arisierungsgesetz / er zeigte sich sogar Künstlern gegenüber großzügig / … und an der Börse nannte man ihn den Geier …"

Umfrage: "Normals is dat n uralter Name. Und warum soll man dat umbenennen?"
"Flick war ein Kriegsverbrecher …"
"Ne, ne, ne, dat kann man net sagen! Der Flick ist n Kreuztaler gewesen."
"Und deshalb war er kein Kriegsverbrecher?"
Würd ich net … Is mir unbekannt …"

Eigentlich wollte der Kreuztaler Stadtrat heute darüber abstimmen, ob das nach dem Kriegsverbrecher und Rüstungsindustriellen Friedrich Flick benannte Gymnasium umbenannt wird. Der hatte Ende der Sechziger drei Millionen Mark für den Bau der Schule gestiftet.
Und dann tauchen in einem Kreuztaler Keller alte Akten auf.
Und dann kommt ein von der Stadt bestelltes Gutachten zu dem Schluss, dass die Flick-Erben nach einer Umbenennung die drei Millionen D-Mark zurückfordern könnten.
Der Rat vertagt die Abstimmung auf November, und der Bürgermeister versucht, mit Flicks Enkeln in Kontakt zu treten.
Das Gutachten geht auf eine Anfrage der Grünen zurück, die wissen wollten, ob bei einer Umbenennung Geld an die Flicks zurückgezahlt werden müsste. Fraktionssprecherin Anke Hoppe-Hoffmann …

Hoppe-Hoffmann: "Oft wird jetzt vermutet, dass die Grünen die Forderung nach einer Umbenennung von irgendwelchen finanziellen Erwägungen abhängig machen würden. Das ist natürlich nicht so. Sondern wir haben gesagt, es fällt vielleicht den anderen, die noch unentschlossen waren, leichter, wenn zumindest das ausgeschlossen wäre. Wir sind davon ausgegangen, dass es auszuschließen ist, wir gehen auch nach wie vor noch davon aus, weil wir uns überhaupt nicht vorstellen können, dass Erben von Friedrich Flick da jetzt noch Ansprüche geltend machen würden."

Schon das Gutachten, erstellt von einem Siegener Fachanwalt für Stiftungsrecht, wirft einige Fragen auf. So gab es keine Vereinbarung zwischen Stadt und Schule, nach der die Spenden für den Bau des Gymnasiums 1969 an eine Namensgebung gekoppelt sind. Dennoch seien Rückforderungen möglich: Wegen der ständigen Beteuerung des damaligen Bürgermeisters gegenüber den Stiftern, das Gymnasium werde "für alle Zeiten" den Namen Friedrich Flicks tragen. Daraus, so das Fazit des Siegener Rechtsanwalts, könnte ein vertragsähnlicher Zustand entstanden sein. Im Gutachten heißt es:

Gutachten: "Es ist anzunehmen, dass mit dem Stifter eine Vereinbarung getroffen wurde, wonach die Schule auf Dauer den Namen des Stifters Dr. Friedrich Flick tragen wird. Es spricht viel dafür, dass bei einer Namensänderung ohne Zustimmung des Stifters bzw. seiner Erben, Ansprüche auf Rückzahlung der vom Stifter geleisteten Beträge entstehen."

Hoppe-Hoffmann: "Ja, die Konjunktive … Ich bin keine Juristin …"

… sagt die Grünen-Fraktionschefin …

Hoppe-Hoffmann: "… die vielen Konjunktive haben bei mir natürlich eine Riesen-Enttäuschung hervorgerufen. Weil diese Konjunktive bestanden ja vorher auch schon. Und wenn man jetzt viel Geld für so ein Gutachten bezahlt, hat man ja auch bestimmte Erwartungen. Und 'hätte, könnte' und 'wäre möglich' und 'vielleicht' ist natürlich jetzt irgendwie keine juristische Klärung."

Neben den Grünen war es eine Initiative ehemaliger Schüler des Flick-Gymnasiums, die der Kleinstadt im Frühjahr eine Diskussion über ihren "großen Sohn" aufdrängte, die hier eigentlich kaum einer führen wollte. Oliver Hirsch, Mitbegründer der Kampagne, ist in seinem Beruf selbst gutachterlich tätig und hat seine Zweifel an der Seriosität des Gutachtens…

Hirsch: "… und wenn ich lese, ich zitiere: 'Wenn man die Akten studiert, dann kann man nur bewundern, mit welcher Nachhaltigkeit und Unverdrossenheit die damaligen Amtsträger versucht haben, für Kreuztal ein Gymnasium zu ermöglichen", dann ist das ein riesen formaler Fehler, das ist eine private Meinungsäußerung des Gutachters, so dass dessen Neutralität absolut vom Tisch gefegt ist, und natürlich alles, was dann im folgenden noch kommt, in diesem Gutachten, anzweifeln kann und muss. Also wenn er doch diese Herren von damals so bewundert, dann wird er doch wohl kaum gegen den Standpunkt dieser Herren argumentieren wollen."

Mit ihrer Webseite flick-ist-kein-vorbild.de wollen die Ex-Schüler informieren, aufklären, vernetzen. Das Internet hat Kreuztal öffentlicher gemacht, als es je war. Und das Kreuztaler Schweigen gebrochen. Es wird wieder diskutiert über Friedrich Flick, den verurteilten Kriegsverbrecher, der nach wie vor Ehrenbürger seiner Heimatstadt ist. Nimmt Kreuztal die Debatte an?

Fick: "… leider nicht ganz. Was mir aufgefallen ist,"

… sagt Patrick Fick, Ex-Schüler und ebenfalls Initiator der Kampagne …

Fick: "… dass es bestimmte Akteure gibt, ich nenne da ganz explizit den Bürgermeister, der sich sehr rührig und sehr engagiert gekümmert hat, nicht immer so ganz unsere Position vertreten haben, dass es dann andere Leute gibt, ich nenne da ganz eindeutig Herrn Müller, den CDU-Fraktionsvorsitzenden, wo ich das Gefühl habe, da hat man sich überhaupt nicht mit dem Thema auseinandergesetzt, man hat sich mit der wissenschaftlichen Literatur nicht beschäftigt – ich höre, wenn ich was von Herrn Müller höre – und das ist schon selten - dass da nur wenige Chaoten eine Kampagne betreiben… und insgesamt ist mir das in Kreuztal hier nach wie vor zu still."

Still ist auch genau jener CDU-Fraktionschef Werner Müller, für eine Stellungnahme steht er nicht zur Verfügung.

Müller: "Ne, wir machen überhaupt keine. Jetzt machen wir gar keine. Mir ist überhaupt nicht danach."
" Warum nicht?"
" Ne, wir machen jetzt keine. Nein, ist gut! Wir machen jetzt keine! Jetzt machen wir keine!"

Nein, noch ist nicht gut, es folgt noch eine Nachfrage per E-Mail, ob der Vorsitzende der größten Fraktion im Rat sich nicht doch beteiligen will an der Debatte, die mittlerweile die ganze Republik bewegt … Schriftlich teilt Werner Müller daraufhin dem "sehr geehrten Herrn Schmidt" mit:

Müller: "Nachdem das Thema in der Presse zu solch einseitiger negativer Berichterstattung geführt hat, die Kreuztal deutschlandweit in den Schmutz gezogen hat, bestärkt mich das in der Auffassung, keine weiteren Interviews dazu zu geben. Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Frage allein in Kreuztal entschieden werden muss. Dabei hilft es nicht, wenn irgendwelche Fernseh- oder Radioprogramme aus Berlin sich einseitig hinter eine Kampagne stellen, die allein von zwei Personen angeschoben wurde (es hat sie niemand dazu aufgerufen)."

Und während selbst polnische Zeitungen und das ukrainische Fernsehen sich für Kreuztal interessieren, kündigte CDU-Fraktionschef Müller anlässlich der Anfrage der Grünen an, dass alle anderen Fraktionen im Rat nicht mehr über Flick reden werden - für jetzt und alle Zeiten.
Doch es wird einsam um Werner Müller. Die SPD widersprach dieser Vereinnahmung postwendend. Die FDP brauchte ein wenig länger, geht aber auch auf Distanz zur CDU, sagt Fraktionschef Frank-Wieland Frisch:

Frisch: "Ja, er hat das so formuliert und hat sicherlich auch meine Stimmung getroffen, und da ist uns also jetzt im Frühjahr - als wir also selber noch die verhärtete Einstellung hatten, zu sagen, also ist jetzt Schluss mit der Debatte, wir wollen jetzt also damit nichts mehr zu tun haben – dann aber doch aufgefallen, dass man die Haltung doch auf Dauer nicht einnehmen kann. Und danach hat dann also auch bei uns ein neuer Nachdenkprozess eingesetzt …"

Schließlich äußert sich CDU-Fraktionschef Müller doch noch – per Leserbrief in der örtlichen Zeitung: Die FDP sei zu schwach, dieser "Meinungsdiktatur" standzuhalten, eine Meinungsdiktatur, die, so Müller,

Müller: "eine kleine Minderheit schürt, deren Lebensaufgabe es zu sein scheint, mit der ihnen nicht zustehenden Moralkeule Ihre Art der Vergangenheitsbewältigung aufzudrücken". Denn es müsse 'endlich Schluss sein mit der sogenannten Aufarbeitung der Geschichte zu Lasten von Menschen, deren Schuld längst aufgearbeitet und abgebüßt wurde."

Steffen Schwab und Otmar Kuhn, die Lokalredakteure der Westfälischen Rundschau, verfolgen die Debatte um den "großen Sohn" der Stadt seit Jahrzehnten außergewöhnlich kritisch. Nimmt sich Kreuztal der Debatte um seinen zweifelhaften Ehrenbürger an, nach etlichen Jahrzehnten?

Kuhn: "… in den internen Zirkeln wird sicherlich darüber gesprochen werden, dass endlich Schluss sein muss mit der Debatte. Und daraus wird sich vielleicht so ne Zwangsmehrheit entwickelt haben, die die Umbenennung schaffen könnte."

Schwab: "Was neu ist, ist,, dass die öffentliche Diskussion, die auch bundesweit mit geführt wird, tatsächlich jetzt soweit Druck erzeugt hat in Kreuztal, dass man jetzt auch nen gewissen Imageschaden für die Stadt sieht, wenn man diese Diskussion nicht auf die ein oder andere Weise beendet. Und offensichtlich kommt jetzt ne Mehrheit zu dem Schluss, dass man ne Diskussion nicht mehr dadurch beenden kann, dass man sie nicht zur Kenntnis nimmt, sondern dass man entscheiden muss."

Jahrzehnte lebte Kreuztal im Frieden mit sich selbst und seinem Kriegsverbrecher, nur selten wurden Fragen gestellt. Was auch daran liegen mag, dass die Schule, aber auch Kirchen und Vereine der Stadt bis heute gerne Stiftungsgelder aus dem Vermögen Flicks einstreichen.

Hoppe-Hoffmann: "Ich denke, das macht schon einige nachdenklich, dass das in Kreuztal immer anders gesehen wurde wie außerhalb von Kreuztal, und es ist ein gewisser Rechtfertigungsdruck entstanden. Nicht nur in der Schule, sondern auch in der Stadt als solches."

Kreuztal rechtfertigt sich … Ex-Schüler Oliver Hirsch:

Hirsch: "Jetzt zuletzt haben mich wieder doch Äußerungen erschrocken, die also die Zeit des Nationalsozialismus doch relativieren, verharmlosen, da wird immer noch versucht, darzustellen, dass Herr Flick doch zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sei, da habe es doch viele andere Profiteure gegeben, und was mich da weiterhin erstaunt ist, dass die doch eindeutige Quellenlage nahezu absolut ignoriert wird."

Im Gästebuch der Protest-Webseite schreibt ein ehemaliger Schüler zu den 10.000 Zwangsarbeitern, die in Flicks Betrieben starben:

Ex-Schüler: "Ich bin der Meinung, dass es mit zu seiner Biografie gehört und störe mich daran, dass Argumente pro Flick immer wieder pauschal abgelehnt werden. Ich habe schon verstanden, dass 10.000 Tote für einige hier Argument genug sind. Für mich eben nicht. Ehrlich gesagt kann ich es auch generell nicht mehr hören, dass Menschen die sich während des Dritten Reiches schuldig gemacht haben für alle Ewigkeit und pauschal abgeurteilt werden."

Umfrage: "Ja, wat halt ich davon? Der hat doch vieles Gutes getan? Weshalb soll der Name weg? Versteh ich auch net …"
" Weil er ein Kriegsverbrecher ist?"
" Ooch, dat sin doch so viele hier rum, die am Büro überall sitzen, dat sin ooch zum größten Teil Kriegsverbrecher. Oder in der Politik. Weshalb denn jetzt hier auf Warum denn jetz hier auf dem Flick da so … Ich meine, dat wär net richtig. Solln‘ doch so lassen. Woä?"

In einem Kreuztaler Kulturhaus. Die Bürgerinitiative "Flick ist kein Vorbild" lädt zu einer Diskussionsveranstaltung. Der Wirtschaftshistoriker Harald Wixforth hält einen Vortrag.

Wixforth: "Ja, meine Herren, vielen Dank, dass sie heute in so reichhaltiger Zahl hier erschienen sind …"

Wixforth hat zusammen mit fünf anderen Wissenschaftlern den viel beachteten Band "Der Flick-Konzern im Dritten Reich" verfasst. Finanziert von Flicks Enkel Friedrich Christian, in Auftrag gegeben von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Wixforth: "Es ging sogar das Bild durch die Presse, wo ein Zwangsarbeiter sich selbst auf die Schienen einer Werksbahn gelegt hat und sich von der Werksbahn hat überfahren lassen, der Kopf lag dann sehr … ich hätte beinahe gesagt dekorativ … sehr plastisch dann daneben, um seinem Leben ein Ende zu setzen aufgrund dieser enormen Verzweifelung. Hier kann man eigentlich nur die Interpretation anbieten, dass Flick aufgrund seines großen unternehmerischen Zieles, mit aller Macht zu den ganz großen in der deutschen Rüstungswirtschaft und Schwerindustrie zu zählen, bereit war, eben da sprichwörtlich über Leichen zu gehen."

Dann meldet sich ein Zuhörer zu Wort, und es ist Werner Irle, ein CDU-Stadtverordneter …

Irle: "Ist es moralisch, wenn alle die, die von Flick Geld erbettelt haben, das Geld behalten, darüber schweigen und heute mitm Finger auf ihn zeigen? Wären sie dann nicht moralisch verpflichtet, sowohl die Politik, die Vereine, und die Kirchen vor allem, alle Kirchen in Kreuztal, das Geld mit Zins und Zinseszins zurückzugeben? Unruhe im Saal, Zwischenrufe. An wen denn? An die Zwangsarbeiter! Gegenreaktion: Also ich muss ehrlich sagen, ich find das empörend! Empörend, dass vor dem Hintergrund der lange bekannten Tatsachen, die heute hier noch mal eindringlichst bestätigt worden sind, die Frage einer Rückzahlung bei der Nennung des Namens dieser Schule überhaupt eine Rolle spielen kann!"

Referent Harald Wixforth entgegnet mit einem Zitat des ehemaligen BDI-Präsidenten …

Wixforth: "… ich zitier ihn jetzt: 'Hätt ich dass alles gewusst, was ich herausgefunden habe, ich wäre schon bei der Gründung der EVZ, also der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft, gegenüber den Flick-Erben ganz anders aufgetreten und hätte ihnen', Zitat Hans Olaf Henkel, 'an den Ohren gezogen und sie an die Brust genommen und dafür gesorgt, dass die einzahlen', und insofern denk ich mal, ist es auch hier in Kreuztal sicherlich mal an der Zeit, sich zumindest die Position des Ex-BDI-Präsidenten, der völlig unverdächtig ist, irgendwie ein linker Revoluzzer zu sein zu eigen zu machen."

… alles das hält Heinz Bub, den Vorsitzenden der Fraktion der Freien Wähler im Stadtrat, nicht von dieser Stellungnahme ab …

Bub: "Also ich kann nur sagen, dass was ich in diesem Unternehmen, Stahlwerke Südwestfalen, erlebt habe, noch zu Zeiten Friedrich Flicks: Wir sind gut besoldet worden, es gab zu allen möglichen Dingen gab es Zuwendungen freiwilliger Art! Und ich sage noch eins: …"

In der Schule selbst wächst der Widerstand gegen den Namenspatron. Einige Schüler sind im Saal, und dann ergreift auch eine Lehrerin das Mikrofon …

Mormann: "… wobei eine Schule ja noch in ganz besonderer Weise, laut des pädagogischen Auftrages zu Demokratieverständnis, zu Toleranz, zu freier Meinungsäußerung, zu jeder Möglichkeit, Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen, erziehen sollte, und wie will ich das machen? Wie will ich das als Lehrer, wie will ich das als Schüler machen, wenn ich auf eine Schule gehe, die einen solchen Namen trägt?"

Es war ein wichtiger Abend für die Stadt Kreuztal. Und ein denkwürdiger Abend für Wirtschaftshistoriker Wixforth ....

Wixforth: ""Dass die ein oder andere Äußerung überraschend war, will ich nicht verhehlen, ich hab jetzt im Nachhinein erfahren, dass also die erstaunlichsten Äußerungen sogar von Funktionsträgern aus dem kommunalen Verwaltungsbereich waren, was ich auch nicht so gedacht hätte … Ich verweise darauf, dass in anderen Städten und anderen Gemeinden ähnliche Debatten schon mal gelaufen sind und dass also dann man doch recht schnell zu einem Konsens gekommen ist, insofern diese Debatte hier ist eine Debatte, die eigentlich zwanzig, fünfundzwanzig Jahre zu spät kommt."

Der Diskussion zugehört haben auch ein ehemaliger Lehrer und ein ehemaliger Schüler des Flick-Gymnasiums – die beide bereits vor Jahrzehnten für eine Umbenennung gestritten haben. Ohne Erfolg, ohne Anerkennung und ohne viele Mitstreiter.

Bücker: "Dr. Wixforth hat also qua Amt das noch mal bestätigt, was im Grunde bekannt ist. Ja? Die Grundtatsachen sind längst bekannt, aber die wissenschaftliche Belegung, das ist für mich das Entscheidende. Das niemand mehr dem ausweichen kann."

Römer: "… ich bin da guter Dinge, dass der Name im Herbst wirklich fällt, aber ich bin der festen Überzeugung, das liegt nicht an wissenschaftlichen Argumenten, sondern das ist rein dem Druck von außen gezollt. Weil die Argumente sind nie rationell im Siegerland abgegangen, deswegen hat auch das Siegerland nie auf rationelle Argumente für die Umbenennung gewartet, sondern das Siegerland wird in seiner Borniertheit jetzt von außen dazu gezwungen, zu handeln, und eben in die richtige Richtung zu handeln."

Für November hat der Bürgermeister eine Abstimmung über den Namen der Schule angekündigt. Grüne, SPD und FDP haben zusammen mit dem Bürgermeister genau eine Stimme Mehrheit. Aber bereits vor zwanzig Jahren scheiterte eine Umbenennung des Gymnasiums, weil einige Sozialdemokraten für Flick stimmten.

Es wird knapp. Lokalredakteur Otmar Kuhn kann sich ausmalen, was kommen wird, wenn es der Stadtrat nicht schafft, sich mehrheitlich von seinem Ehrenbürger und Kriegsverbrecher zu distanzieren.

Kuhn: "Dann wird’s immer weitergehen. Das wissen auch viele in Kreuztal, dass dann die Diskussion so schnell nicht enden wird, ne? Und wenn das stimmt, was man so hört, dass an dem 11. September, wo geplant war, die Umbenennung zu beschließen, also ein Riesen-Auflauf an überregionalen Medien in Kreuztal zu Gast gewesen wäre, dann kann man sich vorstellen, was danach passiert, ne? Dann ist das kein lokales Thema mehr. Was es sowieso schon lange nicht mehr ist. Dann wird es also auch weiterhin für Negativ-Schlagzeilen bundesweit sorgen. Vielleicht sogar über Deutschlands Grenzen hinaus …"

Kreuztal, im Siegerland. Im Jahr 2008.