Denkmalschutz mit Hindernissen

Von Christiane Kort · 23.06.2005
Historische Gebäude zerfielen oder wurden abgerissen, Kirchen wurden zu Lagerhallen, Friedhöfe zu Rummelplätzen. In Kaliningrad hat die Substanz historischer Anlagen unter der Sowjetzeit schwer gelitten. Doch trotz zahlreicher Hindernisse kommen denkmalschützerische Maßnahmen allmählich voran.
Silke Klöver: "Man muss einfach im Blick haben, dass dieses Gebiet Kaliningrad jahrzehntelang eine große schwarze Kiste war. Das heißt auch vom russischen Kernland abgetrennt und nur mit Passierscheinen für sowjetische Bürger zu bereisen. Das ist seit knapp 15 Jahren anders. Mit der Öffnung hat sich eine große Dynamisierung ergeben, das heißt, es hat sowohl einen Zuzug von Russen in dieses EU-nahe Gebiet gegeben als auch eine Fülle von Aktivitäten seitens der ehemaligen Ostpreußen."

Deutsches Engagement, die verbliebenen historischen Gebäude nach denkmalschützerischen Gesichtspunkten zu restaurieren, trifft, so Silke Klöver von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, jedoch im Kaliningrader Gebiet auf viele Hindernisse: das Kompetenzgerangel zwischen der Stadtverwaltung, der Gebietsverwaltung und der Moskauer Zentralverwaltung; undurchsichtige ökonomische und politische Verflechtungen; das allgemeine Desinteresse an den Zeugnissen deutscher Kultur; Schwierigkeiten, Unterlagen zu den Gebäuden in den Archiven zu finden und nicht zuletzt Sprachschwierigkeiten, denn außer den Wolgadeutschen spricht fast niemand mehr deutsch und die Deutschen nicht russisch. Hinzu kommt, so Silke Klöver:

Klöver: "Das Gebiet leidet doch an einem chronischen Mangel an qualifizierten Fachleuten. Das handwerkliche Wissen in Russland ist verloren gegangen. Hinzu kommt, dass diejenigen Fachleute, die sich spezialisiert haben trotz der Widrigkeiten, unbedingt eine staatliche Lizenz brauchen, und auch die bekommt man nicht so ohne weiteres."

Dennoch gibt es auch positive Beispiele: das Friedländer Tor, Teil der alten Befestigungsanlagen von Kaliningrad, wurde mit staatlicher deutscher Hilfe wiederhergestellt und soll demnächst ein Museum beherbergen. Auch an der Rekonstruktion des historischen Luisenparks will sich die deutsche Regierung beteiligen.

Ein besonderes Kapitel stellen die historischen Kirchenbauten dar. Zu Sowjetzeiten wurde im Kaliningrader Gebiet ein atheistisches Musterareal geschaffen, das heißt Kirchen wurden in Lagerhallen verwandelt, aus Friedhöfen Rummelplätze gemacht. Die Folge ist, dass die verbliebenen Kirchenruinen, besonders auf dem Land, bis heute als Steinbruch benutzt werden. Ihre Substanz schwindet von Jahr zu Jahr.

Anders als in Polen etwa, wo während der sozialistischen Ära deutsche Baudenkmäler als Zeugnisse polnischer Kultur angesehen und vereinnahmt wurden, sind den Russen Religion und Baustil der Deutschen eher fremd. Dennoch variiert die Situation von Ort zu Ort erheblich. Ein gelungenes Beispiel ist die Wiederherstellung der Salzburger Kirche in Gusew, dem ehemaligen Gumbinnen. Im 18. Jahrhundert besiedelten vertriebene Protestanten aus dem Salzburger Land das von der Pest entvölkerte Gebiet. Ihre Nachkommen mussten 200 Jahre später mit dem Ende des Krieges ihre Heimat erneut verlassen.

Gerhard Brandtner: " Über dem Altar war ein großes Glasfenster gewesen, das war natürlich auch zerstört. Das zeigte eine Auswanderergruppe vor den Bergen Salzburgs, im Hintergrund die Burg Hohenwerfen. Und dieses Bild ist nach Fotos wiederhergestellt worden und wird heute gerade von den Russlanddeutschen, die ja einen großen Teil der Gemeinde darstellen, sehr verehrt, weil sie auch darin ihr eigenes Schicksal sehen."

Gerhard Brandtner aus Bonn, der ehemalige Vorsitzende der Stiftung Salzburger Anstalt Gumbinnen, gehörte 1991 zu den ersten, die nach der Grenzöffnung in das Kaliningrader Gebiet reisten. Es gelang der Stiftung, mit staatlicher Unterstützung aus Deutschland die Salzburger Kirche zu restaurieren. Die Kirche, in der heute wieder Gottesdienste, jedoch auch Konzerte und Veranstaltungen stattfinden, wurde von der russischen Bevölkerung angenommen, berichtet Gerhard Brandtner:

Brandtner: "Wir haben aber eben auch ein Äquivalent geboten. Wir sind ja eine karitative Stiftung gewesen, die ein Altenheim betrieben hat. Das können wir jedoch dort nicht mehr darstellen, aber wir haben eine Diakoniestation neben der Kirche errichtet, im Einvernehmen mit der Stadt dort, aber auf unsere Kosten, alles getragen durch Spenden. Das ist also nur durch Spenden finanziert worden, da ist kein Geld mehr vom Bund drin gewesen."

Durch die häusliche Krankenpflege der Diakoniestation werden etwa 80 Menschen versorgt, ein Dienst, der unbekannt ist. Auch Eva Riks aus Potsdam, die denkmalschützerische Maßnahmen organisiert, hat in Prawdinsk, dem ehemaligen Friedland, einer kleinen Stadt nahe der polnischen Grenze, zunächst gute Erfahrungen gemacht, als sie dort das Dach der Ordenskirche neu eindecken ließ:

Eva Riks: "Das für mich interessante und spannende war, dass also die Kreisarchitektin und die Stadtkulturchefin sich ganz massiv für den Erhalt dieser Kirche eingesetzt haben und damit auch die Leute aus dem Ort sozusagen mitgezogen haben."

Die fehlende Fachkenntnis der örtlichen Handwerker hätte das Projekt am Ende jedoch noch fast scheitern lassen. Die wieder in Stand gesetzte Kirche in Prawdinsk/Friedland wird heute von der russisch-orthodoxen Kirche genutzt.

Die Teilnehmenden des ersten Workshops zum Denkmalschutz im Kaliningrader Gebiet sehen es als dringend erforderlich an, die Initiativen zu vernetzen, entsprechende Publikationen mehrsprachig herauszubringen sowie eine Bestands- und Schadenserfassung in einer Datenbank zu erstellen. Sie wünschen sich einen größeren Rückenhalt durch die Politik und dadurch mehr Rechtssicherheit. Eine aufwändige Inventarisierung wird sicher noch lang auf sich warten lassen. Häufig, meint Denkmalschützerin Eva Riks, ist es ein Verein, der die Initiative ergreift, er -

Riks: "ist gegründet worden von ehemaligen Bewohnern, die heute im Rentenalter sind, aber voller Liebe ihrer Heimat gedenken, aber keine revanchistischen Ansprüche in irgendeiner Art haben, sondern hinfahren und sagen, so, nun gibt es dort neue Besitzer, nun gibt es dort andere Leute, die in den Häusern wohnen, und wir wollen, dass die die Häuser erhalten, dass die die Stadt erhalten, und unterstützen deshalb also jede Art von Denkmalpflege und auch von Völkerverständigung."