Denis Johnson: "Die lachenden Ungeheuer"

Ein Trio unterwegs durch Afrika

Menschen auf der Straße in Sierra Leones Hauptstadt Freetown
Menschen auf der Straße in Sierra Leones Hauptstadt Freetown © Rowohlt Verlag / dpa / Thomas Schulze
Von Gerrit Bartels · 25.01.2017
Eine Art Roadmovie von Sierra Leone nach Ostafrika: "Die lachenden Ungeheuer" von Denis Johnson ist eine korrekt-wahnwitzige Agentengeschichte. Der US-Schriftsteller schickt seine kaputten Anti-Helden auf eine kontinentale Reise, bei der so einiges im Verborgenen bleibt.
Als der amerikanische Schriftsteller Denis Johnson 1990 von der Zeitschrift "Esquire" erstmals nach Westafrika geschickt wird, ins bürgerkriegsgeplagte Liberia, und hier dem brutalen Rebellenführer Prince Johnson begegnet, beschließt er seine Reportage mit den Worten: "Die Frage ist: Wo liegt Liberia? Kümmert es irgendwen da draußen?" Zumindest nach der Ebola-Epidemie vor zwei Jahren weiß das inzwischen die ganze Welt, und doch ist die Sorge um Liberia und seine Nachbarstaaten wieder einer gewissen Gleichgültigkeit gewichen. Denis Johnson aber, der nach 1990 noch mehrmals in Afrika unterwegs war, scheint der Kontinent nie losgelassen zu haben.

Ein Roman voller Unklarheiten

Sein jüngster Roman "Die lachenden Ungeheuer" beginnt im westlich von Liberia gelegenen Sierra Leone. Der für den Geheimdienst der NATO (NIIA) tätige Roland Nair landet im Jahr 2013 in der Hauptstadt Freetown, um sich mit einen alten Kumpel zu treffen, dem aus Uganda stammenden US-Armee-Angehörigen und Abenteurer Michael Adriko. Warum, ist unklar, wie vieles in diesem Roman: "Michael, langsam wird es Zeit für eine Erklärung. Du kontaktierst mich, du holst mich hierher...", sagt Nair. Woraufhin Adriko entgegnet: "Du hast mich kontaktiert! Du wolltest so wissen, was so läuft, da habe ich gesagt, komm nach SL, und ich zeig dir einen Plan." Und Nair: "Zeig mir den Plan nicht. Erklär ihn mir."
Roland Nair, ein Mann Anfang 40 mit dänischen und amerikanischen Wurzeln, ist der Ich-Erzähler und zeitweilige Brief- und Mailschreiber des Romans - und eine noch unzuverlässigere Figur als sein Freund Adriko: Er versucht Karten vom Glasfasernetz der US-Army in Westafrika zu verkaufen und verrät die Verstecke von NIIA-Technologie. Er soll und will seinen Dienst gleichzeitig über die Aktivitäten von Adriko auf dem Laufenden halten, und mit diesem plant er dann, spaltbares Material an den Mann zu bringen, was allerdings gefakt ist - wohlwissend, dass ihm US-Army wie der Mossad auf der Spur sind. Adriko wiederum hat eine schöne Frau an seiner Seite, die Tochter seines Army-Vorgesetzten, die er in seinem früheren Dorf an der kongolesisch-ugandischen Grenze heiraten will.

Anklänge an ein Roadmovie

So machen sich die drei von Sierra Leone auf den Weg nach Ostafrika, weshalb Johnsons Roman Züge eines Roadmovies trägt, der sich auf den übervölkerten wenigen Straßen, in kleinen Dörfern mit ein paar Hütten oder in Gefangenenlagern kongolesischer Rebellen und dann wieder der US-Army abspielt. Einmal Sierra Leone und wieder zurück - und am Ende vielleicht zurück nach Ghana, wo Adriko mal tätig war. Oder: "Vielleicht nach Senegal. Und es gibt immer noch Kamerun."
Denis Johnsons Roman wirkt mitunter etwas irrlichternd, comichaft, so wie seine Figuren. Die Atmosphäre in den jeweiligen Ländern fängt Johnson gut ein, und doch scheint selten durch, was Johnson eigentlich erzählen will - so wie sein Held, mal unter einem Alkoholdelir, mal unter Exsikkose leidend, irgendwann nicht mehr genau weiß, ob er die Briefe und Mails an seine Amsterdamer Freundin Tina oder die Geliebte von Adriko schreibt.

Kritik an postkolonialen Strukturen

Mehrmals wird die neue Weltordnung nach 9/11 erwähnt und dass danach beim Zusammenspiel der Geheimdienste alles undurchsichtiger geworden ist. Kritik an den postkolonialen Strukturen Afrikas schimmert durch, und natürlich kommen bei der Lektüre Ahnungen an Joseph Conrads "Herz der Finsternis" oder Graham Greenes "Das Herz der Dinge" und "Reise ohne Landkarten" auf. Besonders am Ende im kongolesisch-ugandischen Grenzgebiet, als sich Adriko und eine durchgeknallte Afrikanerin und Stammesvorsitzende mit dem Namen La Dolce darin überbieten, die Nachfolge von Conrads Colonel Kurtz anzutreten.
"Die lachenden Ungeheuer" ist eine korrekt-wahnwitzige Agentengeschichte mit zwei schön kaputten Anti-Helden, deren politischer Subtext allerdings sehr im Verborgenen bleibt. Man könnte auch sagen: Afrika bleibt ganz sich selbst überlassen, und alle wollen weg - nur kümmert das da draußen weiterhin niemanden. In diesem Fall selbst Denis Johnson nicht.

Denis Johnson: Die lachenden Ungeheuer
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Bettina Arbanell
Rowohlt Verlag, Reinbek 2017
268 Seiten, 22, 95 Euro

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