Den technischen Fortschritt gestalten

Moderation: Barbara Wahlster · 05.09.2007
Im kreativen wie kritischen Umgang mit neuen Technologien durch Künstler sieht Gerfried Stocker eine Chance, sich die Auswirkungen von PC-Anwendungen auf die Gesellschaft bewusst zu machen. Ihre kreativen Gegenmodelle machten das Motto "Goodbye Privacy" der diesjährigen Ars Electronica deutlich. Das Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft findet derzeit im österreichischen Linz statt.
Gemeinsam diskutieren dort Künstler, Technologen und Juristen das mögliche Verschwinden einer geschützten Intimsphäre zwischen unfreiwilliger PC-Durchleuchtung und freiwilliger Veräußerung von Privatheit wie auf Webangeboten von YouTube und MySpace. "Daraus wird sich ein guter Querschnitt einer Expertendiskussion und der Basis der Realität ergeben, gerade durch die kritischen Zugänge, die die Künstler einbringen", hofft Gerfried Stocker.

Gerade in den Künstlern und ihrer Form der kreativen Computer-Anwendungen sieht er derzeit eine Avantgarde, die nicht nur Probleme erkenne und anspreche, sondern auch mit interessanten Gegenmodellen aufzuwarten habe.

Neben Konferenzen, Workshops und Konzerten gehört auch ein Jugendcomputer-Wettbewerb für Teenager unter 19 Jahren zur Ars Electronica. Neben in hervorragender Qualität am Computer hergestellten Musikstücken und Filmen gebe es auch ernsthafte Projekte. Das Gewinner-Projekt ermöglicht es sehbehinderten oder blinden PC-Nutzern, sich zum Beispiel Artikel des Internet-Lexikons Wikipedia am Telefon vorlesen zu lassen.

Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch mit Gerfried Stocker:

Wahlster: Wie politisch ist die Sicht auf die Welt, die mit dem Festival-Motto "Goodbye Privacy" vorgegeben ist?

Stocker: Im Moment ist sie höchstgradig politisch. Das ist ja ein Thema, das gerade durch die Diskussionen bei euch in Deutschland im Moment enorm zugespitzt wird.

Wahlster: Durch die Ausspähung von Privatcomputern etwa …

Stocker: Genau. Dadurch, dass man auch versucht, hier gesetzliche Standards zu schaffen, die wir ja im realen Leben in der Form nie akzeptieren würden, dass jeder seinen eigenen Spion mit sich herumschleppen muss. Das Thema hat dadurch eine enorme Brisanz bekommen.

(…)

Wahlster: Wo sehen Sie die spannendsten künstlerischen und ästhetischen Ansätze bei der diesjährigen Ars Electronica?

Stocker: Es ist sicher dieser Bereich der "creative resistance", wo es um den Widerstand geht und darum, die Ermächtigung des Einzelnen zu propagieren: Wie können wir uns in dieser Rolle emanzipieren? Denn die Lösung kann ja nicht sein, dass wir einen Ausstieg aus der Technologie propagieren, nur weil es uns ein bisschen unheimlich vorkommt, wie sich diese Überwachungstechnologien verdichten. Wir müssen in eine Lage kommen, wo wir die Segnungen und die Freiheiten, die gerade das Internet gebracht hat, dass wir die nicht verlieren und über Bord werfen und durch eine Medienkompetenz, die wir uns aneignen müssen, in die Lage kommen, diesen Problemen zu begegnen.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 5.2.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.

Service:
Die Ars Electronica findet vom 5. bis 11. September 2007 im österreichischen Linz statt.