Den Job teilen

Nur die halbe Ausbeutung

Ablösung vom Stress - für das Teilen der großen Jobanstrengung gibt es nun eine Agentur
Eine Jobsharing-Agentur will dafür sorgen, dass im Kalender auch wieder Platz für Privates ist. © picture alliance / dpa / Robert B. Fishman
Von Jürgen Stratmann · 22.09.2014
Das gute alte Modell vom Acht-bis-fünf-Job ist perdu. Darauf reagiert jetzt die Agentur "Tandemploy" in Berlin. Sie will Arbeitnehmern helfen, den richtigen Partner zu finden, um den Arbeitsplatz zu teilen.
Niemand rackert so viel wie die Deutschen", behauptete kürzlich Spiegel-Online, denn laut EU-Kommission werden bei uns EU-weit die meisten Überstunden gemacht. Wen wundert's, ist nicht auch hierzulande das Lebensmodell "Workaholic" zum Livestyle-Ideal verklärt worden, wo beim Afterwork-Bier mit Doppelschichten, 6o-Stundenwoche und Burn-Out-Symptomen geprahlt wird, unter Leuten, für die der Gruner und Jahr-Verlag den Szene-Begriff "Business-Punks" geprägt hat, mit dem dazu gehörigen Lebensmotto: "Work hard - play hard!"
Allerdings sei diese Szene auf dem Rückzug, meint Jana Tepe von der Agentur "Tandemploy", weil stattdessen "die Bewegung zum bewußteren Leben gerade überhand nimmt" und immer mehr Leute Fragen stellten wie:"Wann hast du dir zuletzt mehr Zeit gewünscht für Freunde, Familie, eigene Projekte, neue Abenteuer oder kleine Umwege?"
"Wir"- das sind Anna und Jana, und wir haben festgestellt, daß es vielen Menschen am Wichtigsten im Leben fehlt: an der Zeit! viele Menschen wünschen sich deshalb flexiblere Arbeit!"
Was sich auch statistisch belegen lasse:
"Es gibt Zahlen - wenige! 2009 hat schon jedes fünfte Unternehmen in Deutschland Jobsharing angeboten - und es war seit 2003 - also innerhalb von sechs Jahren - ´ne Steigerung um 104 Prozent - Also es ist´n Riesentrend nach oben!"
Also gründeten Anna Kaiser und Jana Tepe in Berlin die Agentur "Tandemploy":
"Die weltweit erste Online-Platform für Jobsharing, die Menschen und Unternehmen ganz gezielt bei der Umsetzung von Jobsharing unterstützt!"
Die Erste? Erstaunlich! denn:
"Annas Mutter hat direkt schon gesagt: 'Das ha´m wir in den 80ern schon gemacht - aber es gab keine Plattform - Jetzt ist es meistens noch so, dass das Unternehmen ´n Mitarbeiter hat, und er kommt in ´ne bestimmte Lebensphase, möchte seine Arbeitszeit verringern - und dann findet man´ne Lösung, weil man denjenigen nicht verlieren möchte."
Wobei: solche "Lebensphasen" ...
"...wo man weniger arbeiten möchte - gibt es eigentlich übers ganze Leben hinweg: beim Berufseinstieg, weil Sie noch mit´m halben Fuß im Studium sind, wenn man eine Familie gründet, sich in der Mitte des Arbeitslebens vielleicht umorientiert..."
Gleichberechtigt und gleichverantwortlich
Und so weiter. - Nur könnten sich gerade Hochqualifizierte oft nur schwer vorstellen, die Arbeit gleichberechtigt - und gleichverantwortlich - "... weil: die sind wie eine Person" mit jemandem zu teilen:
"Menschen in Führungsetagen, Menschen, die sich Projektmanagement teilen, wo wir gedacht haben: 'Oh Gott, das ist so komplex, da muss man an so viele Sachen denken, das kann man nicht aufsplitten - also: in allen möglichen Feldern..."
Gebe es "wahnsinnig viele resignierte Menschen da draußen, die gedacht haben, daß sie das nicht mehr finden..."
... den Partner, dem sie die Hälfte ihrer täglichen Mühsal aufbürden können. Apropos "Hochqualifizierte" und "tägliche Mühsal": Natürlich gibt´s auch Branchen - man teilt ja nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch das Gehalt - da macht Jobsharing finanziell einfach keinen Sinn, oder?
"Ich kenne im Handwerk noch kein Beispiel. Aber das muss überhaupt nichts heißen. Also eigentlich entdecken wir jeden Tag neue Branchen und Berufe, in denen das funktioniert.."
Tandemploy ist Job-Vermittlung aber auch: Partnerbörse und soll im Grunde ähnlich funktionieren, wie gängige Single-Vermittlungen, nur:
"Bei der jetzigen Beta-Version - da wird noch nicht automatisch gematscht. Dein perfekter Tandempartner, der wird dir noch nicht vorgeschlagen, du musst den noch suchen - nach Branche, in deiner Stadt etc., du musst quasi noch aktiv werden, das wollen wir automatisieren - da gibt´s halt ganz viele Ideen."
Stichwort: das: "das Dir wichtig ist."...
Geht man als Arbeitgeber nicht davon aus: Dass das wichtigste im Leben eines Mitarbeiters ist sein Job? Denn was soll man mit Leuten, die vor allem "eigene Projekte, neue Abenteuer oder kleine Umwege" im Kopf haben?
"Auch wenn es in den Köpfen bei den Unternehmen noch viele "aber"s gibt, kann man sagen, dass bisher 100 Prozent aller Firmen, die so´n Tandem eingesetzt haben, dabei geblieben sind - für die ist es eigentlich total positiv - wenn man mal genau nachdenkt, will man ja ´n Mitarbeiter, der ausgeglichen ist, der auch noch Zeit hat, im Leben neugierig zu bleiben, mal aus dem Hamsterrad auszusteigen. Und man profitiert natürlich auch, wenn man zwei Menschen auf einer Stelle hat: Die bringen verschiedene Ideen zusammen, können sich perfekt vertreten, man hat kaum noch Krankheits und Urlaubsausfälle, es gibt 1000 Vorteile, man muss es nur wagen - es lohnt sich!"
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