Den Gegner lächerlich machen

Von Winfried Sträter · 07.07.2010
Inmitten einer ziemlich verbissenen Gesellschaft und einer nicht minder verbissenen Studentenbewegung ragte Fritz Teufel mit seinem klugen Humor und seiner Freundlichkeit heraus. Dank seiner spielerischen Natur konnte er die damaligen Autoritäten mehr erschüttern als die vielen wütenden Rebellen.
Ist die Revolution ein Spiel, oder ist sie eine ernste Angelegenheit? Das war eine sehr ernste Frage, als die 68er in Aktion traten. Die richtigen Genossen, die Cheftheoretiker des SDS, des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, verstanden keinen Spaß, wenn es um die Befreiung der Welt ging. Voller Argwohn betrachteten sie das Treiben jener revolutionären Keimzelle, die dem SDS das Westberliner Weltveränderungsmonopol streitig machte: der Kommune 1. Fritz Teufel hatte sie mitbegründet. Er hat die Welt damit mehr verändert als die Genossen, die sich als Speerspitze des Fortschritts betrachteten.

Fritz Teufel zog 1967 mit ein paar Männern und Frauen in eine gemeinsame Wohnung, sie sprengten die Ketten kleinbürgerlicher Nachkriegsfamilien und organisierten vom Kommune-Frühstück bis zum Kommune-Schlafzimmer den revolutionären Alltag. Heute sind Wohngemeinschaften und alle möglichen Formen des Zusammenlebens eine Selbstverständlichkeit. Damals war so etwas ein kühnes Experiment. Sehr anstrengend für alle Beteiligten. Ein Spiel für Fritz Teufel. Nicht, weil er die Sache nicht ernst genommen hätte, im Gegenteil.

Aber Fritz Teufel hatte etwas bezwingend Spielerisches, und damit hat er die damaligen Autoritäten mehr erschüttert als die vielen wütenden Rebellen. Denn ihm gelang es, die Gegner der Studentenbewegung lächerlich zu machen: allen voran Polizei und Justiz. Wegen eines angeblichen Steinwurfs bei der Anti-Schah-Demonstration am zweiten Juni 1967 saß er in Haft und musste sich vor Gericht verantworten, während der Todesschütze Karl-Heinz Kurras frei blieb. Konnte man vor dieser Justiz Respekt haben?

Der Richter ermahnte ihn, nur das zu sagen, was der Wahrheitsfindung diene. Als Teufel sich später respektvoll erheben sollte, tat er´s mit der Bemerkung: "Wenn´s der Wahrheitsfindung dient." Ein Satz, der in die Geschichte eingegangen ist. Über ein halbes Jahr saß Teufel in Untersuchungshaft, bevor er freigesprochen und freigelassen wurde.

Die sechs Monate unschuldiger U-Haft waren allerdings nur ein Vorspiel zu seinem größten Justiz-Coup: Fünf Jahre lang, von 1975 bis 1980, saß Fritz Teufel in Untersuchungshaft wegen angeblicher Beteiligung an der Entführung des Westberliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz. Als dann der Staatsanwalt 15 Jahre Haft forderte, präsentierte Teufel sein Alibi und musste freigelassen werden.

Inmitten einer ziemlich verbissenen deutschen Gesellschaft, inmitten einer nicht minder verbissenen Studentenbewegung ragte Fritz Teufel mit seinem klugen Humor und seiner Freundlichkeit heraus.

Mit Zaubertinte bespritzte Teufel in der Talkshow 3 nach 9 Bundesfinanzminister Matthöfer - typisch Teufel: eine spielerische Attacke auf einen Politiker. Eigentlich ist Fritz Teufel ein tragischer Held: Die Studentenbewegung hat ihn aufblühen lassen und, als sie zerbrach, aus der Bahn geworfen. Er geriet in den Dunstkreis der terroristischen Szene und hat sich vermutlich auch selbst geschützt, als er fünf Jahre unschuldig in Untersuchungshaft saß. So war er bei den Exzessen des deutschen Herbstes 1977 in Sicherheit. Andere Alt-68er machten derweil Karrieren, Fritz Teufel wurde Bäcker in London, Fahrradkurier und taz-Kolumnist. Bis ihn die Krankheit heimsuchte, Parkinson. "Das menschliche Leben ist nur auf eine bestimmte Zahl von Jahren angelegt", war sein Kommentar dazu.

"Möchte ich mich als Letztes noch bedanken bei meinen ungeborenen und ungezeugten Kindern, die mir ein Leben in Luxus und Freude ermöglichen."

Bei allem Humor: kein schönes Leben. Aber alle werden sich gern an ihn erinnern. Dass unsere Gesellschaft nicht mehr so steif deutsch ist wie in seiner Jugendzeit: daran hat er seinen Anteil.
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