Demokratie digital

Aktiv für Volksabstimmungen per App

Auf dem Display eines Smartphones sind die App-Logos verschiedener Social Media Plattformen zu sehen Derweil der Anbieter Facebook seit einiger Zeit Nutzer verliert, werden Dienste wie Snapchat, Tumblr, Twitter und Vine immer beliebter.
Mit einer App ließe sich ein tolles Meinungsbild der Bürger wiedergeben, sagt Andreas Müller von Democracy International. © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Von Thilo Jahn · 26.01.2015
Sie sind jung und bestens mit dem Internet vertraut: Die Aktivisten von Democracy International und Mehr Demokratie! wollen die politische Beteiligung aller Bürger stärken. Das beste Werkzeug für effektive direkte Abstimmungen wäre eine App.
Ihre Mitglieder sind jung, kennen sich bestens mit dem Internet aus und wollen mehr Demokratie wagen. Die Vereine Democracy International und Mehr Demokratie! wollen die Bürgerbeteiligung stärken. Das beste Werkzeug für effektive direkte Abstimmungen wäre eine App.
Andreas Müller: "Das ist so ein bisschen Motivation für uns."
Motivation für Andreas Müller, und seine Mitarbeiter der NGO Democracy International:
"Unsere Mitglieder hängen gar nicht da, weil ich neue Zahlen drucken wollte."
Die Zahlen, die hinter der Glocke hängen müssten, sind 1, 4, 0.
140 Mitglieder, hat Democracy International weltweit. Darunter sind auch Organisationen mit 6000 Mitgliedern.
Andreas Müller, trägt ein Polohemd unter seinem hellbraunen Pulli und einen Dreitagebart. "Demokratie muss man selber machen", sagt der 29-Jährige, der in Würzburg und Marburg Politik und Sozialwissenschaften studiert hat. Seit einem Jahr ist er Geschäftsführer von Democracy International in Köln.
Er will etwas verändern. Mit der Art und Weise, wie in Deutschland Politik gemacht wird, ist er unzufrieden:
"Es gab Stuttgart 21, es gab Fukushima mit der Energiewende und irgendwie waren das alles Themen, die mich unglaublich aufgewühlt haben. Warum werde ich nicht gefragt? Warum darf ich nicht mitbestimmen? Dann kommt man eben direkt auf das Thema direkte Demokratie!"
Alle vier Jahre wählen ist nicht genug
Die es bei uns in Deutschland auf Bundesebene so nicht gibt. Bis auf zwei Ausnahmen. Erstens: Auflösung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung. Zweitens: Neuregelung des Bundesgebiets. Sprich Grenzveränderung.
Zu wenig meint der gelernte Politik- und Sozialwissenschaftler. Alle vier Jahre ein Kreuzchen machen, das reicht nicht:
"Irgendwie hat man das Gefühl, dass man nicht richtig vertreten wird, von den Politikern. Ich habe eben zu manchen Themen eher die Meinung der CDU und zu anderen Themen eher die Meinung der Grünen oder der SPD."
Meinungsvielfalt sichern – dafür setzt sich Democracy International ein. Die 2011 gegründete Organisation möchte, dass die Bürger öfter nach ihren Meinungen gefragt werden. Ein bisschen wie in der Schweiz.
Eine App wäre die Ideallösung
Am besten schnell und direkt. Zum Beispiel durch eine App.
Andreas Müller: "Ja, jeder kann dort Themen setzen, sich dort Unterstützer suchen und am Schluss eine Abstimmung durchführen."
Das müsse doch möglich sein, denn immerhin besitzen rund 40 Millionen Deutsche ein Smartphone. Politische Meinungsäußerung "to go", um es salopp auszudrücken. Wir holen das Handy raus und stimmen ab? Diskutieren in Foren, und die Politik erfährt per Abstimmung, was wir von Mautgebühren, von Elternzeit und anderen Themen halten?
Andreas Müller: "Das ist genau das, was wir wollen, dass wir in die Situation kommen diskutieren zu dürfen und zu können. Und das bietet uns das politische System jetzt nicht. Man weiß nicht wie es sich durchsetzt, aber wenn man eine App hat und viele Leute beteiligen sich daran, dann kann das ein tolles Meinungsbild wiedergeben und ne tolle Diskussion damit stattfinden."
Alle Bürger müssen informiert werden
Mit einer Bedingung an alle - auch an mich …
Andreas Müller: "Du müsstest teilnehmen, klar."
Und um sinnvoll teilnehmen zu können muss ich wissen, um was es eigentlich geht.
Andreas Müller: "Es gibt ein Abstimmungsbuch, was jeder Haushalt bekommt. Die Leute müssen informiert werden, damit sie auch eine fundierte Entscheidung treffen können. Und dann ist das im Endeffekt wie bei einer Wahl."
Egal ob EU-Austritt, mehr staatliche Geschenke, mehr Verschuldung, mehr Kitaplätze, Mietpreisbremse, Haushaltskonsolidierung – ich muss mich informieren, mir eine Meinung bilden und dann per App abstimmen.
Aber was passiert, wenn eine Mehrheit den EU-Austritt oder die Einführung der Todesstrafe fordert, was dann? Fragen, die noch nicht geklärt sind.
Mehrere Organisationen arbeiten an einer Vision
Andreas und ich machen einen Rundgang durch sein Büro, in dem auch Mitarbeiter von Mehr Demokratie! sitzen. Eine Organisation, die ähnliche Ziele wie Democracy International verfolgt und in Deutschland seit den 80ern aktiv ist.
Thilo Jahn: "Was arbeitest du gerade?"
Praktikant: "Wir wollen an der Uni in Bielefeld Unterschriften sammeln und ich versuche, unsere Mitglieder dort zu mobilisieren, dass sie auch dahin kommen."
Praktikant, Pressesprecherin, Referent – Strukturen wie in einer Parteizentrale.
Nur das man hier nicht an einem einheitlichen Parteiprogramm arbeitet, sondern an der Idee, als Unternehmen etwas zu entwickeln, das alle Meinungen berücksichtigen kann.
Das W-Lan-Passwort verrät wofür alle arbeiten.
"Mehr Demokratie."
Andreas und ich setzen uns dort hin wo am meisten diskutiert wird: in die Küche.
Ich frage ihn: Welche Rolle soll eigentlich das Parlament künftig spielen?
Andreas Müller: "Wenn man sich die Schweiz anguckt. Das Musterbeispiel. Hier werden immer noch 90 % der Gesetzte im Parlament entschieden. Das ist notwendig. Man kann nicht jeden Tag über den Alltag abstimmen. Aber die direkte Demokratie als Kontrollmechanismus und als Möglichkeit als einzelner Bürger Themen auf die politische Agenda zu bringen, das ist die Ergänzung und wenn man dieses Instrument hat, hat man eine höhere Legitimität für Entscheidungen."
Direkte Demokratie als Ergänzung
Democracy International versteht sich als ein Korrektiv, als eine Ergänzung zur bestehenden Politik. Politik soll internationaler gedacht werden, Parteien sollen künftig nicht mehr allein das Monopol auf politische Lösungsvorschläge haben.
Ein Demokratiemodell mit mehr aktiver Teilhabe und kürzeren Entscheidungswegen dank einer geeigneten App. Funktionieren kann dies aber nur dann, wenn die 40 Millionen Smartphone Besitzer nicht nur ihre Handys aus den Jackentaschen holen, sondern sich auch für Politik interessieren und bereit sind sich zu engagieren.
Eine Herausforderung, so alt wie unsere Demokratie.
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