Debatte um nachhaltige Landwirtschaft

Mit Robotik und Gentechnik die Welt retten?

53:48 Minuten
Ein Wissenschaftler im Schutzanzug untersucht Weizenähren.
Umstrittene Technik: Kritiker fürchten unvorhersehbare Folgen des gentechnisch veränderten Saatguts. © IMAGO / photothek
30.07.2021
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Der Fortschritt macht vorm Feld nicht halt: Befürworter von Robotik und Gentechnik glauben, dass sich nur so genug Nahrungsmittel für alle produzieren lassen. Kritiker sehen vor allem die Gentechnik kritisch und warnen vor Risiken.
Landwirte müssen zum Ende des Jahrhunderts weltweit wahrscheinlich rund zehn Milliarden Menschen ernähren. Landwirtschaft muss sich dem Klimawandel anpassen, Extremwetterereignisse bedrohen die Ernten. Gleichzeitig muss sie Klimaschutz betreiben und weniger Treibhausgase produzieren: Weltweit ist der Agrarsektor für rund ein Viertel der Emissionen verantwortlich.
Aber es gilt auch, schonender mit der Umwelt und mit den Ressourcen umzugehen und das Artensterben zu stoppen. Wie lassen sich diese Herausforderungen bewältigen?

Gentechnik polarisiert

Vor allem die sogenannte grüne Gentechnik polarisiert seit vielen Jahren. Die Befürworter versprechen sich einiges von gentechnisch veränderten Pflanzen: dass sie ertragreicher sind, dass sie resistenter gegen klimabedingte Wetterextreme wie Trockenheit und gegen Schädlinge sind und dass sie zudem weniger Giftstoffe und mehr Nährstoffe enthalten können.
Deshalb sehen viele Wissenschaftler, wie etwa Matin Qaim von der Universität Göttingen, vor allem "große Potenziale", die man aber auf keinen Fall nur "ausschließlich großen Firmen überlassen sollte". Auch die Bundesvorsitzende der Deutschen Landjugend, Kathrin Muus, sieht Chancen für eine besser "ressourcenschonende" Landwirtschaft mithilfe gentechnisch veränderter Pflanzen.
Die Kritiker, wie Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe, betonen Nachteile und Gefahren für Nutzinsekten, die Bodennutzun und den Biolandbau. Gefahren sieht er unter anderem darin, dass sich genveränderte Pflanzen ungewollt und unkontrolliert mit wild vorkommenden Pflanzen mischen, dass – einmal freigesetzt – Prozesse unumkehrbar sind sowie dass es hauptsächlich um kommerzielle Interessen der Agrarindustrie ginge.
Wichtig, betont der Öko-Bauer, dass sowohl Bauern als auch Konsumenten die "Wahlfreiheit" hätten. Dafür sei "Transparenz" unabdingbar.

Auf den Feldern muss nachhaltiger gewirtschaftet werden

Einig sind sich zumindest viele Landwirte und Agrarexperten, dass sich viele der grundlegenden Probleme der Landwirtschaft, wie etwa die Übernutzung der Böden, nicht mit gentechnisch verändertem Saatgut (allein) lösen lassen. Vielmehr müsse auf den Feldern insgesamt nachhaltiger und naturnaher gewirtschaftet werden.

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Biobauern verzichten auf synthetische Spritzmittel, um die Umwelt zu schonen und gesunde Lebensmittel zu produzieren. Das bedeutete bisher, dass sie viel mehr von Hand arbeiten müssen als ihre konventionellen Kollegen. Das bedeutet aber nicht, dass Biobauern technische Hilfen rundweg ablehnen. Vor allem jüngere Landwirte sind technikaffin und interessieren sich für die Digitalisierung der Landwirtschaft. Ihre Hoffnungen ruhen unter anderem auf Robotern, die den Betrieben mühsame Handarbeiten abnehmen könnten – ganz ohne Spritzmittel. Sven Kästner hat sich in der Forschung und bei Ökobetrieben nach dem aktuellen Stand und den Perspektiven erkundigt.

Ein Frau beugt sich auf einem Acker über einen Feldroboter.
© Deutschlandradio / Sven Kästner
Dabei könnte künstliche Intelligenz die Landwirte zunehmend unterstützen, beispielsweise die notwendigen Analysen für eine möglichst individualisierte, ressourcenschonende Bewirtschaftung liefern. Wenn aber tatsächlich flächendeckend Heere von Drohnen oder selbstlernenden Mini-Bots die Felder und Ställe scannen sollen, kostet das. Investitionen, die sich nicht für jeden bäuerlichen Betrieb lohnen. Schon gar nicht weltweit. Ganz abgesehen von datenschutzrechtlichen Fragen, die sich zunehmend stellen werden.
Was können moderne Technologien in der Landwirtschaft ausrichten? Wie sind ihre Chancen und Risiken jeweils zu bewerten? Welche Rolle spielen Verbraucher? Wo und wie ist Politik gefragt, neue Weichen zu stellen oder alte Grenzen zu halten?
Es diskutieren:

Matin Qaim, Agrarwissenschaftler und Professor für Agrarökonomie von der Universität Göttingen
Reinhild Benning, Landwirtin, Agrarexpertin bei der Deutschen Umwelthilfe
Kathrin Muus, Agrarökonomin und Bundesvorsitzende der Deutschen Landjugend
Bernd Schmitz, Biobauer und bei der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft

(AnRi)
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