Debatte um Mietendeckel

Verlockend, aber problematisch

08:27 Minuten
Eine Aktivistin der Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" nimmt mit selbstgebastelten Schildern, afu dem "Miethaie versenken" und "Klein, aber Gemeinwohl" steht, an der Übergabe von 77.001 Unterschriften zur Anstrebung eines Volksbegehrens an die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport teil.
In Berlin engagieren sich viele Menschen gegen steigende Mieten und fordern unter anderem die Enteignung von Immobilienkonzernen. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Annamaria Deiters-Schwedt im Gespräch mit Alex Rahmlow · 14.06.2019
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In Deutschland steigen die Mieten. In der Politik wird darüber gestritten, was dagegen getan werden kann. Der Berliner Senat will einen Mietendeckel einführen. Die Geografin Annamaria Deiters-Schwedt warnt vor negativen Folgen und sieht die Lösung woanders.
In vielen deutschen Großstädten und Ballungszentren wird über steigende Mieten debattiert. Eine Initiative will beispielsweise in Berlin einen Volksentscheid auf den Weg bringen, um große Immobilienkonzerne zu enteignen. Am Freitag wurden dafür insgesamt rund 77.000 Unterschriften an den Senat übergeben. Dieser will indes zu einem anderen Instrument greifen: dem Mietendeckel. So sollen fünf Jahre lang die Mieten in der deutschen Hauptstadt eingefroren werden. Bundesweit sprach sich nun auch die SPD dafür aus.

Mieter müssten Reparaturenkosten selbst tragen

Diese Idee klinge erstmal "verlockend", doch greife sie zu kurz, sagt Annamaria Deiters-Schwedt. Zu Ende gedacht wäre die Folge, dass Vermieter nicht mehr in den Erhalt der Wohnungen investierten. Dann würden die Mieter selbst Reparaturen und Erneuerungen finanzieren, die würden später jedoch mit Abstandszahlungen auf die Nachmieter umgelegt.
Annamaria Deiters-Schwedt ist Diplomgeografin beim Forschungsinstitut Empirica, einem unabhängigen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschungs- und Beratungsinstitut mit Büros in Berlin, Bonn und Leipzig. Für sie stehe fest, dass durch einen Mietendeckel zwar vorerst Bestandsmieter geschützt wären. Sie würden sich dann jedoch in ihrer Wohnung "einschließen"; die Umzugsquote würde dadurch sinken. Menschen, die zuzögen, könnten nicht mehr mit einer Bleibe versorgt werden – außer sie hätten ausreichend Geld oder Beziehungen.

Der Neubau von Wohnungen sei die Lösung

Zur Zeit gebe es einen "sehr großen Missmut in Teilen der Bevölkerung, vor allem bei denen, die eine Wohnung mieten und das zu sehr hohen Preisen", erklärt Deiters-Schwedt. "Das kann man in vielen Fällen nachvollziehen. In den Boomstädten sehen wir, dass die Mieten deutlich stärker gestiegen sind. Das bringt die Leute in Aufruhr."
Eine andere Idee, die zur Zeit diskutiert werde, die sogenannte Obergrenze für Mieten, also die Festlegung auf einen festen Mietpreis, sei "hoch problematisch", so Deiters-Schwedt. Denn dann bestehe die Gefahr, dass Vermieter wegen der niedrigen Einnahmen ihre Kredite nicht mehr bedienen könnten. Dies könne "gravierende Folgen" haben, ist die Diplomgeografin überzeugt.
Unter dem Strich sei der Neubau von Wohnungen die Lösung für die aktuelle Wohnungsnot, unterstreicht Deiters-Schwedt. Denn dadurch könne eine "Angebotsausweitung" erreicht werden. Mieter hätten dadurch eine Alternative und müssten nicht in teure Wohnungen ziehen. Außerdem würden die Mieten durch Leerstand sinken. "Ein Prozent Leerstand bedeuten unter dem Strich einen Euro weniger Nettokaltmiete", so Deiters-Schwedt. Um dies zu erreichen, sei es notwendig, brachliegendes Bauland zu aktivieren, erklärt die Geografin.
(rzr)
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