Debatte um Anglizismus des Jahres

Wie englisch ist der "Influencer"?

Moderatorin Sylvie Meis gehört als sogenannter "Influencer" zu den Social Media Stars.
Moderatorin Sylvie Meis gehört als sogenannter "Influencer" zu den Social Media Stars. © Maurizio Gambarini/dpa
Moderation: Shanli Anwar · 30.01.2018
Der "Influencer" hat Karriere gemacht. Das englische Wort wird im Alltag von vielen verwendet. Doch wie sehr gefährdet ein solcher ein Anglizismus die deutsche Sprache? Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch hat hier wenig Sorge - aber er bekommt Gegenwind.
Plötzlich sagen alle "Influencer". Aber was ist das überhaupt? Eine Jury von Sprachwissenschaftlern, die alljährlich mit ihrer Auswahl zum "Anglizismus des Jahres" auf wichtige Eindeutschungen hinweist, hat den "Influencer" zum "Anglizismus 2017" gekürt.
Das Wort sei im vergangenen Jahr massiv in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeflossen, sagte der Sprachwissenschaftler und Juryvorsitzende Anatol Stefanowitsch zur Begründung der Auswahl.
Zwar werde der Begriff "Influencer" schon seit mehreren Jahren auch im Deutschen vor allem in sozialen Netzwerken benutzt, aber erst 2017 habe sich seine Gebrauchshäufigkeit etwa in klassischen Zeitungstexten "sprungartig ausgeweitet".
Als "Influencer" werden meist jüngere Menschen bezeichnet, die allein durch ihre große Reichweite in den sozialen Medien in der Lage sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

In 100 Jahren: "Die schönen englischen Wörter, das war doch was!"

Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch
Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch© dpa / picture-alliance / Ben Stefanowitsch
Zur Begründung dieser Entwicklung, also der Übernahme englischer Wörter direkt ins Alltagsdeutsch, sagte Stefanowitsch im Deutschlandfunk Kultur:
"Wir haben es hier mit einer Art Globalisierung zu tun - von Technologie auf jeden Fall, aber auch von der Kultur, die an der Technologie mit dran hängt: Das Englische ist die Sprache der Globalisierung. Und dadurch ist das Englische jetzt für alle großen Kultursprachen eine dominante Gebersprache, ähnlich wie es das Französische im 19. Jahrhundert war."
Inzwischen würden die französischen Wörter im Deutschen als eine Art Anzeiger für "Hochkultur" gewertet.
"Dem Englischen dagegen - zumindest nach Einschätzung bestimmter Leute - haftet hier so eine Art Schmuddelimage an. In einhundert Jahren stehen hier wahrscheinlich zwei Leute und sagen: 'All diese schönen englischen Lehnwörter von Früher, das war doch noch was, heute ist das alles Chinesisch.'"
Oft gehe es bei dieser Abwertung der in die Alltagssprache einfließenden englischen Wörter auch um eine Art "kulturelles Unterlegenheitsgefühl", sagte Stefanowitsch.
Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache
Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache© VDS / Picture Alliance / dpa
Der Geschäftsführer des Vereins Deutsche Sprache, Holger Klatte, wies darauf hin, dass die Verwendung von Anglizismen oft nicht unbedingt notwendig sei. Im Deutschlandfunk Kultur sagte er:
"Für mich, und ich spreche auch für den Verein Deutsche Sprache, ist es so, dass diese Aktion 'Anglizismus des Jahres' durchaus willkommen ist, weil wir dafür kämpfen, dass über die deutsche Sprache mehr diskutiert wird, dass die deutsche Sprache einen größeren Raum in der Kultur in Deutschland einnimmt."
Für den Fall des aktuellen Anglizismus des Jahres, also für "Influencer", schlägt Klattes Verein als Alternative "Werbemultiplikator" vor.

Ein "Influencer" ist eben nicht nur ein "Werbemultiplikator"

Aber hier widersprach Stefanowitsch. Das Wort "Werbemultiplikator" sei viel allgemeiner als der "Influencer":
"Mit dem Wort 'Influencer' haben wir ein Phänomen: Das sind junge Leute, die beziehen ihren Raum und ihre Glaubhaftigkeit einzig und allein aus ihrer Reichweite in den sozialen Medien. Die haben sie sich selber aufgebaut."
Und dies würden diese "Influencer" für Schleichwerbung nutzen, ebenso aber auch, um ihre Meinung unter die Leute zu bringen.
"Und all das trifft das Wort 'Werbemultiplikator' eben nicht."
Die Sprachgemeinschaft insgesamt ließe sich nichts vorschreiben, so Stefanowitsch. Lehnwörter fänden nur Eingang durch Sprachgestalter "wie Luther und andere":
"Indem man diese Wörter dort verwendet, wo sie möglichst viel gelesen werden. Dann gehen sie von ganz allein in den Wortschatz über."
Auf den Plätzen zwei und drei der aktuellen Auswahl zum "Anglizismus des Jahres" landeten die Begriffe "Blockchain" und "nice". Danach folgten "Binge Watching" sowie "Hatespeech". Insgesamt seien über 51 Wörter für den jüngsten Wettbewerb vorgeschlagen worden.

Der "Anglizismus des Jahres" wird in Deutschland seit 2010 gekürt. Im vergangenen Jahr holte der Begriff "Fake News" den Titel. Davor waren es die Wörter "leaken" (2010), "Shitstorm" (2011), "Crowdfunding" (2012), die Nachsilbe "-gate" (2013), "Blackfacing" (2014) und "Refugees Welcome" (2015).

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