Debatte in Frankreich

Le Corbusier und der Faschismus

Von Katja Petrovic · 27.08.2015
Anlässlich seines 50. Todestages wollte Frankreich Le Corbusier gebührend feiern. Doch der Glanz wurde überschattet von drei zeitgleich veröffentlichten Büchern, in denen ihm Faschismus vorgeworfen werden. Darüber, ob Le Corbusier tatsächlich Faschist war, ist in Frankreich eine Debatte entbrannt.
Le Corbusier, der unter de Gaulle zum Wiederaufbau Frankreichs beitrug, war ein Mann des Fortschritts und der Demokratie. Das dachte auch Fernseh-Kultur-Journalist Xavier de Jarcy, bis er anfing, das intellektuelle und persönliche Umfeld des Architekten zu durchleuchten. Dabei interessierten ihn besonders seine in den Zwanziger- und Dreißigerjahren veröffentlichen Schriften, wie zum Beispiel in der von Le Corbusier selbst herausgegebenen Revue L'esprit nouveau. Angesichts dieser Dokumente kam der Journalist zu dem Schluss:
Xavier de Jarcy: "Le Corbusier war ein politischer Aktivist, der seit den 1920er-Jahren faschistischen Gruppen angehörte und seine urbanistischen Theorien auf deren Ideen aufbaute."
In seinem Buch "Le Corbusier - ein französischer Faschismus" zeigt Xavier de Jarcy, wie eng und nachhaltig der Architekt mit diesem Milieu verbunden war, wer sein Denken geprägt und seine Theorien gefördert hat. In den Archiven der Pariser Fondation Le Corbusier stieß er zum Beispiel immer wieder auf einen gewissen Dr. Pierre Winter.
Xavier de Jarcy: "Dieser Doktor trat 1925/6 dem Faisceau bei, der ersten faschistischen Partei Frankreichs. Er bot Le Corbusier Artikel zum Thema Sport, Hygiene und der Schaffung des modernen Menschen an. Dieser von Nietzsches Übermenschen beeinflusste Diskurs, und das interessierte Le Corbusier offenbar sehr. Und so rekrutierte er z.B. seinen Anwalt oder seinen Ingenieur aus diesem Milieu."
Seit der Bekanntschaft mit Pierre Winter, betont de Jarcy, sei das Werk Le Corbusiers durchzogen von der Idee der Eugenetik. Le Corbusier und sein Umfeld befruchteten sich gegenseitig. Gemeinsam war ihnen Antiparlamentarismus und das Bedürfnis, Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg wieder aufzurichten: einen gesunden, leistungsfähigen Menschen zu schaffen durch Sport, Arbeit und Auslese. Le Corbusiers Wohneinheit "Cité radieuse" in Marseille trägt nach Ansicht des Journalisten klare Züge dieses Gedankenguts.
Vor dem Krieg war Frankreichs Elite fasziniert von autoritären Regimen
Xavier de Jarcy: "Auf dem Dach gibt es einen Sportplatz, denn täglicher Sport regeneriert den Menschen, außerdem einen Kindergarten und eine Schule, weil man ja viele gesunde Kinder zeugen sollte, um die Demographie wiederanzukurbeln."
Auch die Nähe des Architekten zum Vichy-Regime während des Zweiten Weltkriegs dokumentiert de Jarcy genau. Keine zwei Tage dauerte es, bis er in das neue Machtzentrum zog, um die Gunst der Stunde für seine Pläne zu nutzen. Dass Le Corbusier in diesem Milieu zuhause war und dessen antisemitische Ideen offen teilte, bestreitet auch der Pariser Architekt Paul Chemetov nicht. Trotzdem verteidigt er Le Corbusier. Man müsse seine Irrungen in den historischen Kontext stellen, meint der 87-Jährige:
"Der überwiegende Teil der französischen Elite war vor dem Krieg fasziniert von autoritären Regimen, vor allem die Planer, Ingenieure usw. hielten sie für effizienter als die parlamentarische Demokratie mit ihren Schwächen."
Le Corbusier habe weder Pläne für KZ's entworfen noch sei er in eine Partei eingetreten. Außerdem sei Le Corbusier trotz seines Opportunismus, stets seiner Ästhetik treu geblieben, egal ob er für Stalin, Mussolini oder Vichy gearbeitet habe und letztlich zählt für Paul Chemetov nur das:
"Was bleibt denn von ihm? Sein Werk, nicht seine Freunde oder die Tatsache, dass er seiner Mutter schrieb, die Juden seien zu einflussreich. Das ist doch egal, nehmen Sie Voltaire, der war Antisemit und was bleibt von ihm? Voltaire!"
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