Davos Festival

Klassische Musik trifft auf Gleichberechtigung

07:22 Minuten
Musikerinnen und Musiker stehen beim Davos Festival 2020 unter Bäumen vor Publikum auf einer Wiese.
Musik bietet nicht nur schöne Klänge und Momente, sie ist immer auch politisch, sagt der Leiter des Davos Festivals, Marco Amherd. © Davos Festival / Yannick Andrea
Marco Amherd im Gespräch mit Mathias Mauersberger · 06.08.2021
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"Frauen am Herd" oder "Frau Bach im Museum" – so lauten Konzerttitel auf dem Davos Festival. Das Kammermusik-Treffen widmet sich in diesem Jahr den Themen Gleichheit, Sichtbarkeit, Gleichberechtigung – in der Musik und auch mit Wanderung und Kochkurs.
Davos ist vor allem bekannt als Luftkurort und internationales Kongresszentrum. Seit 1986 findet hier aber auch Davos Festival statt, ein Sommerfestival, das Kammermusik in ungewöhnlichen Formanten präsentiert und sich als Plattform für besonders talentierte junge Musikerinnen und Musiker versteht. Am morgigen Samstag beginnt die 36. Ausgabe.
In diesem Jahr steht das Festival unter einem politischen Motto: "Aequalis" – Lateinisch für "gleich". Es soll um Gleichheit, Sichtbarkeit, Gleichberechtigung gehen. Die Idee sei bei der Konzeption seines zweiten Festivaljahres entstanden, sagt Marco Amherd, der seit 2019 künstlerischer Leiter und Intendant des Festivals ist. Er habe gemerkt, dass Musik für ihn immer auch politisch ist. "Jede Komponistin, jeder Komponist hat eine Biografie. Sie haben ihre Kompositionen in einer Zeit geschrieben, die diese Werke auch geprägt hat." Diesen Kontext bei Konzerten auszublenden, sei schade.
"Ich habe mir dann überlegt, welches Thema ist vielleicht gerade aktuell, für mich wichtig, für die Gesellschaft wichtig – und wie könnte ich dazu auch Musik machen." Er sei dann darauf gekommen, dass die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in der Schweiz 1971 sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt. "Das war dann ein guter Anlass, um dieses Thema auch in Davos aufs Parkett zu bringen."

Über das Binäre hinaus

Das Männliche und Weibliche stehe auf den ersten Blick im Zentrum, erklärt Amherd. Das habe sich aus dem Jubiläum des Frauenstimm- und –wahlrechts angeboten. Auf dem Programm stehen zum Beispiel Komponistinnen, die zu Unrecht wenig gespielt und vielleicht sogar vergessen wurden. Die Konzerte tragen zum Teil ironische Titel wie "Frauen am Herd" oder "Frau Bach im Museum".
Aber das Ganze solle weiter gehen, sich mehr öffnen: "Genderfragen auch mitdenken, um Identitäten kreisen".
Ein Konzert trägt beispielsweise den Titel "Glitter and Be Gay!" Dabei kommen die niederländische Komponistin Henriëtte Bosmans und der britische Komponist Benjamin Britten vor, die sich regelmäßig Briefe schrieben und die offen zu ihrer Homo- beziehungsweise Bisexualität standen.

Offenes Singen, wandern, kochen

Teil des Programms ist auch eine partizipative Ausstellung. Durch die Objekte könne man erfahren, was Gleichberechtigung bedeutet, auf allen Ebenen, so Amherd.
Insgesamt seien die partizipativen Elemente wichtig: "Dass ein Festival nicht nur Musik zum Zuhören bietet, sondern die Menschen immer wieder motiviert werden, selber mitzumachen." Zum Beispiel das offene Singen an jedem Morgen in der Kirche. Da könne man erleben, wie heilend die eigene Stimme sein kann, welche Glücksmomente entstehen beim gemeinsamen Musikmachen, erklärt Amherd. "Ich denke, dass dann auch so ein Konzert ganz anders erlebt wird."
Mehrere Menschen laufen bei einem Spaziergang während des Davos Festivals 2020 vor Schweizer Bergkulisse.
Im vergangenen Jahr gab es einen "Dorfspaziergang". Die Wanderung in diesem Jahr findet vor ähnlicher Kulisse statt.© Davos Festival / Yannick Andrea
Auch eine gemeinsame Wanderung gibt es im Programm, zu der gemeinsames Singen und ein Konzert gehören. Da spiele auch die Natur eine Rolle, so Amherd. Abgerundet wird das partizipative Programm durch einen Kochkurs. Der habe auch eine kleine ironische Note: Angesichts des Konzerts "Frauen am Herd" und seines Nachnamens habe es auf der Hand gelegen, dass ein Kochkurs für Männer und Frauen und non-binäre Personen auch angebracht wäre, sagt der Intendant.
(abr)

Das 36. Davos Festival findet vom 7. bis 21. August 2021 unter dem Motto "Aequalis" statt.

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