David Crosby über sein Album "Sky Trails"

"Ich versuche, die beste Arbeit abzuliefern"

David Crosby bei einem Konzert der US-Band Crosby, Stills and Nash in Nyon (Schweiz) am 22. Juli 2010
David Crosby bei einem Konzert der US-Band Crosby, Stills and Nash in Nyon (Schweiz) am 22. Juli 2010 © dpa / picture alliance / Martial Trezzini
Von Marcel Anders · 29.09.2017
Der US-Musiker Dan Crosby ist inzwischen 76 Jahre alt und erlebt derzeit die vielleicht produktivste Phase seiner Karriere. Sein neues Album "Sky Trails" ist bereits das dritte in drei Jahren – und eines seiner besten.
"Ich habe viel Zeit verschwendet, indem ich zugedröhnt war. Mit harten Drogen. Nicht mit Marihuana – das ist O.K.. Aber mit Kokain und Heroin. Ich habe aufgehört zu schreiben, saß im Gefängnis und war ein komplettes Wrack. Aber jetzt bin ich an einem Punkt, an dem mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Deswegen versuche ich die beste Arbeit abzuliefern, die in mir steckt. Ich gebe mir wirklich Mühe."
David Crosby rührt nicht nur die Trommel für sein sechstes Solo-Album - er wähnt sich auf einer echten Mission: Als einer der letzten politischen Singer-Songwriter der USA und Bollwerk gegen das "Toupet tragende Desaster auf zwei Beinen", wie er Donald Trump bezeichnet. Dem stellt er auf "Sky Trails" Hippie-Ideale wie Liebe und Harmonie entgegen, findet aber auch deutliche Worte gegen Rassismus, den Einfluss multinationaler Großkonzerne und korrupte Volksvertreter.

Abgesang auf Washington als Mekka der Gier

"Unsere Politiker sind entsetzlich. Sie leisten einen inakzeptablen Job. Auch schon vor Trump. Im Kongress gibt es höchstens vier Leute mit Gewissen. Der Rest ist Gesindel, das sich an die Wirtschaft verkauft. Das fing vor langer Zeit an – mit den Eisenbahn- und Ölbaronen. Heutzutage gehört ihnen alles und jeder. Die rufen einfach an und sagen: 'Wir brauchen einen netten kleinen Krieg. Und wir haben euch letztes Jahr acht Millionen Dollar gegeben. Also macht mal.' Das passiert dann auch. Diese Typen beherrschen das Land."
"Capital" – ein Abgesang auf Washington als Mekka von Dummheit und Gier, in dem amerikanische Werte mit Füßen getreten werden. Und Höhepunkt einer musikalischen Anklageschrift in zehn Stücken, die Crosby mit Gedanken über verstorbene Freunde, einer Liebeserklärung an seine Frau Jan und einer Hommage an die schwer erkrankte Joni Mitchell würzt. Ihr "Amelia" von 1976 ist das einzige Cover auf "Sky Trails" und passt wunderbar zum Vibe eines Albums, das gekonnt zwischen Folk und Jazzrock pendelt. Das Crosby mit einer neunköpfigen Band um seinen Sohn James Raymond aufgenommen hat. Und nicht ganz zufällig an Steely Dan erinnert.
"Dann haben wir alles richtig gemacht! Denn ich liebe Steely Dan. Und der Tod von Walter Becker hat mich umgehauen. Momentan verliere ich jeden Monat jemanden, den ich liebe. Und Steely Dan waren immer meine Lieblingsbands – gleich nach den Beatles. Ihr Songwriting ist der Wahnsinn. Und wie sie zu klingen, ist eine wunderbare Sache. Nur: Ich spiele nicht so gut wie Walter."
Filigranität, so David Crosby, sei momentan eh sekundär. Es gehe um die Kernaussage, nämlich ums Umdenken und Rumreißen des politischen Ruders. Damit wendet er sich vor allem an die Jugend. Die müsse alles besser machen. Und Trump sei der Katalysator für diese Mobilisierung, weil er den tief verwurzelten Rassismus und Sexismus der USA sichtbar mache, und er sich so besser bekämpfen lasse. Außerdem seien konservative Regierungen – wie Nixon, Reagan oder Bush – immer gut für die Kunst.

Crosby backt kleinere Brötchen

"Ich warte auf einen wirklich wütenden Song – wie ein zweites 'Ohio'. Einer, der den Mächtigen in den Hintern tritt. Daran arbeite ich auch selbst. Ich habe schon seitenweise Worte gesammelt. Und ich sage den Menschen im Netz: 'Die Tür ist offen – legt los!' Denn wir brauchen eine neue Hymne wie 'We Shall Overcome' – nur wütender."
Das Internet, insbesondere Twitter, ist die neue kommunikative Spielwiese von David Crosby. Das Gründungsmitglied der Byrds und von Crosby, Still, Nash und manchmal Young verbringt jede freie Minute am Mobiltelefon, beantwortet Fan-Fragen und liefert sich Wortgefechte mit Künstlern, an deren Auftreten und Werk er kein gutes Haar lässt. So bezeichnet er Ted Nugent als "dumme Nuss", Kid Rock als "Schnösel" und Kanye West als "talentfreien Poser":
"2015 bin ich beim Glastonbury Festival aufgetreten, und habe mir Kanye West angesehen, der die Kühnheit besaß, 'Bohemian Rhapsody' von Queen zu covern. Ich meine, über Freddie Mercury kann man sagen, was man will, aber er konnte singen. Während Kanye schrecklich klingt. Also habe ich geschrieben: 'Jemand solle ihn zum Haus von Stevie Wonder fahren, damit er sieht, wer der größte lebende Rockstar ist – er ist schwarz und blind. Und Kanye wird nie so gut sein, wie er.'"
Kommentare, mit denen Crosby Spaß hat. Die bescheren ihm auch mediale Aufmerksamkeit. Allerdings nicht so, dass er daraus Kapital schlagen kann – und das hat er bitter nötig. Mit dem Ende von CSN hat David Crosby seine Haupteinnahmequelle verloren, musste sein Boot, die Mayan, verkaufen, und backt auf seiner kommenden US-Tournee deutlich kleinere Brötchen. Nach Europa – so scheint es – wird er vorerst nicht kommen. Was er sehr bedauert.
"Das Problem ist: Ich bin alt, verlebt, meine Gesundheit ist nicht toll, und ich kann nicht mehr lange im Bus oder im Auto sitzen. Außerdem muss man die Band und das Equipment über den Atlantik fliegen. Was teuer ist. Und man bietet mir nicht genug Geld, um die Kosten zu decken."
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