"Dass eine ganze Akte gefälscht ist, ist mir bisher nicht vorgekommen"

Stefan Sienerth im Gespräch mit Susanne Führer · 17.11.2010
Stefan Siehnert, Südosteuropa-Historiker der Universität München, brachte den Fall Pastior ins Rollen. Er entdeckte die IM-Tätigkeit des späteren Büchner-Preisträgers in den Akten der Securitate.
Der rumänische Geheimdienst hatte über die heimischen Autoren "Buch geführt" und umfangreiche Akten angelegt, die inzwischen in der rumänischen Gauck-Behörde CNSAS in Bukarest lagern.

Die CNSAS arbeitet unabhängig und ist sowohl für Forscher als auch für Privatleute zugänglich, die sich auch Kopien ihrer eigenen Akten besorgen können. Vollständig sind die rumänischen Akten, die erst seit 2006 auch für die Öffentlichkeit zugänglich wurden, allerdings nicht, sagte Siehnert. Was vernichtet oder entfernt wurde, sei nicht absehbar.

Bezüglich der Zuverlässigkeit der Akten forderte Siehnert eine kritische Auseinandersetzung mit diesen, da im Regelfall nur die Sichtweise der Securitate vermerkt ist.

Möglicherweise gebe es auch "gefälschte Akten", räumte der Literaturhistoriker ein. "Aber wenn man halt auch das Umfeld kennt, wenn man den Autor kennt, wenn man auch sonst Berichte aus anderen Akten kennt, dann lässt sich schon ein Bild zusammenstellen, dass in etwa der Wahrheit sehr nahe kommt."

Die Aussage von Dieter Schlesak, von ihm gebe es eine Opfer- und eine Täterakte, wovon die Täterakte aber komplett gefälscht sei, erscheint Siehnert ohne genauere Kenntnis dieser "etwas ungewöhnlich". "Dass eine ganze Akte gefälscht ist, ist mir bisher nicht vorgekommen", sagte Siehnert.

Schlesak hatte in seiner Securitate-Akte Berichte von Pastior über sich gefunden und Hinweise darauf, dass Pastior auch den Lyriker Georg Hoprich bespitzelt hat, der sich nach der Haft wegen eines Gedichts das Leben nahm.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 17.4.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.