"Dass die Malaria zurückkommt, das möchte ich bezweifeln"

Sven Klimpel im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 13.06.2012
Die Mücke wird immer gefährlicher, könnte man meinen, denn die Meldungen von immer heftigeren Reaktionen auf Mückenstiche nehmen zu. Der Parasitologe Sven Klimpel räumt ein: Ja, es gibt zwar neue, eingewanderte Arten wie den asiatische Buschmoskito, aber die Malaria bringt auch die nicht nach Deutschland.
Jan-Christoph Kitzler: Die Blutsauger sind wieder unterwegs. Haben Sie sich schon wieder eingestellt auf die Mückensaison? Wenn man in Wassernähe wohnt, zumindest dann, dann muss man sich wohl oder übel manchmal stechen lassen. Und immer mehr Menschen klagen, dass die Mücken lästiger werden, als sie es ohnehin schon sind, dass die Stiche heftigere Reaktionen auslösen, manchmal sogar Krankheiten. Ist das ein Trend? Sind Mücken eine Bedrohung oder werden sie es noch? - Das bespreche ich jetzt mit dem Parasitologen Sven Klimpel, Leiter des Senckenberg-Instituts in Frankfurt am Main. Schönen guten Morgen!

Sven Klimpel: Guten Morgen!

Kitzler: In letzter Zeit konnte man ja davon lesen, dass Mücken immer gefährlicher werden. Ist das Panikmache, oder ist da aus der Sicht des Wissenschaftlers etwas dran?

Klimpel: Panikmache ist immer ein schlechtes Wort. Das stimmt, da haben Sie Recht. Wir sagen immer, wenn wir frühzeitig über ganz bestimmte Themen arbeiten, präventiv arbeiten, dann ist das schon sehr gut, und wir sind gerade dabei, eben bundesweit in ganz Deutschland uns anzuschauen, was für Stechmücken gibt es hier eigentlich bei uns. Es gibt alte Erhebungen, von früher gibt es solche Daten aus den 40er , 50er , 60er Jahren, die sind aber nicht mehr aktuell. Und wir haben festgestellt bei einzelnen Falluntersuchungen, dass tatsächlich einige invasive Arten, also Mückenarten, die hier nicht vorkommen, bereits auftreten. Darum geht es und da arbeiten wir in einem bundesweiten großen Verbundprojekt mit anderen Institutionen zusammen.

Kitzler: Das heißt, es gibt neue Mückenarten und die bringen möglicherweise dann auch neue Krankheiten mit, oder wie muss man sich das vorstellen?

Klimpel: Ja, das ist eine gute Frage. Man geht davon aus, dass es ungefähr 48 Arten in Deutschland an Stechmücken gibt, also einheimische und auch invasive Arten. Und natürlich gibt es neue Mückenarten, die zum Beispiel wie der asiatische Buschmoskito im asiatischen Raum vorkommen, und da haben Sie genauso wie bei uns auch Winter und Sie haben Sommerzeit und daher sind diese Insekten sehr gut auch an unsere klimatischen Verhältnisse angepasst. Diese Mücken sind bekannt, zum Beispiel in ihren Regionen, wo sie einheimisch sind, dass sie hervorragend ganz bestimmte virale Infektionen übertragen können, und es wäre durchaus möglich, dass die Mücken, wenn sie hier sind, auch bestimmte Viruserkrankungen übertragen können. Aber das ist auch wiederum ein Punkt in unserem Projekt, wo wir nachschauen wollen: Können diese Mücken überhaupt Viren übertragen und welche Viren. Das ist so ein Punkt, den wir bearbeiten.

Kitzler: Ist es theoretisch auch denkbar, dass Krankheiten wie Malaria, die ja auch über Mücken übertragen werden, die man hierzulande schon als ausgerottet sah, wiederkommen können durch solche neuen Arten?

Klimpel: Wir haben festgestellt in einer ganz bestimmten Mückenart - der wissenschaftliche Name ist vielleicht jetzt nicht ganz so interessant -, dass die tatsächlich bei uns zunehmend auftritt, und die ist bekannt, dass sie sehr gut diesen protozoischen, also einen einzelligen Parasiten übertragen kann und weiter verbreiten kann, dass die bei uns sehr häufig jetzt auftritt und immer zunehmender bei uns auftritt in unseren Breiten. Dass die Malaria zurückkommt, das möchte ich bezweifeln. Es ist wahr, dass tatsächlich in den früheren Jahren, so 1900 bis in die 50er Jahre hinein, so einzelne Malaria-Fälle bei uns aufgetreten sind, aber ich glaube nicht, dass es hier zu einer Epidemie kommt oder zu einem Malaria-Hochgebiet. Also das wird nicht passieren. Das wird schon in den Tropen bleiben, weil diese Parasiten, die in diesen Mücken auftreten, um sich zu entwickeln, auch ganz bestimmte Temperaturen benötigen, und da es bei uns tatsächlich doch noch etwas kühler ist als in den Tropen, haben sie schlechtere Entwicklungsmöglichkeiten.

Kitzler: Wie ist das eigentlich mit den - na ich will nicht sagen: lieb gewonnenen, aber - einheimischen Mückenarten, die wir jetzt so haben? Werden die eigentlich von den neuen verdrängt und damit vielleicht weniger lästig, oder verändern die sich auch?

Klimpel: Verändern in dem Sinne nicht. Das ist eher so eine Kombination. Natürlich zeigen diese invasiven Arten, dass sie sich tatsächlich unheimlich gut an neue Gegebenheiten anpassen können. Aber auch unsere einheimischen Mücken - insbesondere jetzt in diesem Schlagwortthema "Klimawandel", "global warming", also "Erderwärmung", spielt das schon eine Rolle - unsere einheimischen Mücken haben aufgrund der besseren Lebensbedingungen, der klimatischen Verhältnisse auch viel bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Das heißt, wenn sie nur eine Generation entwickeln konnten in einem Jahr, schaffen sie es jetzt vielleicht mit drei, vier. Also es werden viel mehr Mücken da sein, weil sie eben auch bessere Lebensbedingungen haben. Ich glaube, das ist so eine Kombination, es werden neue Arten einwandern, das ist ganz normal, und unsere einheimischen Mücken werden immer bessere Lebensbedingungen haben. Also wir werden damit leben müssen, dass Stechmücken bei uns sind, wir werden auch in den nächsten zehn bis 50 Jahren damit leben müssen, dass vielleicht über Blut saugende Insekten, sogenannte Vektoren, nennt man die auch, bestimmte Krankheiten auftreten, die vorher nicht bei uns aufgetreten sind.

Kitzler: Das was Sie da jetzt untersuchen, gilt das eigentlich für ganz Deutschland, oder gibt es wie bei den Zecken, sage ich mal, bestimmte Risikogebiete?

Klimpel: Das ist auch eine sehr interessante Frage. Tatsächlich ist es so, dass ganz bestimmte Viren ganz unterschiedliche Wirte nutzen. Zum Beispiel konzentrieren wir uns in unserem Projekt auch auf das sogenannte West-Nil-Virus - hat deshalb eine Bedeutung, weil dieses von 2000 an in den Vereinigten Staaten aufgetreten ist über einen sehr langen Zeitraum, und man konnte das sehr gut verfolgen, wie zum Beispiel von Ost nach Westen über die Vereinigten Staaten diese Viruserkrankung auch bei den Menschen aufgetreten ist. Und hier ist es interessant, weil als sogenannte Überträgerorganismen neben diesen Moskitos auch Vögel, Zugvögel fungieren, und das ist zum Beispiel ein Schwerpunkt, da haben Sie Recht. Es gibt bestimmte Zugvogelrouten, die wir uns anschauen. Und hier wird natürlich gezählt, die Mückenfauna untersucht und auch nachgeschaut, was für ein Virenpotenzial oder was für Viren tragen die Mücken in sich.

Kitzler: Dieses neue Risiko durch neue Mückenarten, durch veränderte einheimische Mückenarten, heißt das, wir müssen uns jetzt auch in Zukunft anders schützen, brauchen wir neue Strategien im Kampf gegen die Mücke?

Klimpel: Da sind die Pharmaunternehmen sehr gut davor, da wird ständig drüber gearbeitet. Das ist also kein Prozess, der steht, sondern hier werden tatsächlich kontinuierlich immer die Mittel verbessert und die werden auch an die Mücken angepasst. Das ist so ein ständiger Wettkampf zwischen diesen Pharmaunternehmen und diesen kleinen Insekten, wobei die Insekten meistens die Vorderhand haben, weil die Mittel, die es so gibt, die schützen schon, das sind so Rebellen, so nennt man das, das heißt, die können so vier, fünf, sechs Stunden, wenn man sie gut aufgetragen hat, einen Schutz geben. Man muss sich daran anpassen, natürlich, und darüber wird aber gearbeitet. Da stecke ich nicht so drin mit den Pharmaindustrien, aber ich weiß, dass da kontinuierlich, weil das ja auch ein großer Absatzmarkt ist, an diesen Insektenmitteln gearbeitet wird.

Kitzler: Noch eine kurze Grundsatzfrage an den Mückenforscher: Die Mücken sind lästig, das wissen wir alle, aber wofür sind sie eigentlich gut?

Klimpel: Mücken spielen im Ökosystem eine entscheidende Rolle, weil zahlreiche andere Organismen sich von diesen ernähren. Vögel sind das beste Beispiel, die brauchen diese Mücken, insbesondere Schwalben oder Mauersegler, die nutzen schon die Mücken. Aber auch andere Insekten zum Beispiel fressen Mücken. Mücken haben im Ökosystem eine zentrale Rolle und aufgrund, dass sie so zahlreich sind, sind sie natürlich auch sehr leicht zugänglich und daher spielen sie schon eine entscheidende Rolle, außer dass sie für uns Menschen natürlich lästig sind.

Kitzler: Da haben wir viel gelernt heute über die Mücke. - Das war Professor Sven Klimpel, Parasitologe, Leiter des Senckenberg-Instituts in Frankfurt am Main. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Klimpel: Ich danke Ihnen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Links auf dradio.de:
Lecker, lecker: Insekten! - Ein Kochexperiment
Insektenfraß vernichtet alte Waldbestände
Klima auf der Kippe - Wann die Erderwärmung wirklich kritisch wird
Mehr zum Thema