Das Zukunftsauto ist eine Kugel

Von Thomas Wagner · 07.03.2010
Ein Rundgang über den internationalen Automobilsalon in Genf zeigt: Es tut sich was unter den Motorhauben. Denn statt Zylindern und Einspritzsystemen finden sich dort in vielen Fahrzeugmodellen Kabel und riesige Batterien; Elektrofahrzeuge sind auf dem Vormarsch, treibstoffsparende Systeme sind gefragt. 16 der 100 Welt- und Europapremieren verfügen über elektro- oder alternative Antriebe. Die Visionäre unter den Konstrukteuren, die sich mit dem Auto der Zukunft beschäftigen, gehen allerdings noch einen Schritt weiter: Das Fahrzeug rollt wechselweise auf den Straßen – oder auf der Schiene, fest verankert in einem Containerzug.
Futuristische Klänge am Stand des Züricher Autokonstrukteurs Frank Rinderknecht auf dem Automobilsalon in Genf. Er glaubt, buchstäblich das automobile "Ei des Columbus" gefunden zu haben. Denn sein Zukunftsauto namens "UC" sieht aus wie ein riesiges, in der Mitte durchtrenntes Ei, finden die Messebesucher:

"Es sieht so aus wie eine Knutschkugel, ein Ei, nicht so harmonisch von den Proportionen, ungewöhnlich, nicht sportlich, gemütlich, rund, eirig, gewöhnungsbedrüftig."
"Es sieht so aus wie ein Spielzeug für ein kleines Kind."

Ein 2,60 m langes Spielzeug allerdings auf vier Rädern, grünlicher Metallic-Lackierung: Das soll, wenn es nach den Vorstellungen des Züricher Konstrukteurs Frank Rinderknecht geht, nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Schiene unterwegs sein – ein Beitrag zur Eindämmung des Verkehsinfarktes.

"Der UC ist nicht nur ein richtig knuddliger Kleinwagen, sondern wir haben die Vision, dass lange Autofahrten, die eigentlich sehr öde sind, mit dem Zug überbrückt werden können. Ich gehe ins Internet, reserviere einen Platz im Intercity von Stuttgart nach Frankfurt zum Beispiel und fahre quer in den Zug rein."

Und zwar in speziell für den Kleinwagen "UC" vorgesehene Containerwaggons. Kurzstrecken werden mit der, wie es der Konstrukteur nennt, "Hightechkugel" zurückgelegt, Langstrecken dagegen "huckepack" auf der Schiene im Containerwaggon. Frank Rinderknecht:

"Unsere Vision ist, dass man beides verbindet, dass man weite Strecken mit der Bahn überbrückt und Kurzstrecken mit dem UC darstellt. Das braucht Infrastruktur, spezielle Waggons, in die der Wagen einfahren kann."

Die müssten die Bahnen bereitstellen – die Waggons und ebenso die notwendigen Auffahrrampen. Frank Rinderknecht führt darüber nach eigenen Angaben mit den Schweizerischen Bundesbahnen ebenso Gespräche wie mit der Deutschen Bahn AG. Darüber hinaus sieht der Kleinwagen von innen überaus ungewohnt aus:

"Was auffällt, ist, dass das Lenkrad fehlt. UC wird mittels Joystick gefahren, in zentraler Funktion. Das funktioniert wie ein Videogame und bedingt natürlich einer besonderen Feinmotorik, denn da wird nicht mehr am Lenkrad gehebelt, sondern über Millimeter wird das Auto höchst päzise manövriert."

Für denjenigen, der hinterm Lenkrad, pardon: der am Joystick sitzt, ein ungewohntes Gefühl. Auch Brems- und Gaspedal sucht der Fahrer vergebens. Stattdessen findet er entsprechende Tasten, mit denen das Fahrzeug beschleunigt oder gestoppt wird. Diese Technologie ist der geringen Größe der Fahrkabine geschuldet, die gleichwohl ein, wie es Konstrukteur Frank Rinderknecht formuliert, luxuriöses "S-Klasse-Feeling" vermitteln soll. Und das ist aus seiner Sicht wichtig: Neue umweltfreundliche Fahrkonzepte würden nämlich nur dann angenommen, wenn sie auch eine emotionale Komponente enthalten, wenn damit also ein gewisser Fahrspaß verbunden ist. .

"Emotionalitäten fehlen im öffentlichen Verkehr. Und gerade das bietet ja der Individualverkehr. Also eine geschickte Kombination von beidem könnte auch ein weiterer Schritt in eine bequemere und eine umweltfreundlichere Mobilität werden."

Emotionalität, Fahrspaß – das war für Studierende der Dualen Hochschule Mannheim das Hauptmotiv, um das Projekt "Elmar" anzugehen.

"Elmar ist ursprünglich der Arbeitstitel gewesen und steht für 'Elektromotor auf Rädern'."

- erklärt Mario Seubert, Sprecher der studentischen Projektgruppe aus Mannheim. Eigentlich wird das Zukunftsauto gleich von vier Elektromotoren angetrieben.

"Unter jedem Reifen steckt ein Elektromotor, der direkt in die Felge integriert ist. Die Vorteile sind ganz einfach: Man braucht keine Wellen oder Achsen, die angetrieben werden müssen mit Verlusten, sondern das Drehmoment wird genau dort erzeugt, wo es auch benötigt wird, nämlich auf der Straße."

Rein optisch sieht "Elmar" aus wie eine Art Mondfahrzeug: Das Auto ist offen, verfügt über keine klassische Karosserie. Tragstruktur sind vier Träger, die oben zusammenlaufen. Unten, an den Enden dieser Träger, sind die Räder befestigt. Ganz wichtig: Diese Tragstruktur besteht aus einer elastischen Carbonverbindung. Und das bedeutet: Das Fahrzeug kommt ohne Federung und Stoßdämpfer aus.

Das sorgt für Interesse. Immer wieder verirren sich die Ingenieure etablierter Fahrzeughersteller hierher – und interessieren sich für "Elmar". Das Antriebssystem mit den vier dezentralen Elektromotoren, aber auch die elastische Carbon-Tragstruktur sei bereits neugierig beäugt werden, heißt es bei den studentischen Tüftlern aus Mannheim.